Baden mit Blake
Unter vielen Macken von mir ist die wichtigste, dass ich in die Badewanne immer mit William Blake ging. Die Werke, die ich wählte, waren verschieden. Meistens wahrscheinlich Milton. Milton war buchstäblich die reine Kunst.
An dem seltsamsten Tag meines Lebens tat ich es auch - ich zog mich aus, stieg in die Badewanne voller heißes Wasser und nahm Blake in die Hand. Hinter dem Fenster tobte der Wind. Ich konnte ihn immer gut hören. Ich lebte in Kraków-Dębniki, in einer dieser Straßen, die die Breite eines Halstuchs haben - so schmal, dass zwischen meinem und dem nächsten Mietshaus, das gegenüber stand, nur mit größter Mühe ein paar Bäume reingedrückt werden konnten. Bei Wind klopften ihre Zweige an die Fenster wie Gruselgestalten, mit solcher Wucht, dass - so mein Eindruck - davon nicht nur alle Töpfe in der Kommode, sondern auch meine Bilder zitterten, die an den Wänden und die auf den Staffeleien, in Erwartung, dass ich sie fertig male.
Ich lag schon eine halbe Stunde in der Badewanne, das Wasser um mich fühlte sich an wie eine warme Decke. Ich war allein mit William Blake. Die Wahrheit ist, dass ich immer mit ihm allein war. William Blake war für mich der beste Lebensgefährte. Der einzige, den ich hatte.
Manchmal tat ich so, als ob es anders wäre. Am Morgen zog ich mein Lieblingskleid in der Farbe des Himmels nach dem Gewitter an, kochte vier Eier weich - vier sind ausreichend, wenn man eine perfekte Familie hat - und trug sie zum Tisch wie eine Zirkusartistin, in genau bedachten Schritten, mit Sorge um Rhythmus und Präzision. Schließlich legte ich sie auf den Tisch, mit einem gestärkten Tuch bedeckt, und aß sie, als ob ich meine Traurigkeit gegessen hätte - in fein berechneten, weiß-gelben Bissen, und jeder drückte mich im Hals wie ein Stück alter Lappen. Vier Eier, darunter drei für meine nicht existierenden Angehörigen, verschwanden in meinem Mund, als wäre es ein lang geübtes Kunststück. Dann saß ich an diesem Tisch, still wie das Leben auf meinem letzten Bild, und machte mir Sorgen nicht nur um meine Zukunft, sondern auch um das Cholesterin.
Hundert Jahre Einsamkeit - ich habe immer bereut, dass dieser Titel bereits besetzt war, denn so sollte meine Biografie heißen.
Ich seufzte schwer und schloss für einen Moment die Augen. Die Wasserdecke hüllte mich fest ein, es war so, als wäre ich wieder klein wie ein Nadelkopf und schwämme im Fruchtwasser meiner Mutter, stöße gegen ihre Bauchspeicheldrüse und ihre Leber - ach, wie oft wollte ich dorthin zurückkehren und mich beschweren, dass man mich in die Welt, in Dębniki hinausgeschoben hat, direkt in den Sturm, direkt in alle Brennpunkte der Stadt, in die Landschaft, die wie ein Monster hinter dem Glas lauerte; hinter dem Fenster regnete es und die Tropfen schlugen rhythmisch gegen die Scheiben.
Als ich meine Augen öffnete, saß ich alleine am Holztisch in einem völlig leeren Zimmer. Vor mir, auf dem Teller, lagen Vogelbeeren, rot wie das Kostüm eines Toreros.
"Setzt dir die Maske auf", befahl mir ein Vogelbeerenkügelchen mit einer Stimme, die klang, als würde sie aus einem Brunnen kommen.
Ich schaute nach rechts, zur Wand. Dort hingen viele Masken in verschiedenen Farben, dünn und zart wie aus Pfannkuchenteig oder - was ich zu befürchten begann - aus Menschenhaut gemacht. Ich bekam Angst und fing an zu protestieren.
„Weswegen? Ich will nicht. Warum kann ich nicht einfach ich selbst sein?“, fragte ich schon etwas versöhnlicher und habe plötzlich verstanden, wie wenig es bedeutete. Mein Gesicht schien mir wie ein Apfel, der mir aus der Hand fiel und weit außerhalb meiner Sichtweite wegrollte.
Um, wie man so sagt, sich selbst zufinden, schaute ich in das Auge des Spiegels, der auf dem Tisch stand. Er war kupfergolden wie Fischschuppen. Und ich erschrak noch mehr - ich habe mein Bild darin nicht gesehen. Je länger ich mich über den Spiegel beugte, desto mehr war ich nicht da. Drinnen spiegelten sich nur Masken wider, die - wie ich bemerkte - überall, an allen Wänden hingen: ein Festival, ein Karneval, ein Horror von Masken, die mich plötzlich wie ein Wolfsrudel umzingelten und mit leeren Blicken anglotzten, wobei ihre Gesichtszüge sich in einem Gummilächeln verzerrten.
Die Vogelbeerenkügelchen lachten boshaft und zischten. Durch dieses laute Gelächter fingen die Masken an der Wand an, sich zu bewegen. Mit zitternder Hand, ohne sie anzuschauen, griff ich nach der ersten besten und setzte sie langsam auf mein Gesicht.
Als ich durch sie blickte, stand ich ganz nackt in einem völlig anderen Zimmer und mehrere Frauen kleideten mich an.
"Die Hochzeitsschuhe wird man dir gleich vorbeibringen, aus Holz", sagte eine von ihnen und zog mir mit einer sanften Handbewegung die Maske vom Gesicht. Ich fragte mich, was jetzt an seiner Stelle war - ich wäre nicht überrascht, wenn ich den Mond um den Hals tragen würde.
"Die Brautjungfern warten seit Morgen im Obstgarten", sagte die andere. „Die Bäume sind bereits weiß und weiß sind ihre Kleider. Pünktlich zum Mittag werden alle ihre Masken abnehmen“.
"Diese beiden wuchsen auf den Bäumen", sagte die nächste, unruhig, als ob es eine Warnung wäre. Ihr Dutt war so seltsam hochgesteckt, dass es aussah, als würde ein Tier auf ihrem Kopf sitzen. „Zwei Cousinen auf alten Birnbäumen“.
"Sie werden Früchte pflücken und sie gepflückt haben“, sagte streng der Älteste von ihnen.
"Eine liegt noch nackt im Gebüsch", flüsterte der Jüngste, verstummte aber unter dem strafenden Blick der Alten.
„Es ist Zeit, es ist Zeit. Sie beenden schon das Schachspiel!“, ereiferte sich die mit dem Dutt.
Sie nahmen mich unter die Arme und führten in den nächsten Raum. Ich konnte mich selbst nur kurz ansehen. An meinem Körper gab es keine Haare. Ich war nackt und glatt wie ein Fisch.
Sie stellten sich hinter mich und hängten mir einen Samtmantel um, dessen Farbe einen an einen gespaltenen Granatapfel denken ließ; ich möchte nichts sagen, aber in gewisser Weise erinnerte es mich an das Gewand Christi, was mich wieder erschreckte. In Panik sah ich mich um, ob dort nicht auch ein Kreuz zu finden war.
„Nicht am Kreuz“. Die Jüngste kicherte. „Wenn überhaupt, dann am Stierhorn“.
„An ihrer Stelle wuchsen diese auf den Bäumen“. Die Alte hat mit dem Thema definitiv abgeschlossen. Wie ich verstanden habe, sollte es für mich ein Trost sein.
Sie drapierten das rote Gewand an mir so, dass es wie ein Kleid aussah; es pulsierte mit der Farbe von Blut. Auf mein Gesicht setzten sie die schwarze Stiermaske, die mit einem bunten Kranz aus frischen Blumen geschmückt war: einige hatten noch Tautropfen, winzig und glänzend wie Perlen. Dann führten sie mich in einen anderen Raum. Dort wartete schon ein junger Mann im Torero-Kostüm. Er sah aus, als wäre er gerade aus dem tiefen Schlaf erwacht. Sein Gesicht kam mir bekannt vor. Ich starrte es hartnäckig wie eine Sonnenfinsternis an.
„William“, stellte er sich vor. „William Blake. Ich mag auch Eier“.
Ich öffnete meine Augen, so schwer, als ob auf jedem Augenlid ein Gewicht befestigt wäre. William Blake - in Buchform - schwamm in der Badewanne wie eine noch unentdeckte Fischart. Piscis papierus. Ich stand langsam auf und stieg aus der Badewanne. Der Wind war gerade vorbei. Ich holte tief Luft und schaute hinunter. Dann rollte eine kleine, stierblutrote Vogelbeere unter meine Füße.