Blaues Glas
Die Begeisterung über die Werke einer sehr jungen Künstlerin birgt immer ein Risiko in sich. Wir begeistern uns dafür, das wir hier und jetzt sehen, aber bald erwarten wir weitere Feuerwerke, Entwicklungen, Überraschungen. Wir wollen im Zustand der Entzückung bleiben.
Als wir vor sieben Jahren in der Galeria Art die erste Ausstellung von Katarzyna Karpowicz zeigten, war die Aufgabe leicht: unsere Bewunderung mit einem breiteren Publikum zu teilen.
Die junge Malerin, die soeben die Krakauer Akademie der Schönen Künste absolviert hat, gewann sofort eine treue Fangemeinde. Die formale Schönheit und scheinbare Naivität ihrer Themen versetzten ins Erstaunen und verzaubern. Wir betraten die Welt dieser Werke und lasen sie wie Märchen für Erwachsene.
Bei Katarzyna Karpowicz ergibt sich das Bild immer aus einem tiefen Erleben der Realität, aus Beobachtungen und Gefühlen. Eine scheinbar unwirkliche Szene entsteht durch Ereignisse, Begegnungen, Gespräche. Den Erfahrungen des Lebens folgen weitere Bildzyklen.
In den letzten Jahren war Katarzyna viel in der Welt unterwegs, hat mehrmals ihren Wohnort gewechselt. Längere Aufenthalte in Budapest, in der englischen Provinz oder in Spanien ermöglichten es ihr, eine neue Palette von Motiven und menschlichen Geschichten zu entdecken. Sie hat sie durch ihre Sensibilität gefiltert und in ihren Arbeiten auf eigene Art erzählt. Sie führt auch weiterhin den subtilen Dialog mit den Meistern wie Balthus, Picasso und den Malern des magischen Realismus. Sie lässt sich durch Literatur und Kino, zuletzt das spanische, inspirieren. Jetzt entdecken wir dank ihrer Bilder die Filme von Víctor Erice.
Jede dieser Arbeiten ist metaphysisch. Jede entsteht in Konzentration und der Betrachter spürt es. Im Objektiv der Leinwand bindet die Künstlerin das Wirkliche und das Geträumte, das, was wir haben und das, wofür wir schwärmen. Tatsache und Vorahnung.
Man könnte diese Malerei als autobiographisch betrachten. In den schönen Gesichtern von Kindern und Frauen nach den Zügen der Künstlerin suchen, an ihren Reisen teilnehmen. Da aber eigentlich jedes Bild autobiografisch ist, blicken wir über dieses Stereotyp hinaus. Die Arbeiten von Katarzyna Karpowicz sind zutiefst universell und existentiell, sie erzählen Geschichten über Beziehungen, Erwartungen, Hoffnungen und Ängste. Das Mädchen, das vor einigen Jahren ihre Heldinnen, wie Kinder im Mutterleib zusammengerollt, am Fuße eines Berges oder neben einem großen Bären zeigte und sie einen Traum vom Leben träumen ließ, wurde zur Frau. Nicht ohne Grund erscheinen jetzt in ihren Gemälden so häufig Masken: das Motiv des Spiels und des Vortäuschens, aber noch mehr der reiferen Fähigkeit, mit der Welt fertig zu werden. Und - selbst wenn es einem nicht sofort auffällt - gibt es in all dieser Lyrik eine Portion Humor, Ironie und Augenzwinkern.