Zeitgenössischer Barock

Bogusław Deptuła Von Bogusław Deptuła



Diese Epoche sowie die Kunst des Barock an sich rufen heute eher widersprüchliche Gefühle hervor. Die barocke Übertreibung, ihre Redundanz und ihr überschwänglicher Ausdruck scheinen nicht in unsere Zeit passen zu wollen.

Vielleicht sind wir im Falle eines Barockschlosses noch zugeneigt, aber wenn es um eine Kirche geht, dann sollte diese doch eher ruhig und romanisch sein, um sich etwas von der Hektik unserer Zeit abzuschotten. Eine barocke Kirche wäre jedoch bereits definitiv übertrieben und würde wahrscheinlich eher ablenken als zum Beten anregen. Außerdem wählen wir beim Anschauen von Kunstwerken eher Rembrandt statt Rubens und eher Caravaggio statt Carracci aus.

Andererseits jedoch zeigt sich, welch großes Potenzial in barocken Still-leben oder umfangreichen religiösen oder mythologischen Kompositionen steckt. Es genügt, einfach hiervor keine Angst zu haben. Kürzlich ist am künstlerischen Horizont eine neue, faszinierende Person aufgetaucht, die, wie man auf den ersten Blick sieht, keine Angst vor Barock, Übertreibung oder dem Griff nach historischen Mustern und Themen hat. Außerdem weist sie große Malfreiheit und eine ruhige, vielleicht sogar meisterhafte Hand auf.

Julia Medyńska hat eine ziemlich komplizierte Biografie. Sie ist in Danzig geboren, hat in den USA gelebt und studiert, und derzeit ist sie wieder in Polen und wird hier wohl noch einige Zeit bleiben. Diese Komplikation zeigt sich auch in ihrem malerischen Schaffen, das sich offen und unzeremoniell auf die barocken Meister bezieht. Ich male wie barocke Meister, aber ich denke, es wäre manchmal sehr schwer, klar zu sagen, welche konkret ... Wir assoziieren etwas, etwas geht in unseren Köpfen umher, aber wenn dies auf ein bestimmtes Gemälde, eine bestimmte malerische Adresse hinlenken sollte, wäre es schwierig diese zu benennen.

Julia Medyńska Julia Medyńska

Es gibt da die Szene mit Narziss. Narziss kehrt oft in die Kunst zurück, weil er einer ihrer mythischen Entdecker und Schöpfer ist. Wie Leon Battista Alberti schrieb: „Der Erfinder der Malerei war (...) Narziss, der in eine Blume verwandelt wurde; da die Malerei die Blüte aller bildenden Künste ist, passt die Narziss-Geschichte perfekt zur Malerei. Was ist die Kunst der Malerei, wenn nicht das Phänomen, diese Spiegelfläche mit Hilfe der Kunst einzufangen? Die erste Version des Narziss von Julia Medyńska konzentriert sich auf ein Blumen-Thema.

Ein junger Mann unter Blumen, eigentlich selbst eine Blume, aber keineswegs eine Narzisse. Bewegt, mit flüchtigen Gesichtszügen, weiß man nicht so recht, ob er nun hübsch oder hässlich ist. Er richtet seinen Blick, was nicht häufig zu verzeichnen ist, in unsere Richtung, und dies ist keine typische Bildfixierung. Vielleicht stimmt das mit dem überein, was Zbigniew Herbert über ihn schrieb: "Entgegen der Legende, die ihm große Schönheit zuschreibt, war Narziss ein gewöhnlicher Junge mit vulgären Zügen, unreiner Haut, breiten Schultern und langen Gliedmaßen."

Das berühmteste Gemälde wurde von Caravaggio geschaffen und ist heute im römischen Palazzo Barberini zu sehen. Julia Medyńskas Gemälde hingegen bezieht sich überhaupt nicht auf diese Komposition. Es ist ruhiger, rätselhafter und zarter. Auf der erschütterten Wasser-oberfläche wird die undeutliche Figur noch weniger deutlich. Narziss scheint in sich selbst zu treten, anstatt sich selbst anzusehen. Ich glaube, er ist süchtig nach sich selbst. Und wenn ich aufzeigen sollte, womit man seine Bildkomposition vergleichen könnte, würde ich eher nach einem Vorbild in einem der schönsten und intimsten Gemälde von Rembrandt suchen, nämlich dem "Porträt der Hendrickje Stoffels", die durch das Wasser watet, aus der Sammlung der Nationalgalerie in London. In beiden Bildern gibt es eine ähnliche Atmosphäre und Farbgestaltung, nur in Medyńskas Narziss ist der Charakter des Werkes rätselhafter.

Julia Medyńska Julia Medyńska Julia Medyńska

Die ausdrucksstärksten ihrer Bilder „Minotaurus“, „Tanz am See“, „Einen Jungen baden“ wirken tatsächlich wie wenig bekannte Ölskizzen von Rubens oder von van Dyck. "Einen Jungen baden" scheint auf die oft dargestellte Szene anzuspielen, in der Moses auf dem Nil entdeckt wird. Die drei Komponenten passen zusammen: eine Frau, ein Kind und Wasser – es gibt keinen Korb und natürlich auch kein Gefolge, das die Tochter des Pharaos begleitet, denn diese sollte schließlich das weinende Kind selbst entdecken. Es spielt keine Rolle, ob die Assoziation stimmt, wichtig ist allein die nicht offensichtliche Art, diese Szene zu präsentieren, die eigenartige Nachlässigkeit in der Ausführung, die große Eile, die Unlust der Vollendung der Szene. Die weiche, fließende Materie von Farben öffnet eher die Formen anstatt diese zu schließen. So ist auch "Tanz am See" als bacchische Szene gewalttätig, übertrieben und mächtig. Ähnlich ist es beim Gemälde "Minotaurus", wo zwar kein Blut auftaucht, wie man erwarten sollte, sondern dafür ein äußerst kräftiges Rot des Kleides, Draperien so stark, dass sogar das Rot des Blutes im Vergleich hierzu verblasst. Das Gewaltsame ist in Bewegung, das Gewaltsame ist im Unvollendeten, das Gewaltsame hat Farbe.

Julia Medyńska Julia Medyńska Julia Medyńska

Aber es gibt Bilder wie Elegien, Bilder wie die süßesten und ruhigsten Ariosi, zart und still und gedämpft, dann wieder mezzo voce, gemalt mit nur schwachem Ton oder vielleicht sogar nur ein Flüstern, monochrom und so beruhigt, dass diese Ruhe einfach nur verblüfft. Diese Bilder sind den sparsamsten Gemälden von Vermeer mit einzelnen weiblichen Charakteren wie "Die Spitzenklöpplerin" oder "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" recht ähnlich. Oder, um an die italienischen Barockmeister der Wiedergabe weiblicher Schönheiten Francesco Guarino, Guido Cagnacci, Francesco Furini zu erinnern, könnten diese Figuren ihren Gemälden entnommen sein, sind aber völlig frei von historischen, mythologischen oder religiösen Attributen. Die Tonleiter wird begrenzt, ausgeblendet, das Modellieren erfolgt beherrschter, ruhiger, glatter. Die Gesichter, wenn auch eher allgemein gehalten und nicht im Detail wiedergegeben und schon gar nicht porträthaft, verbleiben in einer Art Schwebe, von den Zeiten und Epochen ausgeschlossen. Darin ist ein Verweis auf die Vergangenheit zu erkennen, aber irgendwie sprichwörtlich unbestimmt, wie zu Beginn eines jeden Märchens: „Es war einmal vor langer, langer Zeit“. Und diese Charaktere sind zwar weniger spektakulär, aber vielleicht mehr auf unsere Zeit zugeschnitten, auf unsere Sensibilität und ästhetischen Vorlieben. Solche sind "Medea", "Die Schneiderin", "Die Enthauptung", mit einzelnen Charakteren oder auch nur eine Büste, ruhig, aber mit einem innewohnenden Drama oder vielleicht sogar einer Tragödie, die Titel der Werke verweisen auf diese dramatischen Zusammenhänge. Ich werde hier weder die Geschichte von Medea erzählen noch von Frauen, die die abgetrennten Köpfe von Männern in den Händen halten.

Julia Medyńska Julia Medyńska Julia Medyńska

Und schließlich die Stillleben. Manchmal wirken sie wie Transformationen bestimmter Gemälde, bestimmter Maler; es gibt aber auch andere, die sicherlich eigenständige Werke der Künstlerin sind, die sich dazu entschlossen hat, nach alten Mustern ihre eigenen Kompositionen zu schaffen, diese Muster aber gleichzeitig zu verarbeiten. Hier spürt man deutlich nordische Einflüsse, hier wurde die Künstlerin eher von Werken der Niederländischen und Flämischen Schule inspiriert. Obwohl Julia Medyńska erneut auf Genauigkeit und Buchstäblichkeit verzichtet, bleibt der Charakter dieser Werke erhalten.

Besonders aufgefallen ist mir das Blumenstillleben, das ganz getreu die technischen Malmuster des Nordens wiederholt, bei denen aber auch wie von oben Farbe herunterläuft. Ein augenscheinlich einfaches Verfahren, aber diese Art der Intervention ist irgendwie recht anziehend. Es ist dies eine Störung der Ordnung und des Friedens, es ist eine Mischung aus eigentlich zwei Stilrichtungen, des Barock und der Moderne. Ein scheinbar einfaches Verfahren, das schon so oft durchgeführt wurde, dass es keinen Sinn hat, seine Vorgänger zu erwähnen. Unter Medyńskas Pinselführung gewinnt es jedoch an Stärke und Originalität. Die Vermischung der beiden Stilrichtungen ist effektiv und beunruhigend. Vielleicht wird das Beunruhigende noch dadurch verstärkt, dass eine wirklich gut gemalte Blumenkomposition von der von oben herabfließenden Farbe quasi angegriffen wird. Dies erinnert mich an die Bilder eines Malers, der mir in letzter Zeit sehr gut gefallen hat, nämlich Abraham Mignon. Dieser war natürlich ein Meister der Details, und zwar ein großartiger, aber auf seltsame Weise fand sich auch in Medyńskas Gemälden etwas vom Charakter seiner Malerei wieder.

Julia Medyńska beherrscht ihr Fach in Vollkommenheit, und dies obwohl sie ihrer Malerei unendliche Freiheit und Leichtigkeit verleiht. Vielleicht könnte man sogar das Wort Désinvolture im Sinne von Ungezwungenheit erwähnen, das heute nur noch selten in den Mund genommen wird. Gerade diese spüre ich, wenn ich ihre irgendwie äußerst vielfältigen, aber ein jedes Mal wiedererkennbaren Bilder betrachte. Ich würde mir gerne ihre nächsten Werke ansehen.



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