Das sind keine Märchen

Małgorzata Czyńska Von Małgorzata Czyńska



Julia Medyńska

Eine Gestalt Tritt aus der Dunkelheit, und versinkt sie auch gleich wieder in der Dunkelheit.

Dramatische Bild-Erfassung, dramatisches Licht und dramatische Stimmung bestimmen jedes der Gemälde, jede Szene. Genau: die Szene im Sinne von Bühne. Nach dem Verständnis von Julia Medyńska ist Malerei eine Form des Spektakels.

Diese Denkweise über die Malerei wurde sicherlich von ihrem ersten erlernten Beruf beeinflusst – der Schauspielerei. Die Betrachtungsweise durch ausgedachte Pläne, gezielte Bildausschnitte, der Versuch des Ausdrucks. Sie bevorzugt es ihre eigenen Geschichten selbst zu erzählen anstatt die Rollen anderer Geschichten quasi als Schauspielerin darzustellen.

Julia Medyńska Julia Medyńska

Am Anfang steht die tiefe Schwärze, der schwarze Hintergrund.

Die Malerin und Regisseurin zugleich bemalt die leere Leinwand mit schwarzer Farbe. Sodann wischt sie die Leinwand ab, um das Licht zu enthüllen. Erst dann bringt sie die Farben auf.

Die Geschichten, die sich da auf der Leinwand ereignen, lassen mitunter das Blut in den Adern erstarren: nackte Menschen, womöglich Kinder, von Feuer verschlungene Köpfe brennenden Fackeln gleich. Haben etwa ihre Haare beim unschuldigen und sorglosen Spiel mit Streichhölzern Feuer gefangen oder hat sie jemand in einem Akt des Sadismus, der Bestrafung, der Rache oder der Gedankenlosigkeit angezündet?

Ein anderes Gemälde: eine zusammengekauerte Gestalt im Vordergrund und im Hintergrund ein Haus, in dem es gerade zu einer Explosion gekommen ist. Ist diese Gestalt dort ein Überlebender oder gar der Brandstifter?

Oder eine Szene am Fluss: Eine Frau hält ein Kind über der Strömung des Flusses, hat es gerade aus dem Wasser geholt. Oder aber versucht sie es eher zu ertränken?

Julia Medyńska Julia Medyńska

Mehrdeutigkeit, Angst und Rätsel.

Es gibt ziemlich viele Klischees in diesen Geschichten, die aus Märchen stammen. Die gute Fee, welche die Kinder in die Tiefe des Waldes lockt, kann sich schließlich als die böse Hexe entpuppen, als eine Baba-Jaga, unter deren Blick sich ein jedes menschliches Wesen in Stein verwandelt oder lange Jahre hinweg der alten Vettel untertänig zu dienen verdammt ist.

Wer ist gut, und wer ist hier böse? Und siegt denn immer das Böse? Diese Bilder sind wahrlich keine Märchen für Kinder, also können wir hier schon einmal ganz sicher sein, dass sie dies nicht immer sind, nicht unter allen möglichen Umständen.

Lassen wir uns nicht vom wunderschönen Sonnenuntergang täuschen. Grausame Szenen spielen sich in seinem Licht ab. Und die malende Regisseurin sagt: Meine Bilder sind offen für Interpretationen. Es geht mir nicht allein darum, eine bedrohliche Stimmung aufzubauen. Im Hintergrund ist oftmals schwarzer Humor zu entdecken. Im Spektakel, welches ein Gemälde darstellt, braucht es der verschiedenartigsten Emotionen.

Das emotionsgeladene Spektakel hat schließlich seine Bestandteile: ein dramatisches Spiel der Charaktere – ihre ausdrucksstarken Gesten, Kontraste von Dunkelheit und extremem Licht.

Das Atelier der Malerin befindet sich neben dem Haus ihrer Familie. Das polnische Dorf schlechthin, oder vielmehr sogar eine komfortable menschenlose Wüstenei, eine Enklave der Ruhe und des Friedens. Beide Gebäude stehen am See, am Horizont ein Wiesenstreifen, weiter in der Ferne ein Wald.

Vom Atelier aus sieht man das Haus, abends die Lichter in den Fenstern, gerade wie im Märchen.

Dämmerung auf dem See, dann Dunkelheit und tiefe Schwärze.

Vorhang auf, die Vorstellung beginnt!



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