Malen im Geiste der Musik
Malen von Musik bedeutet, das Unmögliche miteinander in Einklang zu bringen. Und doch wird diese utopische Anstrengung von sehr vielen Künstlern unternommen, und das seit sehr langer Zeit. Musik ist etwas Immaterielles - die bildenden Künste dagegen bestehen aus Materie.
Die Musikalität des Bildes ist ein sehr altes Motiv in der Malerei, welches in vielerlei Gestalt wiederkehrt. Am offensichtlichsten ist vielleicht, dass Bilder musikalischen Themen folgen können, und musikalisch gedacht können die Gestalten und Formen sein, die in Bildern erscheinen. So können sich zum Takt der Musik die Farben zeigen und dabei eine Harmonie zwischen Farben und Rhythmen schaffen. Die Kunst und deren Kritik bezogen sich immer gerne auf musikalische Vergleiche und deren Terminologie und entlehnten so viel wie nur möglich aus der Musik. Dies begann bereits vor ziemlich langer Zeit in Venedig des XVI. Jahrhunderts, wurde fortgeführt in Frankreich, um heute zu einem allgemeinen Mittel der Beschreibung von Bildern zu werden. Zugleich griffen diejenigen, die über Musik schrieben, auf die Terminologie aus dem Kunstbereich zurück, indem sie zum Beispiel die dunklen Klänge des Cellos oder die hellen Töne der Trompete beschrieben.
Krzysztof Kokoryn sollte Musiker werden. Er spielte Gitarre, er sang, und auf diese Art und Weise überwand er seine Schüchternheit. Er gewann sogar einige Preise und Auszeichnungen auf diesem Gebiet. Bis heute kann er seine musikalischen Anfänge nicht vergessen, und mehr noch: Kokoryn kann ohne Musik weder leben noch malen, so wie er nicht seinen Lebensweg gehen kann, ohne von eine Gruppe von guten Freunden begleitet zu werden, die sich unverändert, wenn auch unregelmäßig auf ein Bier oder auf ein Glas bei Musik und Gesprächen trifft. Manchmal bricht der Klang geradezu aus diesen Bildern hervor. Obwohl Bilder von Natur aus stumm sind, so schreiben wir ihnen doch mit unserer angeborenen Neigung, alles beleben zu wollen, was uns begegnet, Klänge zu und zuweilen sogar Gefühle, ohne weitere physiologische Funktionen wie das Atmen unerwähnt zu lassen.
Kokoryn gelingt es, diesen Bildern nicht nur eine große Kraft und Macht zu geben, zuweilen haucht er ihnen beinahe auch schon Klänge ein. Wenn aus dem Schalltrichter des Saxophons nicht nur ein dicker Streifen weiße Farbe herausfließt, sondern auf diesen auch noch ein dicker, graphitfarbener Strich aufgetragen ist, dann haben wir das fast nicht abzuwehrende Gefühl, dass die Musik des Saxophonisten stark und unbändig sei, aber zugleich auch musikalisch sehr raffiniert und interessant, so wie es eben nicht gerade selbstverständlich ist, diese beiden Farben nebeneinander zu sehen. Mitunter scheint etwas in Bewegung zu sein, zu zittern in diesen Bildern, die eine dicke Struktur haben, denn die mit musikalischen Motiven sind fast immer dick gemalt. Vielleicht bleiben in den Farbschichten jene Klänge, Rhythmen und Emotionen erhalten, die gewöhnlich unsere Assoziationen mit Musik so sehr erwecken.
Es gibt aber auch ruhigere, kühlere, quasi stillere Bilder. Melancholie strahlen himmelblaue, schweigende Instrumente aus, stummes, musikalisches Stilleben im Quadrat, wobei die Melancholie durch das Schweigen und die himmelblaue Farbtönung, die eine Tönung des Davongehens, des Sich-Entfernens, geradezu des Todes ist, noch verstärkt wird.
Die frühere Kunst stellte Instrumente alleine selten dar. Musizierende Gesellschaften allerdings schon, Stilleben mit Instrumenten selbstverständlich auch, aber schweigende Instrumente in der Hauptrolle, Bilder einzelner Instrumente, nein, das ist mehr als eine Seltenheit. Kokoryn tut es gerne. Erhaben sehen die aufgerichteten Kontrabasse, die geschlossenen Pianos aus. Die Zeit kann ihnen nichts anhaben, sie verweilen in der himmelblauen Stille, ihrer Rolle und Bestimmung widersprechend. Sie schweigen überheblich, sie werden zu Denkmälern ihrer selbst. Sie sind kühl. Es fällt jedoch schwer zu glauben, daß es so für immer bleibt. Bestimmt fangen sie zu spielen an, zu tanzen, zu musizieren, denn das ist doch ihre Bestimmung. Kokoryn hängte sie nur für eine Weile, für einen Moment in jener abgekühlten, melancholischen Stille auf, die sicher nicht ewig andauern wird.