Reportage aus dem Jüngsten Gericht

Wojciech Tuleya Von Wojciech Tuleya

Leszek Jasiński

Als Leszek Jasinski 1988 sein Studium an der Warschauer Kunstakademie absolvierte, deutete alles darauf hin, dass ihm eine schnelle Karierre bevorstand. Ehe er das Leben eines künstlerischen Außenseiters wählte, nahm er Ende der achtziger Jahre an einigen wichtigen künstlerischen Veranstaltungen teil. Mit Miroslaw Balka stellte er im Pavillon in der Foksalstraße aus. Er zeigte dort seine Adam und Eva als Kindespaar, in Uniformen der sowjetischen Pioniere gekleidet. Zusammen mit Robert Maciejuk, Miroslaw Maszlanka, Anna Myca und Witek Kucharczuk organisierte er Freilichtworkshops in Otrebusy. Die mit Elan durchgeführten Präsentationen der „Skulptur nach der Malerei“ kündigten die baldige Ankunft der Installationskunst der neunziger Jahre an.

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Ab diesem Zeitpunkt stellte Jasinski offiziell nicht mehr aus, was schade ist. Seine Werke aus den letzten zehn Jahren zeigen, dass er nicht nur sein Talent auf einen eigenen, einsamen Weg steuerte, sondern auch einen existentiellen Selbstversuch durchführte – er verließ die Stadt, um auf dem Lande zu leben. Beinahe alle gesellschaftlichen und künstlerischen Kontakte brach er ab. Er lebte sich in sein neues Milieu ein, als ob er sich mit seinen Vorgängern des Jungen Polens vergleichen wollte. Die ersten und oft einzigen Zeugen seiner Skulpturen waren in der Umgebung wohnende Bauern und Gemeindebeamten, die sich ein Porträt bei Jasinski leisten konnten.

Leszek formt seine Figuren aus Lehm und zieht ihnen oft seine eigenen Hemden an. In den Mund steckt er ihnen Zigarettenkippen, mit Schminke verleiht er ihnen Farbe. Seine Skulpturen sind keine großen Steinblöcke, die Jahrhunderte überleben sollen. Die Menschheit ist nicht aus Bronze, sie entsteht aus einfachen Materialien. Der Lehm, der normalerweise dem Künstler dazu dient, ein Bozzetto, eine Skizze, zu formen, ist hier das Endmaterial. Du bist Staub und wirst wieder zu Staub werden.

Wie jede Kunstform, so verfügt auch die moderne plebejische Kunst über ihre eigenen Gesetze des Decorum. Das beste Material sind Lehm und bunt bemalter Beton, der optimale Stil der extreme Naturalismus, dessen Ironie in der ländlichen Umgebung nicht verstanden wurde. Jasinskis Beobachtungen unterscheiden sich von den pittoresken Bildern, die uns von den Künstlern des Jungen Polens bekannt sind. Der Künstler zeigt Gesichter, wie wir sie von Brouwer, Teniers oder Rabelais kennen. Er hat sie vor dem örtlichen Supermarkt gesehen: Gesichtszüge voller hässlicher Falten und Warzen, vom Alkohol gezeichnet. Für Stadtmenschen stellen sie eine geschmacklose Provokation dar. Ihr Naturalismus scheint über die Figuren zu spotten. Und vice versa: Weil sich die Figuren auf klassizistischen Postamenten befinden und oft klassische Themen, zum Beispiel Bacchanalien, verkörpern, scheinen sie eine Verspottung der höheren Kunst durch plebejische zu sein. Wurde Jasinski Teil dieser Welt oder distanziert er sich von ihr?

Der Künstler tut alles, damit wir nicht erkennen, auf welcher Seite er sich befindet. Er beobachtet das plebejische Leben nicht nur, er nimmt auch an ihm teil. Sogar die Proportionen seines Hauses erinnern eher an eine primitive Bauernhütte als an eine moderne, stilisierte Villa mit Säulen. Obwohl erst vor zehn Jahren gebaut, versinkt es schon jetzt in dem sumpfigen Boden, da es „nach Art des Hauses“ errichtet wurde. Van Gogh meinte, man solle die Bauern so malen, als ob man selbst einer sei und wie ein Bauer denke. Leszek heiligt aber weder seine Nachbarn, noch versucht er, ihnen die städtische Ästhetik einzuimpfen. Vielmehr führt ihn sein Temperament auf den Weg von Celines Ferdinand Bardamu. Dessen Leben ähnelte einer ekelhaften und demütigenden Tragikomödie, die dem Menschen den dünnen Mantel der moralischen Prinzipien entriss. Wohin führte Leszeks „Reise ans Ende der Nacht“, warum sind seine Werke einzigartig?

Leszek hat den Naturalismus nicht neu erfunden. Er wendet ihn einfach klug an. Sein Talent ermöglicht ihm das. Eine zweite Inspirationsquelle liefert ihm die sakrale Kunst. Seine bildhauerischen Kompositionen haben viel vom Geist des Barocks. Sie erzählen vom Endgültigen. Der Enthusiasmus und das Pathos der religiösen Szenen trifft auf eine penible Liebe zum Detail. Leszek baut seine Szenen mit unzähligen Figürchen, er betrachtet sie wie ein Filmregisseur seine Schauspieler und Statisten bei einer großen Produktion. Er bestimmt die „Hauptperspektiven der Kamera“, kümmert sich um Details, die dem Werk ein Stück Lebensweisheit verleihen. Diese Details sind oft drastisch. Leszek mag es, uns – Zuschauer – damit zu konfrontieren, was wir normalerweise nicht gerne sehen: mit Hässlichkeit, Banalität und Grausamkeit. Er arbeitet ein wenig wie Goya bei seinen „Desastres de la guerra“. Warum riskiert er, dass seine Zuschauer sich so unwohl fühlen?

Vielleicht ist Körperlichkeit doch keine Last? Vielleicht lenkt sie nicht von vornehmen Sachen ab, weil es nichts gibt, von dem sie ablenken könnte? Weil es in diesen um Otwock liegenden Orten, wo Leszek jetzt lebt, nichts als die nackte Wahrheit der Materie gibt? So ist diese Welt. Ihre Banalität und Derbheit sind genauso ewig wie Monumente aus Bronze.



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