Spiele mit der Wirklichkeit
Das Verwandeln der Farbe in den Ton, des Tons ins Licht, des Lichts in den Raum, des Raums in die Bedeutung – das ist mein unaufhörliches Streben, die Harmonie, den Gleichklang, die vollkommene Form zu erreichen – sagt Darek Mlącki. Seine Kunst, die uns in illusorische Welten zieht, veranlaßt zur Kontemplation.
Mlącki malt auf Leinwand, auf Holz, auf Korkblättern. Er fertigt Skulpturen aus Schnur und räumliche, illusionistische Gemäldeobjekte an. Seine Farbpalette ist sehr sparsam: verschiedene Nuancen von Weiß, Grau, Schwarz, Braun. Der Künstler balanciert an der Grenze zwischen der minimalistischen geometrischen Abstraktion und der Sachlichkeit.
Die Objekte, die auf seinen Bildern erscheinen, sind sehr bedeutend: Kerzen, Briefumschläge, Fenster, Türen, Spiegel. Aber Mlącki setzt keinen Prozeß des Symbolisierens in Gang. Dies sind Symbole im Ruhestand und deshalb provozieren sie den Zuschauer, sie selbständig zu interpretieren und mit seinen Gedanken in eine unbekannte Richtung zu gehen.
Mląckis Arbeiten stehen immer in starken Relationen zu dem Raum und der Innenarchitektur, in denen sie gezeigt werden: sie greifen ein, ergänzen und schließlich transformieren sie den Raum. Mlącki malt die Objekte weniger, vielmehr versucht er, sie in einem neuen Raum wiederzugeben, über den es sich schwer sagen läßt, inwiefern er noch physisch oder inwiefern er schon imaginär ist. Der Künstler malt kein Fernster ins Bild: er strebt eher danach, daß das Bild zum Fenster wird. Die an den Wänden hängenden Illusionsarbeiten eröffnen dem Zuschauer neue Bereiche, indem sie sich mal mit zerstreutem, sanftem Licht füllen, mal sich als schwarzer Abgrund auftun. Die Illusion und das aus den Bildern strahlende Licht sind Mittel, die Mlącki dienen, den physischen Raum in einen metaphysischen zu verwandeln. Das vom Künstler geschaffene Licht interferiert mit dem Licht in der Galerie, es definiert auch die illusorischen Räume, die sich mit dem Raum der Galerie überschneiden. Die Illusion wird zum Reflex einer anderen Dimension, einer flüchtigen Ordnung, die sich abwechselnd konkretisiert und zerfließt. Wir sehen an der Wand einen Schalter, kommen näher und es erweist sich, daß dies ein Bild ist. Wir bemerken von weitem einen Tisch und Hocker um ihn. Wir kommen näher ... und es ist ein Bild, auf den Glaskuben gemalt. Wir entfernen uns und wieder erscheint uns der Tisch, von Hockern umgeben. In solch einem Grenzfall hat der verwirrte Zuschauer Schwerigkeiten, die Werke der Ausstellung zu identifizieren.
Der Künstler greift auf die Illusion zurück, weil ihn das Überqueren der Grenzen der Wirklichkeit, ihre Fluten und Ebben interessieren. Mlącki strebt auch danach, die Malerei vom Bild zu abstrahieren, nach der Malerei in einem vollständig freien Zustand. Präparierte Korkenblätter, an die Wand gehängt, lassen ein illusorisches Bild entstehen, das die Wand einbezieht. Man kann nicht mehr sagen, daß das Bild die Wand bedeckt, sondern eher, daß ein Teil der Wand zur Malerei wird. Das Bild entsteht als Illusion irgendwo zwischen der Wand und dem, was an ihr hängt. Mlącki versucht, ein Bild ohne Unterlage anzufertigen, also eine Malerei im reinen Zustand – ausschließlich aus einer Farbschicht gebaut. So könnte es passieren, daß das Bild als Objekt und das Bild als Darstellung ein und dieselbe Sache sind. Und dann würden Illusion und Wirklichkeit eins.