Eine Art Entspanntheit

Małgorzata Czyńska Wojciech Tuleya Spricht Małgorzata Czyńska Wojciech Tuleya



Podkowa Leśna. Ein altes Holzhaus. Atmosphärisch. Keine schwindelerregende Wohnfläche, aber geräumig. Es beherbergt Kunstwerke, Bücher, Sammlungen interessanter Objekte, CDs und Schlagzeug. Die Malerin Anna Podlewska und der Kunsthistoriker und Ausstellungskurator Paweł Polit erzählen die Geschichte dessen Entstehung.

Anna Podlewska

Małgorzata Czyńska: Wir haben uns bei Euch eingeladen. Es war Wojciechs Idee.

Wojciech Tuleya: Als ich Euch vor ein paar Monaten zum ersten Mal besuchte, begann ich sofort, Małgorzata zu überreden, dass sie hierher kommen sollte, dass man Euch dazu bringen muss, über das Haus zu sprechen.

Anna Podlewska Anna Podlewska

Anna Podlewska: Das hat nicht viel Zeit benötigt. Wir mögen unser Haus, wir leben hier gut. Es bietet viel Raum, hat ein schönes Licht. Es ist tolerant gegenüber der Trägheit des Hausherren (Paweł). Es hat ein kühles Treppenhaus im Winter. Es ist vielleicht zu akustisch. Eine endgültige Sanierung ist nicht möglich - es bleibt immer was zu tun.

Anna Podlewska Anna Podlewska Anna Podlewska

WT: Schon an der Schwelle hat mich fasziniert, dass es sich hier um einen modernistischen Baukörper aus Holz handelt. Eine Sensation, echt ausgefallen.

Paweł Polit: Hinter diesem seltsamen Ding steckt eine Methode. Die Wahl des Materials war selbstverständlich, weil mein Großvater mütterlicherseits, Henryk Albrecht, der dieses Haus gebaut hat, Forstingenieur war. Und wahrscheinlich deshalb dieses und kein anderes Baumaterial. Das Haus ist komplett aus Holz. Im Laufe der Zeit kam noch die äußere Putzschicht hinzu. Die Autorin des Entwurfs war Zofia Ruśkiewicz, Diplomingenieurin für Architektur, die ihr Büro in Smolna-Straße in Warszawa hatte. Die älteste erhaltene Version des Bauplans trägt das Datum vom 28. September 1938.

Anna Podlewska

MC: In den 1930er Jahren wurde Podkowa Leśna, eine Gartenstadt, zum sehr angesagten Ort. Die intellektuelle und sonstige Elite aus Warszawa errichtete hier ihre Sommerhäuser, die sich dann oft in ganzjährige Wohnsitze verwandelten.

PP: Meine Familie stammte nicht mal aus Warszawa und schließlich sind wir doch in Podkowa gelandet. Meine Großmutter Maria Albrecht geborene Tokarska, Lehrerin, kam aus Sosnowiec; der Großvater wuchs auf dem Landgut bei Opoczno auf und studierte dann Forstwirtschaft in Poznań. Nach der Hochzeit lebten die Großeltern im Forstamt Serwy bei Augustów. Die Baugrundstücke in Podkowa wurden damals wahrscheinlich stark angepriesen und die Großeltern betrachteten diesen Kauf als eine Investition, obwohl sie sich hier wahrscheinlich auch irgendwann niederlassen wollten.

Anna Podlewska

WT: Haben sie es geschafft, den Bau zu beenden, bevor der Krieg ausbrach?

PP: Man kann es nicht ausschließen, dass das Haus 1938 erbaut worden ist. Es stand bereits im Rohzustand, als im Herbst 1939 die Großmutter Maria mit zwei Kindern hierher kam. Der  Großvater Henryk schloss sich ihnen ein Jahr später an.

WT: Bist Du hier aufgewachsen?

PP: Nein. Ich zog hier erst nach dem Abitur ein, drei Jahre nach dem Tod des Großvaters. Und, offen gesagt, habe ich dieses Haus lange nur mit vielen Pflichten assoziiert, es war mir ein Klotz am Bein. Jeder Winter war ein Alptraum, denn die Zentralheizung funktionierte nicht und ich musste mit Kohle in drei Kachelöfen heizen. Nach der Renovierung hatte ich einen Koksofen. Nach zwei bis drei Jahren gab es endlich Gasheizung. Außerdem erforderte das Haus ständige Sanierungen: gleich am Anfang haben wir die Dacheindeckung und dann den Außenputz erneuert.

AP: Na klar, ein Haus, insbesondere ein altes, bedarf einer ständigen Pflege.

MC: Anna, und wann hast Du Dich in Podkowa niedergelassen?

AP: Vor mehr als acht Jahren. Die Entscheidung über den Umzug fiel schnell. Für mich ist ein Wechsel des Wohnortes kein großes Problem - im Gegensatz zu Paweł, der sehr ortstreu ist.

MC: Du hast ein Atelier in Milanówek. Malst Du zu Hause in Podkowa oder brauchst Du eher einen Abstand von der häuslichen Umgebung?

AP: Normalerweise brauche ich den Abstand, also male ich im Atelier. Dort gibt es ein sehr gutes Licht, ich male immer beim Tageslicht. Zu Hause male ich manchmal Aquarelle und mache Entwürfe für Gemälde, die sogenannten Cutouts. Das Zuhause ist ein Ort für Entwickeln von Projekten, von Bilderzyklen. Das Atelier ist dagegen ein Ort für Experimente und Realisierungen bewährter Kompositionselemente. Gelegentlich male ich etwas auf Bestellung, z. B. eine Landschaft oder ein Porträt; auch das macht mir Spaß. Dann male ich manchmal zu Hause.

WT: Es kommt vor, dass Deine Bilder aus dem Atelier nach Hause kommen.

AP: Eigentlich ist es Paweł, der sie aussucht und an die Wand hängt. Aber auch ich mag es zu prüfen, wie sie im Wohnraum funktionieren, wie sie wirken.

WT: Paweł, hast Du unter Annas Werken ein Lieblingsbild? Hast Du etwas geschenkt bekommen?

PP: Ja, ich habe viele Favoriten. Zum Beispiel ein Porträt aus der Serie "Gesichter", ein auf Papier gemaltes Aquarell. Oder ein Diptychon in Öl, entstanden vor acht Jahren - eine Abstraktion in Grau, die, laut Anna, ein Porträt von mir ist. Diese zwei Werke habe ich geschenkt bekommen. Wir haben aber zu Hause eigentlich keine feste Sammlung von ihren Werken, viele davon tauschen wir je nach der Situation, der Jahreszeit usw. aus. Anna hat mir auch viele Zeichnungen aus dem Zyklus "Maus und Katze in häuslichen Situationen" gegeben. Sie entstehen zu Hause auf der Grundlage unserer Dialoge oder der Gespräche, die man nebenbei so hört.

Anna Podlewska Anna Podlewska

MC: Das Leben, in die Kunst übersetzt.

WT: Was schätzt Ihr an der Kunst? Was ist das Wichtigste?

PP: Eine Art Entspanntheit, die dazu führt, dass man Ungewöhnliches sieht oder hört. Kein Autoritarismus. Mit dem Zuschauer in einen Dialog treten.

MC: Habt Ihr das Interesse für Kunst von zuhause mitbekommen?

PP: Vermutlich. Meine Großmutter hat mich als Knirps ins Nationalmuseum in Warszawa geführt. Sie hat viel über Chełmoński erzählt. Als ich größer war, fing ich an, mich über ihn kritisch zu äußern; sie war ein wenig beleidigt. Dann kam ich zum Schluss, dass ich mich geirrt habe. Im Teeniealter fiel mir ein Buch über den Surrealismus in die Hände, auch zu Hause. Das war der richtige Anfang.

AP: Meine Großmutter mütterlicherseits lebte vor dem Krieg in Vilnius und unterhielt dort Kontakte zu den Künstlern aus dem Kreis der Akademie. Aus dieser Zeit sind ihr Porträt in Form eines Medaillons aus Keramik sowie eine Winterlandschaft erhalten geblieben. Mein Großvater väterlicherseits, Absolvent der Wawelberg-Schule für Mechanik und Technik, hatte zu Hause ein Zeichenbrett und einen schönen Set von Zirkeln. Die beiden hatten in gewisser Weise einen Einfluss darauf, was ich mache. Zeichnen und Malen war meine Welt, die mich seit den frühesten Jahren beschäftigte, vielleicht weil ich ein Einzelkind war. Dann kamen die Ausstellungen von Dubuffet und "4 x Paris", dann die Zeitschrift "Projekt".

MC: Seid Ihr geborene Sammler? Ich habe den Eindruck, dass Euer Haus von Natur aus mit Sachen bewächst.

AP: Wir sind Sammler, aber wir bauen unsere Sammlung nicht systematisch auf. Neben Kunstwerken sammeln wir auch verschiedene interessante Objekte, es sind oft Reisesouvenirs, aber auch Gegenstände, die man bei täglichen Wanderungen findet. Selbstverständlich auch Bücher, in übermäßigen Mengen.

Anna Podlewska Anna Podlewska

MC: Wenn Ihr ein paar Dinge nennen solltet, ohne die Ihr Euch ein Haus nicht vorstellen könnt, was wäre es dann?

AP: In beliebiger Reihenfolge: Hunde, Schlagzeug, Bücher, Musikanlagen, CDs, Bilder und viele unnötige Dinge, Garten, Staub, Eichenlaub auf dem Rasen.


Fotos: Ewa Pfanhauser



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