Auf eine aus einem Schädel geformte Schale

Jacek Dehnel Von Jacek Dehnel

George Gordon Byron


Beb' nicht - mein Geist ist nicht entschwunden!
Den einz'gen Schädel schau in mir,
Der nie geschmacklos Zeug entbunden
Wie manches lebende Gethier.

Ich hab wie du geliebt, gebürstet;
Ich starb; die Erd' birgt mein Gebein.
Füll' keck! - Mich kränkt nicht, wenn dich dürstet,
des Wurmes Maul mag wüster sein.

Weit besser Rebensaft umfangen,
Als nähren Wurmes schmierig Blut!
Weit besser als ein Becher prangen
Mit Göttertrank, als füttern Brut.

Wo einst vielleicht mein Witz gestrahlet,
Da strahl' ich nun zu Andrer Witz.
Wenn ach! in uns kein Hirn mehr prahlet,
Was besser, als dass Wein hier blitz'?

Trink, so lang's geht! Auch dich mög' retten
Ein neu Geschlecht, wenn du dahin,
Einst aus der Erde schweren Ketten
Und leeren dich in frohem Sinn!

Warum nicht? Wenn in diesem Leben
Den Köpfen oft fällt gar nichts ein,
So ist die Aussicht doch gegeben
Von Wurm befreit, was nutz zu sein.

Newstead Abbey, 1808

Übersetzung: Adolf Seubert

Łukasz Huculak

William, der fünfte Lord Byron, war gegen die Heirat seines Sohnes mit einer Cousine und beschloss daher, das Familiengut Newstead Abbey (gebaut in den malerischen Überresten einer Abtei, die einst von Heinrich VIII. aufgelöst wurde), mutwillig in den Ruin zu treiben: er hat Wälder gerodet, zwei Tausend Hirsche getötet, das Landhaus in eine Bruchbude verwandelt - jedoch sowohl seinen Sohn, als auch seinen Enkel überlebt.

Als er 1798 starb, fiel das böswillige Erbe in die Hände vom zehnjährigen George Gordon, dem späteren Dichter, der sich dort zehn Jahre später niederließ. In dieser Zeit, im Jahr 1808, schrieb er dieses Gedicht, das zum ersten Mal in der 7. Ausgabe von Childe Harolds Pilgerfahrt veröffentlicht wurde. In dem Buch Conversations of Lord Byron (1824) berichtet Thomas Medwin, was der Dichter ihm über die Entstehung des Gedichts und über den Schädel selbst erzählt hat:

Bei Erdarbeiten hat der Gärtner einen Schädel ausgegraben, der früher mal wohl einem fröhlichen Mönch oder Ordensbruder aus der Zeit der Auflösung der Abtei gehörte. Als mir seine Größe und sein ausgezeichneter Zustand auffielen, entstand bei mir eine merkwürdige Laune, den Schädel fassen zu lassen und ihn so in ein Trinkgefäß zu verwandeln. Ich schickte ihn also nach London; er kam zurück ganz glänzend, fleckig gefärbt, wie Schildpatt.

Byron sollte angeblich in Newstead Abbey eine Gesellschaft unter dem Namen "Orden des Schädels" gegründet und selbst den Titel ihres Großmeisters oder des Abtes des Schädels angenommen haben. Während der Zeremonien "nach dem Vorbild von alten Goten" ging das Gefäß, mit Wein gefüllt, von Hand zu Hand und man machte zahlreiche düstere Witze über den Unglücklichen, dem der Schädel einst gehörte.



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