Die Schönheit des Lebens

Małgorzata Czyńska Von Małgorzata Czyńska

Ohne Anfang und Ende – im Mittelpunkt des Geschehens. Ein sanftes Flechten aus Tagen und Nächten, die Schönheit derselben, stets wiederholten Gesten, lieben, nichtigen Gegenständen. Kurzlebige Kleinigkeiten: kleine Kannen, Löffel, Schuhe, Lippenstifte, Kleider, Täschchen, Dufte. Sonderzeichen.

Jolanta Wagner

Es verlangt eine große Empfindlichkeit und einen Blick, der auf sich selbst und auf die unmittelbare Umgebung konzentriert ist, um die verpönte Routine in eine unaufhörliche Alltagsbejahung zu verwandeln. Um die unaufmerksam, beiläufig gelassenen Spuren als wichtige und schöne Zeichen unsres Daseins zu deuten. Eine Tasse mit einem Rest Kaffee als Erinnerung an den trägen Vormittag, eine offene Karte, als Echo des letzten Urlaubs. Jola Wagner schaut und merkt und lässt nicht zu, dass all das verschwindet, was ihr doch wichtig im Leben scheint. Ein Parfumflakon oder eine Wimperntusche verkörpert für sie die Geschichte von ganzen Monaten aus dem Leben einer Frau – Zeitverlauf und seine Poetik. Am Boden einer leeren Cremedose – Abdrücke des rechten Zeigefingers. Dieser Finger hob dann einmal einen Tropfen Crème, die Hand streichelte das Gesicht, die Haut färbte sich rosa, im Badezimmerspiegel blickte ein nacktes Gesicht.

Jolanta Wagner

Jola hat in ihrer Garage ein Paar tausend solcher verbrauchten Flaschen und Kosmetikdosen – von ihr selbst oder Bekannten. In den Mülleimer bestimmt, haben sie eine zweite Chance bekommen; die Künstlerin verwandelt sie zu Installationen, spielt mit ihnen, den Formen, Farben, sie mischt durchsichtiges Glas mit mattem Kunststoff, zieht Korken aus, lässt die Aromen verduften. Anfassen, öffnen, zudrehen, riechen, all das lässt sie in das Leben der anderen hineinblicken, in Momente der Intimität, Augenblicke der Körperverwöhnung.

Nachher listet sie alle Kosmetika auf. Beim Zeichnen vereinfacht sie die Formen, da das Äußere des Gegenstands nicht das wichtigste ist, es wird immer wieder aufs Neue ausgedacht.

Jolanta Wagner

Man kann sich beim Markenerkennen vergnügen: Wasser von Kenzo, Cremes von Lancome, ein Armani, ein Dior, hier Carolina Herrera, da Dolce & Gabbana – luxuriös, unbegrenzt, wie in der größten Parfümerie der Welt.

Auf den schönen Pass-Porträts wieder ein Hauch von einer Existenz – ein Körperabdruck, die Skizze einer Gestalt. Und noch das lustig-poetische Charakterspiel: die mag lesen, also her mit einem offenem Buch, die andere trägt Absätze, deshalb die Sammlung Stöckelschuhe, geht nicht aus ohne Make-up, also hat sie eine Menge Lippenstifte, ihre Fingernägel sind knallrot.

Die immer wiederkehrenden Motive von Puderdosen und Lidschatten kann man noch tiefer deuten: das Bemalen des Körpers ist ein sehr ursprüngliches Reflex. Make-up ist nicht nur Koketterie, es ist ein Schutzschild, ein psychischer Schutzschild, mit leicht magischer Wirkung.

Jolanta Wagner

Es ist typisch für Frauen, diese Fähigkeit, die Schönheit des Lebens wahrzunehmen, die subtile Schätzung des Alltags. Ich habe mich für diese Frauenthematik bewusst entschieden, andererseits habe ich gar keine Wahl, ich sehe die Welt mit den Augen einer Frau, habe diese und keine anderen Gefühle. Weiblichkeit statt militantem Feminismus, Intimität statt vulgärem Exhibitionismus. Bloß nicht allzu wörtlich, schließlich sind diese Werke eine Art Tagebuch, da muss etwas verdeckt, zugeklebt, verwischt, sogar zugenäht werden. Der Zuschauer wird schon dahinter kommen, erraten, wenn nicht, dann umso besser. ch mag keine Aggression in der Kunst – ich will halblaut sprechen, flüstern sogar erklärt die Künstlerin ihre Wahl. Statt eines großen, expressiven Objekts bevorzugt sie die Multiplikation. Sie hat immer ihre Zeichnungen mit vielen kleinen Gegenständen gefüllt, die plötzlich lesbar wurden, da sie die Rhythmik einer Schrift aufwiesen. All das geschah intuitiv, aus Angst vor allzu starker Wirkung.

Eine Aufzählung von Gegenständen, intime Ortskarten lassen die Welt auf dem Papier ordnen und zähmen.

Jola Wagner registriert in ihren Werken Augenblicke und Emotionen. Mit Demut tut sie das, bewusst, dass sie selbst nur ein kleiner Teil des Weltrhythmus ist, überzeugt, dass das Vergängliche wunderschön ist.



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