Verloren Im Spiegelbild

Małgorzata Czyńska Spricht Małgorzata Czyńska



Du siehst in der „Vogue” ein tolles Foto und denkst: Ja, das ist ein Thema für mein Bild. Ist es so? Denn Deine Mädchen sind wie Models aus Modemagazinen und die Typen wie aus Filmfotos...

Möglicherweise sieht es so aus, insbesondere für diejenigen, die wissen, dass ich nach Fotos male, aber der Anfang jedes Bildes ist in mir, nicht auf dem Foto, nicht in der Zeitung. Zuerst gibt es eine Idee oder nicht mal eine Idee, sondern etwas Undeutlicheres – irgendein Gefühl. Ein Gefühl der Reue, des Mitleids, der Begeisterung, der Sehnsucht, der Liebe.

Katarzyna Swinarska Katarzyna Swinarska

Foto: Helmut Newton

Schöne Gefühle.

Nicht nur die genannten, ich bin ja kein Ideal. Manchmal beginnt ein Bild mit meiner Empörung, Rebellion, Wut, Sucht nach Vergeltung oder sogar nach Mord. So fange ich an, nach einem Ausdruck für dieses Gefühl zu suchen - nach einem Gesicht, einer Situation, einer Geste. Manchmal suche ich in meinem eigenen Album, in Erinnerungen an alte Emotionen – das ist eine überraschende Konfrontation, denn die Wirklichkeit tut mir immer weh. Aber wenn ich mir die alten Fotos von mir anschaue, auch die aus den schlimmsten Abschnitten meines Lebens, dann sehe ich, dass ich dort fast immer lächle. Vor allem aber schaue ich hunderte Fotos im Internet durch – ich scharre sie heraus, bearbeite sie, vergrößere, ändere mit Schiebern Farben und Kontraste, schaue diesen Unbekannten in die Augen… Und manchmal, durch Zufall, blickt aus einem Gesicht plötzlich das heraus, wonach ich suchte – ich sehe meine eigene Rebellion, meine eigene Sehnsucht.

Reicht ein kleines Foto aus, um Emotionen zu bebildern?

Die Arbeit mit einem Foto ist ein wenig wie ein Gespräch: ich suche z.B. nach dem Buchstaben „A” und „A” sagt mir, dass es noch „B” und „C” gab, und so fügen wir untereinander dies und jenes hinzu… Die ausgesuchten Fotos, Kompositionen lege ich in Ordner ab. Nach einer Zeit wähle ich erneut die besten, die zutreffendsten, die bewegendsten, aber ich male immer noch nicht und beginne mich zu sehnen, zu sehnen nach einem Bild, und zwar so stark, dass ich, wenn ich endlich die Leinwand ergreife, sehr schnell, wie im leichten Amok male – und so ist es am besten. Ich kann nicht kühl überlegen malen, so wie es mir mein Professor Kiejstut Bereźnicki einmal empfohlen hat: „Malen soll man 3 Stunden täglich, jeden Tag” – so kann ich einfach nicht.

Katarzyna Swinarska Katarzyna Swinarska

Und in den wirklichen Menschen, denen man auf der Straße oder im Café begegnet – in diesen spiegelst Du dich nicht wider?

Manchmal verliebe ich mich in eine Gestalt, die ich kenne… natürlich in eine Frau und ich muß sie treffen, auf sie schauen, ich bitte um Fotos oder zeichne aus dem Kopf. Die Schönheit der Frauen spricht mich wirklich an, aber ich suche in ihnen nach etwas mehr, nach einer Synthese der Weiblichkeit, einem Symbol des weiblichen Schicksals.

Es hört sich etwas feministisch an. Und Männer behandelst Du eher als Objekte?

So behandeln die Männer meistens die Frauen. Mich bewegen nur sehr junge und schöne Jungs.

Rebellen ohne Grund und Rebellen aus Überzeugung? Wie James Dean?

James Dean habe ich noch nicht gemalt… Dafür habe ich einmal ein überskaliertes Porträt von Marek Hłasko (à la Dean) mit Zigarette verbrochen. Ich malte ihn nicht, weil er mir als Mann gefiel, sondern weil ich mich damals wie er fühlte oder mich so fühlen wollte – ein Mann mit Zigarette, an einem heißen Nachmittag… kann man sich besser fühlen?

Und Deine Frauen, sind sie keine süßen Puppen, keine Partygirls? Sie sind so ästhetisch...

Mit Verlaub, hat eine Frau überhaupt eine andere Wahl? Sie muß schön und rücksichtslos sein. Ja, es geht mir vielleicht darum, dass sie nicht demütig, verschämt und erniedrigt ist, dass ihr erster Reflex nicht ist, allen um sie zu dienen, weil sie dazu erzogen wurde.

Meine Mädchen sind wie Schauspielerinnen bei Tarantino, den ich übrigens nicht mag, weil er häßlich, eingebildet und ein Langweiler ist. Aber seine Schauspielerinnen – gar nicht schlecht, echt scharf. Hübsch, sexy, süß, aber jede hat in der Tasche eine Pistole oder ein Messer.

Meinst Du, ich bin schizophren? Nee…, man nennt das Borderline-Syndrom – die Grenzen  zwischen sich selbst und der Welt zu verwischen, sich im Spiegelbild zu verlieren. Es ist aber ein positives Verlorensein – es macht den Empfang klarer.



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