Berührung

Małgorzata Czyńska Wojciech Tuleya Von Małgorzata Czyńska Wojciech Tuleya



Begierde, Lust, Leid sind die geeignetsten Zustände, um sich der eigenen Körperlichkeit, des Gefühls für das Physische bewusst zu werden. Auf den Zeichnungen von Magdalena Sawicka findet sich die Körperlichkeit in den Spuren von Sperma auf den Lippen, im geschwollenen Penis, in feuchten Flecken am Mädchenslip, in verwundeten Händen, in weinenden Gesichtern. Ein benutztes Kondom wird zum Sacrum. Beim oberflächlichen Betrachten zielen diese Werke auf billige Erregung. Da die Autorin eine junge Frau ist, entsteht der Wunsch, zu erklären, dies sei die Beschreibung ihrer eigenen Erlebnisse, die Stimme und das Bild ihrer Generation. Besser ist es jedoch, tiefer zu schauen, bis in eine metaphorische Schicht dieser Geschichten zu gehen. Die Künstlerin sagt, dass es dort, bei der scheinbaren Buchstäblichkeit, nie direkt darauf ankommt, was dargestellt wird: "Man muss sich mehr einlesen darin, wie sie sich gegenseitig berühren."

Magdalena Sawicka Magdalena Sawicka Magdalena Sawicka Magdalena Sawicka Magdalena Sawicka

Die gewagten Schilderungen von Intimität, Anderssein, Behinderung oder Sex sind keine Effekthascherei, keine Pornographie, sondern die zeitgenössische Romantik, Neugier und Reflexion über die körperliche Welt als ein geschlossener Raum, über Beziehungen zwischen Menschen - ein Tagebuch und eine soziologische Studie zugleich. Eigene Erfahrungen, Gefühle, Sex und das Internet, voll von sexuellen Besessenheiten, eine Welt scheinbar ohne Tabus, werden zur Grundlagen dieser Arbeiten. Aber die Künstlerin berührt noch allgemeinere Themen, führt ein Auswahlverfahren und eine metaphorische Zusammenstellung durch. Irgendwo darin erfolgt eine Analyse der postmodernen Kultur, des Systems von Normen, der Realität, die, scheinbar von den moralischen Zwängen befreit, jedoch an der Stelle eines aufgehoben Tabus ein neues Tabu, Mystik und Ritualität, Unterordnung, Zugehörigkeit und Entfremdungsgefühl, ein Konglomerat aus Heiligem und Profanem, aus Biologie und Geheimnis etabliert.

Magdalena Sawicka Magdalena Sawicka Magdalena Sawicka Magdalena Sawicka Magdalena Sawicka

Die feine Linie zeichnet starke Szenen - keine Anspielung mehr, sondern Direktheit, naturalistische Beschreibungen von Sex, Gewalt, Zärtlichkeit, Befreiung, Versklavung, Scham, die geradezu symbolisch betrachtet werden können. Egal ob es sich um eine eher subtile Geschichte - wie sinnlich wallendes Haar oder Kopf eines Jungen zwischen den Schenkeln eines Mädchens - oder um ein pikantes Bild mit Swingern handelt. Die Erzählung ist wichtig, in jeder Darstellung verbergen sich Emotionen und Sensualität. Der Vorwurf der Pornographie hätte keinen Sinn. Man könnte nach Michel Houellebecq sagen: "Ich bin ein Realist. Alle großen französischen romantischen Dichter, mit denen ich groß geworden bin, waren zugleich Romantiker und Pornographen. Der Ton meiner Bücher ist so wie mein kulturelles Universum". Der Ton der Zeichnungen von Magdalena Sawicka ist persönlich, denn sie stellt ja selber fest, es gäbe "keine kollektive Sensibilität; jeder Mensch hat seine eigenen Erfahrungen, Überlegungen, Gefühle" und auch wenn er sich durch die globale Online-Community inspirieren ließe, "die vorhandenen Interpretationen selber interpretiert".



Ausgewählte Werke

alle bilder ansehen