Zimmer Mit Aussicht
Adam Patrzyks Landschaften sind für viele von uns wie Erinnerungen an eine Reise. „Menschen sehen die Bilder und finden dort Orte wieder, wo sie schon gewesen sind”, erklärt der Künstler. „Dann sagen sie: Das sind doch die Straßen von Padua, die Häuser in Siena, der Platz in Jerusalem”. Es amüsiert ihn, weil all die Landschaften in der Tat frei erfunden wurden - Adam verreist ungern, am wohlsten fühlt er sich im heimatlichen Częstochowa, in seinem Atelier. Er hat keinen Computer, das Handy benutzt er selten.
Auf seinen Bildern gibt es keine Menschen. Die Straßen, die Innenräume der Häuser gleichen den Bühnenbildern. Er malt leere Plätze, vom Fußboden bis zur Decke mit Bücherregalen vollgestopfte Bibliotheken, Zimmer mit verworfenen Musikinstrumenten. Man weiß nicht, wo die Einwohnerschaft dieser Städte und dieser Häuser ist, wann sie gegangen und ob sie überhaupt irgendwann zurückkommt. Beim Betrachten der Bilder fangen wir an, über die Zerbrechlichkeit unseres Lebens, das Geheimnis des Zeitverlaufs, die Dauer und die Vergänglichkeit zu sinnieren.
„Am Ende meines Studiums begann ich, einfache Innenräume, schematische Türen und Fenster zu malen – ich konzentrierte mich auf die symbolische Bedeutung von Eingang und Ausgang”, erzählt er. „Die Bilder waren asketisch, fast abstrakt, das Rot überwog. Seitdem vertiefe ich dieses Schema, es entwickelt sich, das Bild wird räumlicher. Anfänglich gab es nur das Motiv des Ein- und Ausgangs, aber in der Perspektive erschienen hin und wieder Innenräume – zunächst leer. Dann fing ich an, sie zu möblieren, neue Elemente hinzuzufügen. Es kamen Regale voller Bücher, Fensterläden (vielleicht deswegen denken die Betrachter an italienische Kleinstädte, ich war doch nie in Italien!), im Hintergrund eine Landschaft – ein Sonnenuntergang, ein Baum, ein Stück Himmel.”
Auch sein Atelier ist wie das „Zimmer mit Aussicht” – nur anstelle eines italienischen Palazzos oder eines geheimnisvollen Gartens sieht man ein gewöhnliches mehrstöckiges Haus. Aber auf diesen Bildern gewinnen abgekratzte Fassaden oder Fensterreihen an beunruhigender Schönheit.
Üblicherweise stehen bei ihm mehrere Werke, an den er gerade arbeitet. Eine Notwendigkeit, denn Adam malt sehr langsam, strukturartig, die Leinwandoberfläche ähnelt einer Juwelierarbeit. „Mit jedem Bild beschäftige ich mich lange, schon aus technischen Gründen. Die Ölfarbe braucht zum Trocknen mehrere Tage, manchmal sogar eine ganze Woche – ich trage eine Schicht auf und warte. Also muß ich gleichzeitig mehrere Bilder malen, sonst würde ich vor Langeweile sterben”, sagt er. Er bedient sich nur weniger Farben, der Effekt ist jedoch reich, fast barock. Das Rot ist immer das Wichtigste. „Viele Maler meinen, es sei zu stark und deshalb nur als ein Element der Komposition zu gebrauchen”, erklärt Adam. „Bei mir jedoch dominiert das Rot. Ich liebe auch das Braun von van Dyck – ich lege es auf die Schattenseite, und auf die Lichtseite eben das starke Rot und dessen verschiedene Gradationen. Manchmal mache ich eine kleine Ausnahme und dann ist das Licht das Gelb”.
Adam schließt nicht aus, dass zukünftig auch Menschen auf seinen Bildern auftauchen. Aber noch nicht jetzt. Für neue Ideen reift er langsam – erst nach 20 Jahren Wohnen an einer verkehrsreichen Kreuzung fiel ihm die Schönheit der knirschend aneinander vorbeifahrenden Straßenbahnen auf und er begann, sie zu malen. Vielleicht auch überwindet er irgendwann seine Stubenhockernatur und geht auf Reisen – er möchte New York sehen, das imaginäre Manhattan, das er malt, mit dem wirklichen vergleichen.