Im Licht der Bäume, in der Farbe der Korallen...

Lena Wicherkiewicz Von Lena Wicherkiewicz

Korallenbäume. Koloristisch exotisch in der polnischen Landschaft, aber mit Formen, die bekannt vorkommen, fast wie aus Masowien... Märchenhafte Schein-Weiden. Mit innerer Energie glühende artefaktische Organismen. Eine bunte Kolonie der leuchtenden quasi-botanischen Exponate.

Darek Pala
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So sind die neuesten skulpturartigen Objekte, eigentlich Installationen von Dariusz Pala, die bald im Garten der Universitätsbibliothek in Warszawa unter den richtigen Bäumen stehen und die Nacht mit dem fröhlichen, warmen Licht erhellen werden. "Bäume für Warszawa", wie der Autor seine leuchtenden Realisierungen nannte, sind in ihrer aktuellen Gestalt eine Gruppe von bildhauerischen Gegenständen, angefertigt aus durchsichtigen Plexiglas-Zweigen, die aus dem Betonstamm, der Basis, wachsen. Im Herzen jedes Baumes befindet sich die energetische Quelle - eine Lichtinstallation. Die Reichweite, in der die ungewöhnlichen Korallenbäume vorkommen, ist vorläufig auf das Gebiet des genannten Gartens eingeschränkt. Der Autor kündigt jedoch an, es sei erst der Anfang eines größeren Unternehmens und hoffentlich können sich ähnliche Artorganismen bald auch in anderen Parkanlagen Polens und Europas verbreiten.

Darek Pala

Die Installation mit den Korallenbäumen ist kein vereinzeltes Phänomen in der künstlerischen Praxis von Dariusz Pala. Auf eine natürliche Weise entwickelt er und setzt frühere Ideen und formelle Konzepte fort. Bäume für Warschau profitieren von seinen neuesten Erfahrungen - von den Aktionen im Zwischenraum der Bildhauerei, der Malerei und des Objekts sowie der großformatigen Arbeiten, gemalt auf der Grundlage aus miteinander verbundenen Holzelementen. Jedoch befindet sich der wichtigste Ursprung des aktuellen Werkes in der Serie von freistehenden, aus Holz angefertigten "Korallenbäumen", präsentiert in der Ausstellung im Bürohaus Rondo 1 in Warszawa. Mögen sie morphologisch einander sehr ähnlich sein, die Materie ist in beiden Fällen anders - auch die Umgebung, oder, besser gesagt, die Beziehungen zu ihr. Die Installation im Garten der Universitätsbibliothek ist nicht nur ein geschlossenes, introvertiertes, nach innen gerichtetes bildhauerisches Objekt, sondern eine Realisierung in situ, "ein künstlerisches Ökosystem", koexistent mit der Umgebung, offen, verbleibend mit ihr in einer ästhetischen und energetischen Durchströmung.

Darek Pala

In diesem Zusammenhang kann man bei der Betrachtung der künstlerischen Landschaft von Dariusz Pala und bei der Auffassung der aktuellen Realisierung seine malerische, koloristische Suche nur schwer übersehen. Denn Pala ist vor allem ein Maler. "Bäume für Warszawa" scheinen in diesem Zusammenhang die malerischen Konzepte zu erweitern, indem sie sie in die Lebensgröße, in den öffentlichen Raum, aber auch in den Bereich der Natur übertragen. Das ist die Farbe in Symbiose mit dem Licht, eine Farbe aus Licht.  Es ist kein Zufall, dass es "Bäume..." in drei intensiv gesättigten Farbversionen gibt: Gelb, Rot und Türkisblau, also in den Tönen, die aus den Gemälden des Künstlers bekannt sind. Die Form eines Korallenbaums resultiert auch aus der Malerwelt, ist ein Ausdruck, sich der Faszination für das Leben unter Wasser, für dessen Farbenpracht, Exotik, Phantastizität zu ergeben und danach zu streben, sie in Bilder zu fassen. So entstanden die malerischen "Aquarien". Einen Abglanz dieser maritimen Verzauberungen enthalten auch "Bäume...". Jedoch, um den tieferen Grund dieser Faszination zu entdecken, muß man in der Biographie des Künstlers suchen. Es erweist sich, dass alles aus einer durchaus anschaulichen, fassbaren, lebensnahen Erfahrung zu entstehen scheint. Die Idee des Korallenbaums erschien ihm  beim Tauchen an einem Korallenriff im Süden von USA. Nun ist sie zu ihrer vollständigen künstlerischen Materialisierung gelangt.

Darek Pala

Bäume für Warschau verbinden die Ökologie mit der Technologie, die urban-gärtnerische Strategie mit der phantastischen Vision. Denn dieses eigenartige künstlerisch-natürliche Ökosystem bezieht sich auf die Ökologie sehr direkt. Die Materialien, aus denen die einzelnen Elemente der Korallenbaüme angefertigt wurden, sind vollständig recycelt und man könnte sie wieder aufs Neue verarbeiten. Jedoch sollen diese bunten dendrologischen Phantasmagorien, jene spezifische Gartenarchitektur zunächst das melancholische Grau-in-Grau an der Weichsel erleuchten, erhellen, ästhetisch bereichern, eine positive Energie übermitteln. Bei einer tieferen Suche jedoch, jenseits des Ästhetischen, haben wir im Projekt von Dariusz Pala möglicherweise mit einer futurologischen Darstellung, einer prototypischen Verwirklichung des idealistischen Traums zu tun. Handelt es sich um den Traum über eine  neue Form, eine technologisch-biologische Gemeinschaft? Diese Visionen und Phantasien zeigen sich immer wieder auf der Oberfläche der Kultur, auch der populären. Zuletzt zum Beispiel im Film. Hat man die bunten Korallenbäume von Dariusz Pala vor den Augen, ist es schwer, sich der Assoziation zu entziehen, eine Absplitterung des Hausbaums, des Baums der Seelen, des lebensspendenden Herzens von Pandora aus dem Film von James Cameron zu sehen. Diese Intuitionen, nicht nur rein visuell, sondern auch vor allem auf das Wesen bezogen, scheinen die Worte des Künstlers zu bestätigen, die die Idee des Projekts in Warszawa näher bringen. Er beruft sich darin auf die Bedeutung der Gemeinschaft, zitiert die Rolle der vitalen Verbindungen, der gegenseitigen Durchströmung herbei, in der lebendige Organismen bleiben, bleiben sollen. Ein ausdrucksstarkes Symbol dieser Relationen ist ein Baum. Es kann auch ein Kolonien bildendes Ökosystem eines Korallenriffes sein. Die künstlerische Fusion der Lebensformen scheint diese Bedeutung mit doppeltem Nachdruck vorzuführen.

Korallenbäume. Ansiedlung, Verwurzelung. Wurzeln schlagen. Kolonie gründen. Symbiosen. Synergien. Ökosysteme von gegenseitigen Verbindungen. Aufnahme der Säfte, Erwiderung der Strömung. Lebensenergie. Strahlung. Farben der Existenz.



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