Das Versprechen der Erfüllung

Marzanna Kielar Von Marzanna Kielar

Ich betrachte die Zeichnungen von Beata Murawska und erinnere mich an die Schlafende Zigeunerin von Henri „Zöllner” Rousseau, Schlafende Venus von Giorgione, Venus mit dem Collier von Maillol. Venus – die altitalische Göttin des Frühlings und der Gärten, die man später mit der griechischen Aphrodite gleichgesetzt, ihren Kult hellenisiert und sie zur Liebesgöttin gemacht hat. Die rundhüftige Frau mit halbgeschlossenen Augen aus Murawskas Zeichnungen ist gleichzeitig Venus und Aphrodite, Göttin der Lust und der bis obenan mit üppiger Vegetation und trophischen Früchten gefüllten Gärten. Und das Motiv des Träumens ist hier besonders deutlich. Schon in der Pose der weiblichen Figuren, die auf einer Ebene liegen – als wären sie von einer sanften Welle - des Schlafes, des Vergessens, der körperlichen Lust, des Versprechens? - getragen. Veführerinnen oder Verführte? Vom Liebesakt Träumende oder bereits Erfüllte? Und das Mysterium des Paares: die Liebenden unter den Blumen, ineinander versunken, in Verbindung mit den sie tragenden mächtigen, verborgenen Elementen. An ihren nackten Schultern, Brüsten, Rücken, Pobacken, Schenkeln erblühen Kelche von Tulpen und Mohnblumen.

Beata MurawskaBeata MurawskaBeata Murawska

Als ob durch diese sich liebenden Körper das Leben selbst seine unbändige Kraft gezeigt hätte. Als ob es durch sie Zärtlichkeit und Liebe in die Welt eingegossen hätte. Als ob diese Körper, wie auch die Blumen, nur das Resultat eines überwältigenden kosmischen, grenzenlosen Begehrens wären. Die einander zugewandten, unersättlichen Liebenden, ein lebendiges Teil der gierigen, aber mit ihnen versöhnten Natur, träumen ihren Traum, ihr ewiges Jetzt.

Beata MurawskaBeata MurawskaBeata Murawska

Es gibt in diesen Zeichnungen eine erotische Leidenschaft, Intimität und Freude. Und die zarte, oft unterbrochene und zugleich sinnliche Linie scheint eine solche Leseart der Arbeiten von Beata Murawska noch zu verstärken. Sie befinden sich in der Nähe der erotischen Gedichte des mexikanischen Dichters Octavio Paz, der schrieb: Gekleidet in die Farbe meiner Wünsche / wandelst du nackt umher, nackt wie mein Denken / durch deine Augen gehe ich wie durch Wasser / die Tiger trinken Traum in diesen Augen / der Kolibri verbrennt in diesen Flammen / wie durch den Mond gehe ich durch deine Stirnwand / und wie die Wolke zieh ich durch dein Denken / ich geh dir durch den Leib wie durch die Träume / dein Maisrock wogt und singt im Wellentakte / dein Rocksaum aus Kristall, dein Rock aus Wasser.

In den Zeichnungen von Murawska finden wir die bekannten Attribute des irdischen Paradieses: einen Apfel, eine Schlange, eine Liebe zwischen zwei Menschen in der freundlichen, unbefleckten Natur. Eine archetypische Jugend und Freude. Eine Bejahung der Existenz. Die Zeit wohnt noch nicht da und hat noch nichts geleert, die Schlange hat jedoch bereits ihr Haupt erhoben. Wir wissen, was dann passiert. Die Blumen, in den Werken der Künstlerin überall gegenwärtig, sind ja ein ewiges Symbol der Zerbrechlichkeit, des Ausgeliefertseins im Strom der Zeit. Die aus der Zeit geschaffene Liebe wird "blutige Blume" genannt. Aber die Malerin ist es gelungen, in diesen Zeichnungen ihren eigenen Bruchteil des Paradieses zu bewahren: die ursprüngliche Nacktheit, den Anfang, der die Vollkommenheit verspricht.



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