Eine hinterhältige Rebellin

Agata Matusielańska Spricht Agata Matusielańska



Martyna Merkel

Martyna Merkel distanziert sich klar von jungen Künstlern, die schockieren wollen. In ihrer Kunst konzentriert sie sich auf maritime Motive und arbeitet beharrlich an der Materie ihrer Bilder. Für Galeria Art erzählt sie über ihre - für ihr Alter außergewöhnlich festen - Ansichten zur Kunst und über das Warten auf die Vorkommnisse auf der Leinwand...


Obwohl Du ständig in Wrocław lebst und die örtliche Akademie der Schönen Künste absolviert hast, sind die meisten Deiner Bilder Küstenlandschaften. Wie auch die Arbeiten von Deinem Diplom, das Du 2014 verteidigt hast...

Die Idee kam, als ich in Porto war, wo ich im Rahmen des Erasmus-Austausches studierte. Ich wohnte in der Nähe eines Flusses, und da ich mich seit dem zweiten Studienjahr mit der Landschaft beschäftige, beobachtete ich Boote und skizzierte sie oft. Dadurch wurden sie zu meiner wichtigsten Inspiration. Der Aufenthalt in Portugal war eine Zeit der Experimente, ich versuchte, in mir etwas Neues zu finden. Ich denke, dass das auch aus der Tatsache resultierte, dass ich die Umgebung wechselte und dem engen Künstlermilieu in Wrocław entfloh...

Wie haben der Aufenthalt in Portugal und das Studium an der Akademie der Schönen Künste in Porto Deine Kunst beeinflusst?

In Wrocław arbeitete ich in einem Atelier, wo man auf Farbkombinationen einen großer Wert legte. In einem gewissen Sinne herrschte dort leider Monotonie. In Polen war meine Malerei sehr verhalten und hat nach dem Aufenthalt in Porto - vielleicht weil ich dort viel Freiheit hatte - aufgelebt. Als ich Fotos von meinen Arbeiten nach Polen schickte, hörte ich oft von Bekannten und Professoren, dass man in diesen Bildern die warme portugiesische Sonne, den Geruch von Fisch  spürt...

Wie schaffst Du das, diesen sensuellen Effekt zu erreichen? Erzähle über Deine Technik...

In dem portugiesischen Zyklus bediente ich mich der Monotypie, also der Technik, in der nur eine einzige Abbildung erstellt wird. An einem Bild arbeite ich lange. Erstens, weil ich mit Ölfarben male. Zweitens, weil ich sie in Schichten auflege, eine auf die andere. In meiner Malerei ist die Farbe, die Farbkombination, die dem Bild Stimmung verleiht, sehr wichtig. Das weitere ebenso wichtige Element ist die Materie.

Was verstehst Du unter der Materie des Bildes? Warum ist sie so wichtig für Dich?

Materie, also Struktur. Ich meine die Methode, Farben attraktiver zu machen. Ich inspiriere mich durch die Natur, in ihr können wir das gesamte Spektrum von unterschiedlichen Materien sehen. Ich will das nicht imitieren, sondern betrachte es vielmehr als eine künstlerische Herausforderung und will diese Texturen wiederherstellen. Durch die Schichtung und verschiedene Farbkombinationen entsteht auf meinen Bildern die Materie.

Wie schaffst Du Deine Bilder: malst Du lieber im Atelier oder im Freien, wo Du der für Dich so wichtigen Natur näher sein kannst?

Ich male im Atelier. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber ich arbeite sehr gerne abends. Erst wenn alles geordnet und erledigt ist, setze ich mich nieder, um zu malen. Für die Arbeit brauche ich einen freien Kopf. Jede Sitzung am Bild ist ein Prozess, während dessen man etwas in seinem Inneren erlebt. Oft sind es Dilemmata, denn ich nehme mir etwas vor, es klappt nicht und anstatt dessen entsteht was Anderes...

Ist das Element des Zufalls für Dich im Schaffensprozess wichtig? Wartest Du darauf?

Ja. Ich betrachte solche Ereignisse wie Lehren für mich. Der Künstler Józef Hałas nannte es, den Zufall bewusst zu nutzen. So sind einige meiner ersten und, wie es mir scheint, besseren Arbeiten entstanden.

Interessant: Du musst, um Dich vor die Leinwand zu setzen, zunächst alles ordnen und erledigen, aber im eigentlichen Malprozess verlässt Du Dich auf Zufälle...

Stimmt, so habe ich immer gearbeitet.

Was sind Deine künstlerischen Inspirationen - konkrete Künstler oder Trends?

In meinen Bildern kann man einen großen Einfluss des Breslauer Kolorismus sehen. Das ist für mich natürlich, hier wurde ich geboren und mich künstlerisch gebildet. Vom Kind auf hatte ich Kontakt zur Kunst, weil mein Vater Maler und Dozent an der Breslauer Akademie der Schönen Künste ist.

Inspiriert Ihr einander, Du und Dein Vater, wenn es um die Malerei geht?

Nachdem ich an der Akademie der Schönen Künste aufgenommen worden war, vereinbarten wir,  keine Angelegenheiten aus der Hochschule und der Malerei nach Hause zu bringen. Natürlich reden wir gerne über die Kunst, mein Vater erzählt, woran er arbeitet, was ihn freut und was frustriert. Ich dränge mich ihm nicht mit meinen Werken auf, denn ich weiß, dass es Dinge gibt, die ihm nicht gefallen... Ich bin anders und mache auch eine andere Kunst.

Du hast Dich immer mit der Kunst umgeben, aber hast Du auch andere Lebensentwürfe für Dich überlegt?

Ja, in der Oberschule dachte ich, dass ich etwas Anderes machen werde. Ich besuchte ein Kunstgymnasium, aber es schien mir, dass dort der Dilettantismus herrschte, wenn es um die Lehrmethoden ging. Ich rebellierte stark dagegen. Es kam zu einem Konflikt zwischen mir und einer der Lehrerinnen, die mich ziemlich unverschämt fragte, ob ich auf sie oder auf meinen Vater hören werde... Ich sagte ihr, auf meinen Vater. Durch diese Ereignisse habe ich dann eine allgemeinbildende Oberschule gewählt und eine Abneigung gegen die Kunst verspürt. Ich spielte mit dem Gedanken, Psychologie oder Journalismus zu studieren, aber nach dem Abitur riss ich mich zusammen und bewarb mich an der Breslauer Akademie der Schönen Künste. Nach einem Semester hat mir das Studium sehr angetan, es war eine Liebe auf den ersten Blick.

So wie Du das erzählst, sieht es so aus, dass Du eine rebellische Natur hast. Hast Du den Eindruck, dass Deine Kunst sich vor dem Hintergrund der Arbeiten von anderen Studenten abhebt?

Ja, aber in einem umgekehrten Sinn. Es scheint mir, dass ich in meiner Malerei traditioneller bin. Jetzt sind viele junge Künstler auf das Schockieren aus und verlieren dabei die Grundwerte, zu denen sich jeder Künstler bekennen sollte.

Welche Grundwerte meinst Du?

Zum Beispiel Aufrichtigkeit. Und Treue zu dem, woran man in seiner Kunst glaubt. Und die grundlegenden Dinge, wie die Treue zur Form und zum Inhalt. Für mich zum Beispiel gibt es kein Bild ohne Farbe.

Man könnte sagen, die maritimen Landschaften mit Booten sind zu Deinem Markenzeichen geworden. Die Kunstgeschichte ist voll von Künstlern, die ihr ganzes Leben damit verbracht haben, ein einziges Motiv zu vervollkommnen, um die künstlerische Perfektion zu erreichen. Ist das Dein Plan?

Schwer zu sagen, so weitreichende Pläne habe ich noch nicht. Ich betrachte meine Malerei als mein Selbstporträt. Wenn man meine ersten Boote mit den letzten vergleicht, sieht man, wie sehr sich mein Stil verändert hat. Auch ich persönlich habe mich verändert, und an den Arbeiten sieht man es genauso. Ich will noch an diesem Motiv arbeiten, es erweitern, aber nicht extrem.

Woran arbeitest Du gerade?

In meinem neuen Zyklus wechsle ich vom Meer nach Großpolen zurück, weil ich neulich viel Zeit auf dem Lande verbringe. Immer inspiriere ich mich damit, was mich umgibt. In der Malerei versuche ich, meine Welt neu zu erstellen, die nun aus Feldern besteht... und aus dem ländlichen Himmel, der ganz anders ist als der in der Stadt.



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