Alle Heiligen von Bollywood

Małgorzata Czyńska Spricht Małgorzata Czyńska

Jacek Łydżba

Du warst mit Deinen Heiligenfiguren gnädig, sanft. Du hast Christus keine Piratenbinde und der Gottesmutter keinen Bikini verpasst. Hat es Dich nicht gereizt, die Heiligtümer zu vergewaltigen?

Vergewaltigen ist vielleicht zu viel. Ich verspürte eine leichte Versuchung nach Dekonstruktion, Brechen von Konventionen. Aber bevor ich richtig in den Gang kam, hielt ich bereits an: das ist nicht, wonach ich jetzt suche, was ich brauche. So male ich Christus weder Piratenbinde noch Gewehr noch Hitlers Schnurrbart noch Harry Potters Brille dazu, ich vermische die christliche Ikonographie nicht mit anderen Religionen. Manchmal sehe ich Statuetten, die irgendeine Dekomposition, einen Bedeutungswechsel inne haben, aber ich kann das nicht tun, weil das gegen meine Überzeugung und mein Gewissen ist. Wenn ich etwas verändere, dann nach meinem Charakter und Temperament. Ich mache nichts zur Schau.

Vielleicht haben wir uns daran gewöhnt, dass wenn ein moderner Künstler sich an die Heiligenfiguren heranmacht, dann erwartet man einen Skandal, eine Blasphemie. Und bei Dir: Süße des Kitsches, Bonbon-Schönheiten, Pop-Art.

Die Stilistik des Kitsches ist mir seit Jahren nahe und solche Figuren sind die Quintessenz des Volkstümlichen, des Amateurhaften, des Unbedarften. Ich bin in Częstochowa aufgewachsen, ich lebe hier, jeden Tag sehe ich die Marktbuden, mit Sentiment und Neugier schaue ich auf Devotionalien. Wenn mich etwas stört, dann nicht der Kitsch, sondern schlechter Geschmack, miserable Anfertigung, schäbige Materialien.

Du bist noch nicht frei von der kindlichen Begeisterung über bunte Weihnachtskrippe, Sparbüchse in Form eines Engels, der mit dem  Kopf nickt...

Das war magisch. Ein kleines Kind schaut zu und glaubt ja, das wenn es dem Engel eine Münze zuwirft, dann bedankt sich derjenige bei ihm, indem er mit dem Kopf nickt. Wie geht das, wie funktioniert das? Vor zehn Jahren kaufte ich mal einen fertigen Gipsabguss von solchem Engel und bemalte ihn auf meine Art - das war ein Geschenk für mein Patenkind. Dabei habe ich das Engelchen auseinandergenommen - und erkannte, wie einfach dieser Mechanismus ist, ein gebogener Draht und ein kleines Stück Blech.

Meine Bekanntschaft mit den Engeln hat eine längere Geschichte: als Kind war meine Lieblingsspielsache ein Engel aus Porzellan, der Trompete spielte. Das war eine alte Figur meiner Mutter - sie wurde ihr von einem deutschen Soldaten geschenkt, der während des Krieges in dem Haus der Großeltern einquartiert wurde.

Devotionalien - Figuren, Altäre, Kapellen, Heiligenbilder - stecken mir in den Genen. Mein Opa, als er 1939 in den Krieg zog, erhielt von seiner Mutter ein Bild mit der Heiligen Maria von Częstochowa. Dieses Bild begleitete ihn dann sein ganzes Leben lang. Und mich eine Weile auch: als ich noch ein Kind war, nahm der Opa jeden Abend nach dem Gebet dieses Bild aus der Brieftasche heraus und reichte es mir zum Küssen. So wurde dieser Respekt bei mir verinnerlicht, ich will und kann ihn nicht brechen.

Und Statuetten? Sie enthalten eine positive Energie, ein positives Denken über Gott, Mutter Gottes, über Heilige. Ich will das in meinen Arbeiten nicht kaputt machen.

Du hast aber ein Konzept für diese Figuren - Du verarbeitest sie nach Deinem Geschmack, agierst mit Farbe mit Ornamenten. Manchmal wirken sie wie Bollywood-Heilige.

Abgüsse sind Fertigteile - die Heilige Maria mit dem Rosenkranz, mit dem Herz usw. Aber bei mir muß ihr Mantel schön sein - nicht irgendein Unterhosen-Blau wie in der Marktbude, sondern Ultramarin, Lapislazuli. Wichtig ist sowohl die Symbolik, als auch die Mystik von Farben und wie sie in die Augen stechen. Ich drehe die Farben auf, verstärke Kontraste, füge Ornamente hinzu, aber wieder im Rahmen der anerkannten Konvention - ich tausche nicht Lilie oder Taube gegen Hakenkreuz, Friedenszeichen, Pentagramm. Ich möchte bei Devotionalien etwas Neues erfinden, was die ganze Welt kaufen würde. Etwas, was herkömmlich und in der Produktion preisgünstig, dabei aber edel ist. Etwas wie die Marienfigur. Ein billiger Gipsabguss - einfach, aber so emotionsgeladen.



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