Kleinstädtisches Leben

Wojciech Tuleya Von Wojciech Tuleya

Wir sehnen uns nach der Provinz. Nach dem langsam verlaufenden Leben. Nach dem bescheidenen und leisen Glück. Eine ideale Provinz gibt es in den Werken von Bruno Schulz und William Faulkner. Während einer Reise glauben wir für einen Augenblick, sie von den Bahnfenstern gesehen zu haben.

Jacek Łydżba
Jacek Łydżba Jacek Łydżba Jacek Łydżba Jacek Łydżba

Und doch ist die Provinz überall. Und nur in der Provinz können wir immer noch den Zerfall der Materie beobachten. Großstädte wachsen, das Materielle vermehrt sich dort schneller als es sich abbaut. In der Provinz ist alles erstarrt. Wer kann, geht weg. Jeder sechste Bewohner hat Tschenstochau in den letzten Jahren verlassen. Das versprochene Land ist woanders. Diejenigen, die geblieben sind, versuchen die Löcher zu stopfen. Hier und da. Am meisten zerstörerisch ist die Zeit. Die dünne Schicht der sparsam aufgetragenen Farbe blättert schnell ab. Zäune, Bus-Haltestellen – abgekratzt. Werbeschilder und Wachstuchdecken – gelöchert.

Jacek Łydżba

Jaceks Bilder entstehen aus Flecken, Rissen und Farb-Ansätzen. Sie haben dieselbe Bedeutung wie die Körner der Photo-Emulsion auf Wojciech Prażmowskis Fotos. In ihnen befestigt sich das materielle Bild. Die Materie von Jaceks Bildern pellt und fällt ab. Von unten blicken alte Zeitschichten, oben sehen wir ein Flugzeug, einen Engel, ein schönes Mädchen. Die Zeit ist ein Vandal, aber in Jaceks Bildern ist er oft Mitautor. Und Jacek hat nicht nur Geschichte studiert -- er hat ein Gefühl für die Zeit. Ein Wolf erscheint aus der Dunkelheit und verschwindet. Ein schönes Mädchen ist nur einen Augenblick lang jung. Deshalb ist es schön. Es trug ein weißes Kleid, hatte ein Fahrrad, hielt seine Schwester an der Hand. Kleine Blumen wuchsen auf der Wiese und beschmückten sein Haar -- das Gedächtnis sammelt Bilder wie Archetypen. Die Feuerwehrmänner sehen aus wie im Bilderbuch. Der Engel kam im Traum. Die Wahrheit offenbart sich nur einmal. Um etwas zu malen, muss man sich es zuerst merken. Die Bilder überlagern sich wie Farbschichten, wie Erinnerungen. So viele Bilder, Daseins, Gesten – soviel zu merken und zu malen!

Jacek Łydżba

Ich beneide all diejenigen, die Jaceks Bilder zum ersten Mal sehen. Ich sah schon viele und bin immun gegen ihre eingemalte Nostalgie. Jedes Bild zeichnet den Riss zwischen der Schönheit der gemerkten Erinnerung und der Vergänglichkeit der Materie aus der sie geformt wurde. Dieser Riss tut weh. Man kann sich daran gewöhnen, den Leid lindern, indem man eine Elegie-Note einführt. Alles steuert dem Zerfall und dem Grau zu. Bevor das aber endgültig geschieht, sehen wir vor den Augen die bunten Bilder unserer Kindheit, die idealen Engel, den Traum vom Fliegen, die begegneten Fahrradfahrerinnen.

Jacek Łydżba

Die Provinz ist waagerecht. Sie zwingt uns nach unten zu schauen, um die Steine am Rande des Weges zu beobachten, die gebeugten Zäune, die niedrigen Pflanzen. Die Materie von Jaceks Bildern entsteht aus diesen nach unten gerichteten Beobachtungen. Aber ihr Geist ist senkrecht. Es sind die immer wieder zurückkehrenden Erinnerungen, Ambitionen und Gebete. Sie heben uns auf.



Ausgewählte Werke

alle bilder ansehen