Diese gespenstischen Emotionen von Frauen

Agata Matusielańska Spricht Agata Matusielańska



Blutiger Mund oder verschmierter Lippenstift? Die junge Künstlerin Katarzyna Kubiak erzählt über den Bilderzyklus zu ihrem Diplom, in dem sie ihre zweite Natur porträtierte und damit im Institut für Visuelle Künste in Zielona Góra eine erhebliche Bestürzung verursachte. Für Galeria Art erzählt sie, warum sie Fotos von Fremden macht, von der weiblichen Natur fasziniert ist und was Frida Kahlo und Jacek Malczewski gemeinsam haben...

Katarzyna Kubiak

Du malst nur Frauen. Oft sind ihre Augen oder Münder verdeckt. Warum wurden Frauenfiguren in solchen Situationen zum Leitmotiv Deiner Kunst?

Ich bin auf der Suche nach der Schönheit und liebe es, Frauen anzuschauen. Sie sind für mich schön und geheimnisvoll. Ich bin auch eine Frau, weshalb es für mich einfacher ist, in einem Bild weibliche Emotionen zu verstehen und zu wiedergeben. Warum verdecke ich ihre Münder oder Augen? Manchmal gibt es etwas, was man mit Worten allein nicht erzählen kann - man muss sehen, um zu fühlen.

Beschäftigst Du Dich in Deiner Kunst mit feministischen Themen, erzählst Du symbolisch über Frauen und deren Situation?

Nein, aber für mich als Künstlerin ist interessant, dass Du das sagst. Ich denke, dass ich erst lerne. Ich habe den Eindruck, dass ich mich am Anfang befinde und meine Arbeiten eine Art Prüfung darstellen: ob ich imstande bin, Anatomie richtig zu malen, indem ich bestimmte Geschichten erzähle...

Katarzyna Kubiak

Ist also Dein Diplom aus der Perfektionierung Deiner Technik entstanden? Beim Malen dieser Porträts hast Du Dich nur auf die Form konzentriert?

Das ist das Selbstporträt mit meiner Freundin Paulina. Es ist so, dass im Leben eine Menge Dinge durch Zufall passieren. Für das Diplom habe ich beschlossen, mich selbst zu malen. Das war ein Test für mich. Die Anatomie habe ich heimlich studiert, mein Professor wusste nichts davon. Als er meine Bilder sah, war er sehr überrascht. Ich war immer ein ruhiger Mensch und so wirke ich auch nach außen. Als ich auf einmal diese Bilder zeigte, interessierten sich Leute für meine Kunst, fanden sie spannend. Ich präsentiere darin meine andere Seite.

Du sagst, Du möchtest den Betrachter neugierig machen, aber wozu sollte dieser Zustand dienen? Willst Du Dein Publikum irgendwie beeinflussen?

Ich will nur, dass man sich für meine Arbeit einen Moment Zeit nimmt. Das Malen kann ich mit dem Erzählen einer Geschichte in der Gesellschaft vergleichen: gut, wen jemand zuhört, und noch besser, wenn mit Interesse. Ich habe früher mal überlegt, was der Grund ist, dass wir bei manchen Bildern in einer Galerie oder in einem Museum stehen bleiben. Warum kann ich mich noch an sie erinnern? Warum haben sie in mir Gefühle geweckt? Ich versuche, es zu verstehen. Deshalb macht mich die Beziehung Werk-Betrachter neugierig und ich mag es, die Umgebung zu beobachten. Natürlich will ich, dass meine Arbeiten Emotionen und Neugier hervorrufen, aber ich möchte dabei nicht aufdringlich sein. Es liegt mir nicht daran, zu provozieren, so ein Mensch bin ich nicht.

Katarzyna Kubiak Katarzyna Kubiak

Deine Bilder sind unglaublich realistisch, ausgefeilt und sehr ausdrucksvoll, fast wie Fotografien... Was bedeutet Dir ein Bild wirklich?

Ich mag es, Menschen zu porträtieren. Durch das Bild "dokumentiere" ich, also erzähle die Geschichte der gemalten Figur. Ich beginne mit Skizzen, sammle Ideen, oft in Form von Fotos. Dann setze ich sie zu einer Collage zusammen und fange an, zu arbeiten. Da ich ein Bild nicht an einem Tag male, sondern dafür über zehn Tage brauche, ändere ich während der Arbeit den ursprünglichen Plan. Das ist ein äußerst interessanter Prozess.

Wer sind die Heldinnen Deiner Bilder? Stehen sie Dir Modell?

Ich male meistens von Fotos. Manchmal sind es meine Freunde, manchmal Menschen mit interessanten Gesichtern, die ich bitte, mir zu erlauben, ein Foto von ihnen zu machen. Wenn ich Freunde porträtiere, mache ich mit ihnen Fotosessions, aber nicht im herkömmlichen Sinne des Wortes. Oft stelle ich die Kamera auf 10 Schnappschüsse ein und verlasse den Raum, so dass sie mit der Kamera alleine sind. Ich bitte sie dann, sich so zu benehmen, wie sie wollen. Das ist immer sehr interessant, denn ich bitte sie nicht um konkrete Posen. Dann sieht man auf den Bildern, dass die Menschen sich zunächst genieren, aber nach einiger Zeit beginnen, sich zu öffnen...

Katarzyna Kubiak Katarzyna Kubiak Katarzyna Kubiak

Und wenn Du Dich selbst malst, was für ein Modell für Dich bist Du? Öffnest Du Dich auch vor der Kamera, wie Deine Freunde, deren Fotos Du später in Porträts verwandelst?

Mit diesem Sichöffnen ist es mal so, mal so. Nicht immer erreiche ich, was ich will. Manchmal entdecke ich etwas, was ich nicht erwartet habe. Beim Malen von Selbstporträts bin ich mutiger. Ich kenne mein Gesicht und erlaube mir mehr Fantasie.

In Deinem Zimmer hängt ein Bild mit Jacek Malczewski, von Dir gemalt. Was bewunderst Du bei Malczewski? Guckst Du Dir von seinen Werken bestimmte stilistische Techniken ab oder lässt Du Dich eher durch den Inhalt seiner Gemälde inspirieren?

Bei ihm bewundere ich alles. Es war eine Liebe auf den ersten Blick. Ich sah seine Bilder in der Oberschule und sie schienen mir damals perfekt, für mich waren sie ideal. Wenn ich die Inspiration vermisse, kehre ich immer zu seinen Bildern zurück. Ich beneide ihn um seine Technik. Vielleicht bin ich eines Tages in der Lage, mit den Farben genauso umzugehen, aber ich habe noch einen langen Weg vor mir. Dieser Gedanke erfreut und ermutigt mich.

Du hast auch ein Bild mit Frida Kahlo gemalt. Glaubst Du, dass Deine Faszination für Frauen von ihr stammt? Kahlo war auch für ihren Realismus bekannt und ihre Kunst war oft voller Leiden ... vielleicht ein bisschen wie die Frauen aus Deinem Diplomzyklus.

In der Tat. Ich denke, dass Frida echt, aufrichtig gearbeitet hat. Sie setzte sich einfach nieder und malte das, was sie dachte, das es gemalt werden soll. Und das gefällt mir bei ihr, diese Authentizität.

Was verstehst Du durch Aufrichtigkeit in der Kunst?

Die Aufrichtigkeit in der Kunst bedeutet, eigene Emotionen publik zu machen. Wie bei einem Tagebuch, das jemand geöffnet und liegen gelassen hat. Ich denke, dass die Veranschaulichung des eigenen inneren Schmerzes eine Form von Therapie, ein Weg zur Akzeptanz sein kann. Aber auch, um  Mitgefühl zu bekommen.

Wann hast Du die Malerei für dich entdeckt? Wusstest Du schon immer, dass Du Kunst schaffen willst?

Ja, ich wusste immer, dass ich Künstlerin werden will. Meine ersten Erinnerungen sind mit dem Malen verbunden - oder mit dem Wunsch, etwas malen zu wollen. Dieses Gefühl wird in mir nie erlöschen.

Nach dem, was Du sagst, scheint es, dass Deine bisherigen Bilder aus dem Kampf gegen bestimmte formale Probleme entstanden sind. Ist es so? Was ist Deine nächste Herausforderung?

Ich bin mir bewusst, dass meine Technik noch nicht auf dem Niveau ist, welches ich erreichen möchte. Ich versuche, mich in der Anatomie zu bilden, um den menschlichen Körper frei zu malen. Ich möchte auf dem Bild bestimmte Geschichten darstellen und dabei die künstlerische Kohärenz meiner Arbeit beibehalten. Wenn ich male, kämpfen in mir zwei Kräfte. Die eine will das kreative Chaos, die andere - die dezente Form. So sieht wohl in der Theorie meine Malerei aus: die Betonung und die Dämpfung von einigen Elementen. Es ist schwer, das zu beschreiben. Während der Arbeit überlege ich aber nie, male intuitiv. Jetzt beginne ich eine neue Bilderreihe und möchte sehr, dass sie einheitlich ist und auf die vorherige, also auf meine Diplomarbeit, verweist.



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