Die Mädchen

Katarzyna Rzehak Von Katarzyna Rzehak



Adam Korszun Adam Korszun Adam Korszun Adam Korszun Adam Korszun

Angelika, 19

Adam lernte ich in der Podlaska-Galerie kennen. Ich interessierte mich für Kunst und ging dorthin zu Vernissagen. Er war auch immer da. Einmal kam er in unsere Oberschule und erzählte uns im Kunstunterricht über seine Bilder. Ich war in der 2. Klasse und wußte bereits, daß ich zur Kunstakademie wollte. Ich wunderte mich nicht, als er mich gebeten hat, ihm Modell zu stehen. In Biała wissen alle, daß Adam nach jungen Mädchen sucht, um sie zu fotografieren und dann danach Bilder zu malen. Einige Mädchen lachen über ihn, halten ihn für einen Sonderling oder für einen, der sie anbaggern will und lehnen es ab. Ich wußte, daß ich Ja sage, wenn er mich fragt. Auf der nächsten Vernissage trieb ich mich in der Galerie herum und Adam schlich mir nach, lautlos wie eine Katze. Er kann lauern auf die Frau, auf die er ein Auge geworfen hat. Als ich mich ihm zuwandte, sagte er nur: „Komm, wir machen ein Foto”.

Wir gingen in den Park. Es war Herbst, die Spätsonne schien. Adam sagte, was ich zu tun hatte: ”Augen auf, Augen halbgeschlossen, jetzt durchdringe mich mit den Augen”. Ich benahm mich ganz ohne Koketterie, weil ich wußte, daß er mich wie ein Modell behandelt. Ich male selbst, also verstand ich, was er brauchte. Ich weiß, daß er bei einem Mädchen einen ausdrucksvollen Mund und einen langen Hals mag. Er sucht nach schönen Gesten der Hände, nach interessanten Posen und Schnappschüssen.

Einmal machten wir Fotos in einem Zugabteil, weil Adam das kalte Licht der Neonlampe gut fand. Wenn ich in die Galerie mit frisch abgeschnittenen Haaren oder in einer Trägerbluse komme, greift er sofort nach der Kamera, einer Spiegelreflex-Zenith, von der er sich nie trennt. Einmal hat er mit mir eine ganze Reihe von Mundfotos gemacht. Jemand sah diese Bilder und sagte: „Warum läßt du sowas zu? Er benutzt dich ja nur!”. Aber ich denke nicht so. Bei unseren Sitzungen übt er keinen Druck auf mich aus. Es kommt vor, daß er sich eine Pose ausdenkt und ich sage: „Ich würde nie so sitzen, das ist nicht natürlich”. Und er darauf: „In Ordnung, mach wie du willst”.

Die Leute verstehen Adam nicht, manche halten ihn für widerwärtig. Ich aber sehe in seinen Bildern Reinheit und Zartheit - sie sind sinnlich, aber nie vulgär.

Basia, 23

Adam ist ein Original. Als alle in Biała Jeans trugen, lief er in Klamotten von seinem Opa herum. In einer maßgeschneiderten Jacke und einer Hose mit Bügelfalten. Einmal hat er mich als Begleitung zur Hochzeit seiner Bekannten mitgenommen. Er hatte eine pflaumenfarbene Jacke, ein weinrotes Hemd, ein orangenes T-Shirt, irgendeine Hose und rote Socken an. Es gefällt mir, daß er ein ungewöhnlicher Mensch ist. Ich wußte, daß er junge Mädchen malt und war neugierig, wie es ist. Ich habe ihm selbst angeboten, Modell zu stehen. Aber unter einer Bedingung: daß man mein Gesicht nicht sieht. Der arme Adam mußte in seiner Wohnung extra für mich heizen, weil ich mich nicht ausziehe, wenn es kalt ist.

Ich stand Aktmodell mit abgewandtem Kopf. Aber Adam hat mich überlistet. Er hat meine Figur so gemalt, daß jeder Zuschauer, obwohl auf dem Bild kein Gesicht zu sehen war, aufschrie: „Das ist doch Baśka!”. Er hat einen Zug der Silhouette, etwas so Charakteristisches erfaßt, daß es keine Zweifel gab, wer es war. Vielleicht schaffte er das, weil er mich schon lange kennt? Mich machte unsere Vertrautheit unsicher, ich würde lieber einem ganz Fremden Modell stehen. Manchmal schämte ich mich und schloß dann die Augen. Wie ein Kind, das denkt, daß es selbst verschwindet, wenn es die Augenlider zudrückt. Ich stand auch Modell für Fotos, die Adam später in der Ausstellung in der Galerie in Biała zeigte. Er benahm sich wie ein Gentleman und ließ mich die aussuchen, die ich gut fand.

Heute, wenn ich betrachte, was aus unserer Zusammenarbeit resultierte, komme ich zur Schlußfolgerung, daß seine Kunst verlockend und erschreckend zugleich ist. Einerseits dämonisch, voll von verborgenen Ängsten, andererseits warm durch menschliche Gefühle. Ich werde nie eines seiner Reliefs vergessen, das einen vollen, sinnlichen Mund darstellte. In seine Außenkontur schlug Adam eine Reihe kleiner Nägel ein, die wie Folterinstrumente oder Lichtstrahlen aussahen.

Kaśka, 23

Mit Adam ist es so: ich komme in die Galerie, wo er arbeitet.

- Hallo.

- Hallo.

- Komm, ich mache ein Foto von dir.

Das ist keine Fotosession in einem profesionellen Atelier. Adam läßt mich nur stehen und beleuchtet die Stelle mit Bilderleuchten oder bringt irgendwo eine bunte Glühlampe an. Er macht Musik an, am liebsten Joy Division oder Kraftwerk, denn er hört seltsame Bands aus den 80-ern. Er sagt einfach: „Bleib so, mach das”. Und ich mache das. Ich habe schnell genug. Es ist sehr anstrengend: den Kopf nach links, den Arm nach hinten, ein Schritt nach vorne. Ich halte das nur kurz aus. Schließlich sage ich: „Nein, Adam, laß das, ich will nicht mehr”. Und er hört auf. Deshalb hat er nach einer Fotosession mit mir nur einige wenige Fotos. Ich weiß, daß er danach ein, vielleicht zwei Bilder gemalt hat. Ich habe sie nie gesehen. Dafür habe ich ein Selbstbildnis von ihm. Ich habe ihn um ein Bild gebeten und er hat mir dieses Selbstbildnis geschenkt. Ich hängte es über mein Bett. Ich weiß selbst nicht, warum.

Aufgezeichnet von Katarzyna Rzehak



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