Langweilige Postkarten oder Fabrikgelände. Am Rande der Ausstellung von Maria Kiesner
Maria Kiesner malt nicht existierende Städte und Landschaften - wenn man urbane Veduten dafür hält. Deren Prototyp sind meistens alte Postkarten, ein Fragment der längst vergessenen oder bis zur Unkenntlichkeit veränderten Straße, ein Postgebäude an der Ecke, eine zu Anfang des 20. Jahrhunderts moderne Stahlhütte, das Ganze, das sich ansehen lässt, nie ein Detail.
Der Impuls kommt immer von dem alten Foto, wo das Auge eines Fotografen zielsicher die beste Einstellung gefunden hatte und die Sepia den einmal porträtierten Ausschnitt der Wirklichkeit entrealisiert. Die Komposition bleibt in der Regel die gleiche wie auf der Postkarte. Entfernt wird die Staffage - das beliebteste Motiv der Vedutisten. Bäume und städtische Parks werden auf den Bildern der Künstlerin den Anforderungen der Geometrie unterworfen. Die auf dem Foto erkennbare Tages- oder Jahreszeit verliert ihre Eindeutigkeit, genauso wie die Lichtquelle: unsichtbar, immer irgendwo aus dem Off, nimmt sie den imaginären Objekten die Illusion des Realen weg. "In einer solchen Welt hört die Zeit auf zu fließen." Und selbst wenn - wie sie einräumt - sie in ihren Stadt- und Industrielandschaften sich mit Wróblewski und Dwurnik auseinandersetzt, selbst wenn sie das Dach auf "Unvollendetes Haus" ihres Studienlehrers und Meisters Jarosław Modzelewski legt, nur ihr gelingt es, auf der Seite der Unentscheidbarkeit zu bleiben. In einem Weder/Noch hätten wir gerne in ihren Bildern auf den ersten Blick nach nicht so entfernten Analogien mit de Chirico gesucht. Wie sie selbst zugibt, möchte sie so wie er die Zeichnung mit der Malerei vereinen. Wie er ein bildliches Idiom für die Siesta am Nachmittag finden. Das mitten an einem heißen Tag leer gewordene Madrid malen. Die gewöhnlichsten und banalen Gebäude klettern im Zentrum der Komposition nach oben oder, gemäß der linearen Perspektive, rutschen bis zum unteren Rand der Leinwand, unvermittelt ausgestattet mit einem Überschuss Monumentalität.
Ein "Dort und Damals" (z. B. Postkartenansichten vom alten Częstochowa) verliert seine besonderen Merkmale und wechselt mit einigen Pinselstrichen auf die Seite des Irrealen über. Ihre Stadt- und Fabriklandschaften, in einem "Il y a" hängend, sind Figuren der Melancholie ("Die Obsession der Geometrie ist den Melancholikern wohl bekannt"). Die jüngsten Arbeiten, durch Fotos von banalen amerikanischen Städten inspiriert, tragen die Titel "Langweilige Postkarten". Die originellen und existierenden kleinen Provinzstädte, unwirklich gemacht und von allen Differenzierungsmerkmalen befreit, zu einfachen Kuben reduziert, immer mit dem Gegensatz in Form von einer verschatteten, fast schwarzen Häuserwand, werden auf den Werken von Kiesner zum symbolischen Ausdruck der eigenen Existenz, der Langeweile als "vollständige Schwebe und Verzicht, der aus einem Ohnmachtsgefühl entsteht, aus dem Leben, das trotz starker Emotionalität angehalten wurde." Das Banale und Heimische zieht uns an und stößt uns ab. Der matte Schein des Lichts und die "technischen", auf einer Reihe von Gelb und Blau basierenden Farben enthüllen noch einen weiteren Aspekt der scheinbar faden und uninteressanten Architektur. Sie zeigen uns die vertraute Fremdheit und ihren Schrecken. Das Unheimliche.