Die Welt ist der Mensch
Zeig mir, was du in deinen Taschen hast und ich sage dir, wer du bist – ein vereinfachender Psychologismus. Umso weniger zutreffend im Fall eines Künstlers, denn es reicht nicht, ein Werk zu sehen, um die Wahrheit über den Autor zu erfahren. Natürlich könnte ein Kunsthistoriker in der Malerei von Mikołaj Kasprzyk schnell Analogien zur Gotik, zur Renaissance oder zum Surrealismus finden und dabei denken, zu wissen, wie die ästhetischen Vorlieben des Künstlers sind. Aber der Schöpfer zeigt sich nicht in seinem Werk wie im Spiegel - der Exhibitionismus in der Kunst stört Mikołaj; er sagt, daß er viel emotionaler ist, als man es seinen Arbeiten entnehmen könnte. Also Bild hin oder her - jetzt reden wir, übrigens... hauptsächlich über Bilder.
Der Held deiner Arbeiten ist der Mensch. Ist dies für dich ein Thema für sich?
Ja, weil der Mensch sehr interessant ist. Erstens, in einem formellen Sinne – als Modell, Objekt. In der Kunst suche ich vor allem nach dem Menschen. Die Architektur, die Landschaft begeistern mich, aber der Mensch zieht mich am meisten an. Außerdem ist der Mensch interessant, weil die Welt interessant ist und der Mensch ein Medium ist, das diese Welt empfängt, sich am Schicksal der Welt beteiligt. Eigentlich sind das Schicksal der Welt und das Schicksal des Menschen das Gleiche und in diesem Sinne ist die Welt der Mensch. Wenn ich mich auf die Wirklichkeit beziehen will, dann eben durch den Menschen, weil er mir am nächsten steht. Ich tue dies natürlich ganz intuitiv, denn ich formuliere keine philosophisch-ideologischen Ansichten bezüglich meiner Arbeit. Ich bin im Leben eingetaucht und das reflektiert einfach in meiner Malerei.
Ich empfinde deine Bilder nicht als konkrete Geschichten. Außer man betrachtet sie alle als eine Erzählung über den Menschen, ohne Anfang und Ende. Für mich besteht ihr Charme vor allem in der Stimmung – die Zeit existiert nicht, der Moment ist abstrakt. Die Objekte sind scheinbar konkret: hier eine Gestalt mit einer Gießkanne, da ein Kerl mit einem Gewicht. Und der Effekt? Eher zeitlos.
Wenn es so ist, dann freue ich mich, denn dies bedeutet, daß ich es geschafft habe. Ich drücke es nicht mit Worten aus, aber das ist wohl mein Programm. Die Stimmung, die Metapher sind für mich unentbehrlich, sie sind meine Methode, ehrlich zu sein. Wenn ich direkt reden müßte, dann würde ich gar nicht reden. Aber es ist nicht immer eine Absicht, oft mache ich es eher halbbewußt.
Melancholie, Lyrik, Erotik. Die emotionale Schicht deiner Arbeiten ist subtil, unterschwellig, ohne Ostentation...
Gewiß sind diese Arbeiten keine direkte Widerspiegelung meiner Emotionalität. In der Malerei bediene ich mich dieser und nicht anderer Schrift, da die Ostentation mich einfach anekelt. Auf einem Bild Eingeweide herauszutrennen ist nicht meine Welt.
Du hast eine Sammlung von Motiven, die man als Kanon bezeichnen kann: ein einsamer Mensch, ein Schloß, ein Baum. Oft greifst du auf sie zurück, stellst sie nebeneinander.
In der Tat, mein Vorrat an Motiven ist nicht groß, aber für mich reicht es. Einzelne Gestalt oder Paar, Mann und Frau - das ist für mich die einfachste Weise, verschiedene zwischenmenschliche Relationen anzudeuten, die Beziehung zu sich selbst zu zeigen. Es geschieht manchmal auch, daß ich dasselbe oder ein ähnliches Thema nochmal aufnehme, um es besser oder sogar anders zu machen. Und manchmal klappt es.
Betrachtest du das Malen als einen Beruf?
Seit einigen Jahren arbeite ich viel und sehr systematisch. Ich gehe zum Atelier wie ein Angestellter ins Büro - oder sogar häufiger, denn ich arbeite auch sonntags. Meine Technik ist einfach: gründliche Zeichnung, klassische Perspektive, Harmonie – das steht vielleicht im Zusammenhang mit meiner Vorliebe zur alten Kunst. Ich habe meinen Arbeitsrhythmus, ein Schritt nach dem anderen: zunächst mache ich Fotos und dann, nach den Fotos, eine Zeichnung. Die Zeichnung übertrage ich auf die Leinwand usw. Aus Erfahrung weiß ich, wieviel ich pro Tag schaffen kann und das erinnert mich an das sogenannte Tagessoll beim Malen von Fresken. Es ist lustig, so über diese Arbeit zu denken.
In deinen Bildern und darin, was du sagst, kehrt immer wieder eine Faszination für die Kunst des Mittelalters und der Renaissance zurück.
Mit Begeisterung sehe ich mir die Alben mit der Malerei von Mittelalter bis Barock an. Was danach kommt, sind für mich dunkle Zeiten. Erst seit der Wende des 19. und 20. Jahrhunderts finde ich wieder für mich interessante Enklaven. Und vielleicht deshalb spürt man in meiner Malerei dieses Echo der alten Kunst, dieses Spielen eines Künstlers wie aus der Vergangenheit. Das kann aber ein wenig überheblich erscheinen. Und man könnte sagen: „Was für ein Echo? Die alte Kunst war eine richtige Kunst, du aber malst kleine Männchen. Und damit willst du angeben?” Also dachte ich mir dazu eine schlaue Geschichte aus. Ich las früher mal über fernöstliche Religionen und erinnere mich, daß der Tantrismus viel gemeinsames mit der Erotik und Sexualität hat, daß er sich durch sie manifestiert. Aber die Erotik ist den Reichsten vorbehalten, die Anderen müssen sich mit Äquivalenten, wie z.B. Blumen riechen, zufriedengeben. Also mit mir und mit der alten Kunst ist es so, daß sie die Erotik ist und ich dieses bescheidene Riechen an Blumen. Jemand hat einmal gesagt, daß das, was ich mache, Postmodernismus ist. Für meinen eigenen Gebrauch habe ich also eine Theorie formuliert: der Postmodernismus bedeutet, daß alles erlaubt ist. Dazu gehört auch die Freiheit, unmodern zu sein. Und das paßt mir, weil ich keinen Druck empfinden will, modern sein zu müssen.
Trägst du dich lange mit der Idee für ein Bild? Überlegst du alles von Anfang bis Ende? Oder zählt nur der Impuls?
Ich halte nichts von Sprüngen. Ich wäre verrückt, wenn ich jeden Tag im Entzücken arbeiten müßte. Ich muß ruhig sein, wenn ich male. Die Leute fragen oft nach Inspiration, aber ich arbeite einfach mal besser, mal schlechter. Die Malerei ist schwierig, die Materie leistet einen großen Widerstand. Aber die Anstrengung macht auch Spaß.
Du hast dir eine künstlerische Sprache ausgearbeitet, du hast eine Schrift, die, wie du selbst sagst, daraus besteht, was du kannst und was du nicht kannst. Hast du noch Lust auf mehr?
Na klar, aber es werden keine großen Umbrüche sein. Die Evolution ist sehr langsam und diskret, im Alltag bemerke ich sie nicht. Ich formuliere Probleme und versuche in kleinen Schritten, sie zu lösen.
Was hat sich geändert?
Kurz gesagt: ich bin heller geworden, die Bilder wurden noch skizzenhafter, weniger realistisch, sie sind eher wie abstrakte Tafeln. Was meine Technik betrifft, benutze ich lediglich ein paar Farben und neulich habe ich noch auf einige ganz verzichtet.
Ist Malerei ein Subtrahieren?
Jetzt fühle ich das so.