Unter Wasser sammle ich Gedanken

Bogusław Deptuła Spricht Bogusław Deptuła

Katarzyna KarpowiczKatarzyna KarpowiczKatarzyna KarpowiczKatarzyna KarpowiczKatarzyna KarpowiczKatarzyna KarpowiczKatarzyna KarpowiczKatarzyna KarpowiczKatarzyna KarpowiczKatarzyna Karpowicz

Bogusław Deptuła: Wie ist es möglich, dass Du im Zeichnen so schnell eine große Fertigkeit und einen eigenen Stil erreicht hast, und in der Malerei Dich immer noch nicht entscheiden kannst, wie es sein soll?

Katarzyna Karpowicz: Vielleicht weil ich von Kindheit an die Hand im Zeichnen geübt habe. Soweit ich mich erinnern kann, machte ich Skizzen - egal, ob schön oder hässlich, Hauptsache, die Bewegung und Atmosphäre wiederzugeben. Das Malen erfordert schon einen anderen Arbeitsstil. Die Zeichnungen sind übrigens eine leichtere Form - es wäre ja kompliziert, in die Ferien mit einem ganzen Atelier zu fahren. Zu jedem Sommerlager nahm ich einen Bleistift, Farbstifte und einen kleinen Skizzenblock mit. Ich zeichnete ständig - Kinder von der Familie beim Spielen, den Vater, Lehrer, Schulkameraden während des Unterrichts: es war eine unaufhörliche Momentaufnahme, eine Aufzeichnung dessen, was mich umgab, aber zugleich das Erzählen darüber, was ich im Kopf hatte. Denn ich zeichnete zuerst nach der Phantasie, erst später nach der Natur. In der Oberschule, als ich den Unterricht schwänzte, ging ich mit dem Skizzenblock in den Zoo. Ich wusste nicht, dass ich, indem ich ständig zeichnete, auch lernte und dadurch immer besser wurde. Das war mir nicht wichtig, ich machte es aus bloßem Bedürfnis zu zeichnen heraus, aus der Faszination für Tiere, Menschen und vor allem Kinder, Kinder in Bewegung. Gleichzeitig malte ich. In der Malerei interessierte mich die Farbe und in der Zeichnung die Linie. Aber weder in der Zeichnung noch in der Malerei suchte ich nach meinem eigenen Stil. Ich muß nicht in eine konkrete Richtung gehen, ich erzähle einfach meine Geschichte und freue mich daran. Ich versuche, ehrlich zu sein, dem zu folgen, was für mich von Bedeutung ist. Neben der Atmosphäre sind es Emotionen, die die Malerei hervorruft. Ich stehe vor einem Bild von, sagen wir, Beckmann, weine beinahe vor Neid und frage mich selbst: "Wie hat er das bloß gemalt?"

Ich glaube, in der Malerei geht es nicht darum, einen eigenen Stil zu entwickeln, sondern zu malen und zu suchen. Zum Beispiel ins Museum zu gehen und all das zu sehen, was man gerade jetzt bei Velázquez, Dubuffet, sogar in der Abstraktion, zum Beispiel bei Kandinsky, zu entdecken hat. Mag sein, dass ein Maler reifen, viel arbeiten muß, um sich selbst zu finden, obwohl es sich später wohl auch ändert. Mit der Zeit kommt die Ruhe.

BD: Man sieht, dass Dich im Zeichnen David Hockney inspiriert hat. Wer unter den Malern ist für Dich gleichermaßen wichtig?

KK: Da gibt es viele. Wenn wir uns für einen Maler sehr begeistern, kann er irgendwann in einem gewissen Sinne langweilig werden oder als gewöhnlich erscheinen. Ich kann sagen, dass ich in letzter Zeit vom Expressionismus und von Kirchner sehr beeindruckt bin. Ich habe in Frankfurt seine Retrospektive gesehen und es hat mich bewegt, wie er malte - mit so viel Freiheit und Mut.

BD: Das war zuletzt, aber ich frage nach Deinen älteren, dauerhafteren Faszinationen.

KK: Hockney ist für mich wichtig nicht nur wegen der Art, wie er zeichnet, sondern auch, wie er ein Schwimmbecken betrachtet. Seine Schwimmbecken und überhaupt die Person Hockneys selbst, die irgendwie über seine Bilder spricht - dass nimmt mich sehr ein. Natürlich gibt es noch Balthus, was man auch in meiner Malerei sieht. In der Oberschule machte ich sogar Transpositionen seiner Bilder. Oft nutze ich Fragmente aus Werken verschiedener anderer Maler: Piero della Francesca, Giotto, Velázquez, El Greco. Immer wieder entdecke ich was Neues, also könnte ich es wohl ununterbrochen aufzählen. Neulich zum Beispiel bewundere ich Paula Modersohn-Becker. Ich schaue mir gerne Kunstalben an, aber so lange ich ein Bild nicht im Original gesehen habe, kann ich auch nicht sagen, ob ein Maler mir gefällt. Und wenn ich etwas Energie schöpfen will, gibt mir ein Besuch in einem guten Museum genug Power, um mich auf eine Leinwand zu stürzen und etwas zu malen, um des Malens willen.

BD: Und die Themen, wo kommen sie her?

KK: Die sind persönlich. Schwimmbecken oder jetzt Flüsse, oder schlafende Gestalten mit Tieren - sie stecken tief in mir. Sie kommen zum Teil aus Träumen, zum Teil aus Erinnerungen.

BD: Warum gerade die Schwimmbecken?

KK: Es begann damit, dass ich mit 5 Jahren wegen Problemen mit der Wirbelsäule zweimal in der Woche zum Schwimmen geschickt wurde. Ich protestierte nicht, es ging ganz gut,  obwohl ich die kleinste in der Gruppe war. Ich wurde zur Lieblingsschülerin des Trainers und dachte sogar, dem Schwimmteam beizutreten, aber es wäre damals zu viel, bei der Krankheit meines Vaters. Als sie kam, saß ich meistens in meinem Zimmer, mit Musik, über Büchern und einem Blatt Papier. Der einzige Ort, wohin ich noch ausging, war das Schwimmbad, das war mein Fluchtpunkt. Ich verstand viel, natürlich rein instinktiv...

BD: Konntest Du verstehen, dass seine Krankheit tödlich war?

KK: Ich wusste nicht, dass er stirbt, aber ich spürte, dass etwas Schlimmes passiert. Vo der Krankheit hatte ich nicht viel Ahnung, denn obwohl es zu Hause einen Computer gab, hatten wir keinen Internetanschluss, meine Eltern als Künstler waren total untechnisch, etwas rückständig, obwohl wir damals bereits das Jahr 2001 schrieben.   Zusammen mit Mutter und Schwester kümmerten wir uns um den Vater, tagsüber habe ich ihn betreut und abends ging ich schwimmen, dafür hatte ich wörtlich 5 Minuten. Dort tauchte ich ein. Wie Du siehst, bin ich immer fieberhaft erregt, erlebe alles sehr stark, das Schwimmen kühlt mich ab. Und auf eine gewisse Art und Weise isoliert es mich von der Außenwelt. Der Schwimmbecken war für mich ein Schutz. Dieser Rhythmus - aufsteigen, fliegen, vom Ufer abstoßen. Wie ein Mantra. Übrigens löst Sport Endorphine aus, es empfiehlt sich, bei Stress Sport zu treiben. Auf dem Rückweg vom Schwimmbad nach Hause konnte ich immer noch in Gedanken dort  bleiben, denn ich habe ein fotografisches Gedächtnis. Es liegt mir aber nichts daran, fotografisch wiederzugeben, was ich gesehen habe, sondern ich kann mich an die Atmosphäre erinnern. Wenn ich nicht  schwimmen gehen konnte, kehrte ich dorthin in den Zeichnungen zurück. Dann sah ich Hockney. Das Meisterhafte in seinem Zeichnen faszinierte mich. Das Album mit seinen Bildern ist bei mir immer aufgeschlagen, wird immer durchgeblättert. Menschen haben mich auch interessiert. Für mich ist beim Malen von Schwimmbecken der Mensch, sein sehr Flug wichtig. Und das, was Wasser mit dem Menschen macht, wenn er eintaucht. Nicht jeder mag Schwimmbäder, aber für mich ist es ein wichtiger Ort, mein eigener.

BD: Immer Dein Fluchtpunk? Oder gar eine Flucht?

KK: Keine Flucht, aber ein Ort, wo man Gedanken sammelt.  Vermutlich jeder hat (oder soll haben) so einen Ort, zu dem man geht, wenn etwas nicht gut läuft oder wenn man etwas zu überlegen hat, wenn etwas passierte, etwas wehtut oder zu kompliziert erscheint.  Wenn ich unter Wasser bin, hilft es mir. Ich mag überhaupt Atemlosigkeit, es setzt im Organismus etwas Besonderes frei. Andererseits, wenn man viel schwimmt, trainiert man seine Lungen und braucht nicht mehr so viel Sauerstoff. Unter Wasser bin ich allein, ganz allein, abgeschnitten, dann erinnere ich mich an Manches, ich denke intensiv, nicht unbedingt logisch.  Das ist ein Ort, wo... ich würde es nicht Gebet nennen, aber eine Art...Therapie.

BD: Reinigung...

KK: Das Wasser reinigt mich immer, ich assoziiere es mit Abwaschen von Schmutz, Entzaubern von bösen Momenten, Lösen eines Fluchs.  Die Schwimmbecken ziehen mich an, sie haben etwas Anlockendes an sich, ich habe ständig Lust, in eines reinzuspringen und es zu  durchschwimmen. Und ich kehre oft zu diesem Motiv zurück, muß einfach ab und zu ein Schwimmbecken malen. Die Schwimmbecken ändern sich mit mir zusammen. Früher waren sie düster, jetzt nicht mehr. Jetzt sehe ich sie mit einer Landschaft zusammen. Zur Zeit male ich eine neue Reihe von Triptychonen, die wie Filmaufnahmen sind. Oft male ich in Serien, etwas filmisch, denn neben der Malerei interessiert mich Film auch. Als Kind wollte ich Kamerafrau werden, erzählte Geschichten über Kinder. Jetzt erzähle ich auch Geschichten - über meine Überlegungen und Träume. In den Triptychonen, die ich male, versuche ich zum Beispiel, die Geschichte eines Schwimmers darzustellen. Der Schwimmer ist im ersten Moment im Wasser, im zweiten steigt er auf, als ob er über das Schwimmbecken geflogen wäre, im dritten ist er verschwunden, jetzt gibt es nur Wolken, die ich über dem Stadtviertel Salwator soeben  gesehen habe: so seltsam, so graphisch.

BD: Deine Bilder haben einen sehr reduzierenden Charakter, sind ohne Details, so ideeenmäßig. Was ist eigentlich für Dich ein Bild?

KK: Schwierige Frage. Ich kann eher sagen, was ein Bild für mich nicht ist. Erstens soll es keine Wirklichkeit wiedergeben. Auch das Filigrane oder die Ornamentik sind nicht wichtig. Das Detail interessiert mich nicht, denn ich male ein Bild nicht um zu zeigen, dass etwas schön ist. Ich will nicht angeben. Manchmal ist ein Detail nötig, aber ich male keine Details nur ihretwegen. Im Bild sind auch  die Stimmung und die Geschichte wichtig. Obwohl man nicht immer alles der Reihe nach erzählen muß. Neulich fiel mir auf, dass es sich lohnt, Bilder zu reduzieren, denn dadurch werden sie stärker. Ich male sehr gerne Menschen, es reizt mich, jedes Gesicht zu zeichnen. Ich kenne viele Gesichter und Emotionen, die ich vermitteln möchte. Wichtig sind auch Beziehungen. Aber manchmal, wenn jemand sein  Gesicht abwendet und ich ein anderes Detail sehe oder auf ein Detail verzichte, dann klingt etwas Anderes stärker. Deswegen lasse ich manchmal die Details aus, um dieses Andere hervorzuheben. Die Farbe, die Atmosphäre, die Struktur.

BD: Du bist aber keine Koloristin. Meistens suchst Du nach Zusammensetzungen von koloristisch wenig klingenden, sondern  abgetönten Farben: Braun, Grün, Blau.

KK: Trotzdem ist die Farbe für mich wichtig. Es geht nicht darum, dass es bunt wird. Instinktiv suche ich mir Farben aus, die für mich besser klingen.

BD: Also Du magst lieber Melodien, die weniger Noten haben?

KK: Nicht unbedingt...

BD: Aber indem Du Details und Farben reduzierst, schränkst Du Dich selbst gewissermaßen ein. Strebst Du nach einer Synthese?

KK: Vielleicht unbewusst... In manchen Bildern lässt sich tatsächlich eine Einschränkung bemerken - Dämpfen der Farbe, Reduktion der Form. Dadurch bin ich nicht immer imstande, in jedem Bild alles zu fassen, was ich sagen möchte, vielleicht male ich deshalb in Serien. Aber andererseits habe ich auch Bilder, die reich an Details und stärker in Farbe sind.

BD: Ich bin der Meinung, Du betreibst bewusst Primitivierungen. Als ich zum ersten Mal Deine Bilder oder sogar die ersten von Deinen Bildern sah, dachte ich, es wirkt etwas unbedarft, vielleicht kannst Du es nicht besser. Aber jetzt, wo ich diese Zeichnungen sehe, weiß ich, dass Du alles kannst, dass die Vereinfachung nicht aus einem Unvermögen resultiert, sondern aus dem Willen, es eben so zu malen. Denn es gibt Künstler, die die Akademie absolviert haben und nicht malen können, aber Du gehörst nicht dazu. Du hast diesen Weg bewusst gewählt.

KK: Schon möglich... Es scheint mir, dass die Kunstakademie für mich nützlich war. Ich habe nicht nur so getan, als ob ich studiere, ich machte alle Aufgaben, war systematisch im Unterricht. Jedes halbe Jahr habe ich das Zeichenatelier gewechselt - eine Weile war ich z.B. im Atelier für Bildhauer. Für meine Diplomarbeit malte ich Musiker nach der Natur. Sie kamen zu mir von der Musikakademie, sie spielten und ich malte sie. Es war ein sehr realistisches Gestaltstudium. Ich dachte, es ist ein interessanter Weg, um etwas im Stil von Balthus zu machen - vor allem eine Beobachtung der Wirklichkeit. Später habe ich jedoch begriffen, dass Balthus die Wirklichkeit ordentlich durch seine Sicht der Dinge durchsiebte, die eigene Expression nutzte. Wenn er wollte, konnte er Frauen realistisch malen, aber in der Malerei geht es nicht darum. Natürlich gefällt es nicht jedem, man kann sogar sagen, er hat einen Fehler gemacht, da er einen Menschen mit einem viel zu großen Kopf malte. Ein solches Unvermögen, gewissermaßen, gibt es auch zum Beispiel bei Wróblewski - seine Figuren sind irgendwie steif, aber wenn wir seine Graphiken oder Zeichnungen sehen, mit Feder oder Pinsel angefertigt, wissen wir, dass er fantastisch zeichnete. Auf meinen Bildern besitzen die Figuren auch diese Steifheit, werden anders gesehen als es normalerweise der Fall ist.

BD: Ist dies eine Art Filter, eine Brille, die Du Dir aufsetzt, um die Wirklichkeit zu scannen und damit sie bei Dir anders aussieht?

KK: Es ist das Eine, einen Menschen nach der Natur zu malen, und das Andere, sein Wesen zu malen. Dann ist nicht das wichtig, was man sieht, sondern das, was man über diesen Menschen weiß. Ich wiederhole, vielleicht den Japanern nach: male keine Bäume, male die Bäumlichkeit. Ich könnte Menschen so malen, wie sie aussehen, aber das Malen selbst führt mich in andere Regionen - ich reduziere, verändere, irgendwann wirken manche Figuren versteift und die anderen natürlicher, aber das ist nötig. Schau Dir mal Beckmann an - diese schwarzen linearen Umrisse der Figuren vermischen sich mit dem Gelb oder der Farbe deren Körper und das stört nicht, ganz im Gegenteil, es scheint sehr gut getroffen zu sein... Für mich ist in der Malerei das Tollste, das man eigentlich alles darf.



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