Ich träumte
Ich träumte von einem wilden Tier - weiß nicht, ob es gut oder böse war. Zwiespältig, unvorhersehbar. Bis dann liegt es ruhig, ich darf mich an seine warme Flanke herandrücken, es schaukelt mich mit seinem starken, ruhigen Atem. Es schaukelt mich lange, es besänftigt. Ganze Jahre lang.
Das Atelier voller Bilder – aus dem Leben, aus den Träumen. Statt Konzipieren - Intuition. Gedanken muß man nicht herbeizwingen, denn Themen, Ideen kommen von alleine. Meistens im Schlaf. Das Alltagsleben findet seine Widerspiegelung im Traum, der Traum spiegelt sich im Bild wider.
Vielleicht sollte das also eine Geschichte sein, die erzählt, dass der Mensch mit seiner Bestimmung zusammen schläft und träumt. Wir leben ohne zu wissen, was das Schicksal bringt, ob es gut oder schlecht wird - ob der Löwe sanft schnurrt und die Lider schließt oder ob der Bär im Dunkeln mit zornigen, roten Augen blitzt.
Neugierde, sogar Besessenheit mit der Bestimmung, der Zerbrechlichkeit des Menschen, mit seinem Schicksal. Sie malt das, was sie erfahren hat, was immer noch nicht verheilt ist und tief in ihr steckt, im Traum fasziniert und beunruhigt. Denn die Träume sind nicht immer rosig. Sie sind wie tiefes Wasser, bodenloser Abgrund, der sich plötzlich verfinstert. Wie das Brummen eines Tieres. Wie ein Seilgang.
Ich träumte von einem Kätzchen - einem Freund, einem Maskottchen, einem Plüschtier. Sie springt durch die Szenen der Kindheit, durch Erinnerungen, Phantasien, durch Blätter des Skizzenblockes, durch Zeichnungen mit Elefanten, Seiltänzern, Pierrots. Sie schwänzelt um die vergangene Zeit.
Diese Zeit war hell, sorglos. Die Szenen der Kindheit, von der Sonne durchleuchtet, als ob es immer ein Sommer wäre. Das Aufwachsen in der künstlerischen Atmosphäre, mit malenden Eltern. Ferien in Szczebrzeszyn (dem Ort aus dem Kindergedicht), der Heimatstadt des Vaters: Krakauer Wohnung und Atelier mit ständigem Ein und Aus von originellen Menschen.
Sie zeichnet unaufhörlich, vor allem aus der Phantasie. Anstatt zu spielen. Sie zieht nicht mit anderen Kindern herum, sie spielt mit ihnen kein Verstecken. Sie zeichnet sie für sich, als Zirkusartisten verkleidet. Zirkusszenen, Seiltänzer, Harlekins - das sind ihre Spiele. Die Zirkusleute kommen zurück, wenn sie erwachsen wird. Picasso mag sie sehr.
Ich träumte von einem Stier. Einem harmlosen, der sich in den Tanz mit dem Torero hineinziehen lässt. Er starrt die grelle Jacke, die goldene Stickerei an - er spielt. Der Mann und der Stier im Todestanz.
Die Träume drängen gegen das Bild wie der Stier gegen den Torero, wie der Torero gegen den Stier. So gut sehen diese Männer aus, schneidig, schön gekleidet - ein dankbares Motiv für Malen. Grausame Künstler, in ihre Kunst verliebt. Ihre Reflektionslosigkeit ist einfach erschütternd - der Beifall und das Gefühl des Triumphs kommen, wenn dem erschreckten Tier der Tod zugefügt wird. Kostüm, Arena, Applaudieren.
Ich träumte von einer Wasserfläche. Bodenlos. Ein großes Schwimmbecken, leer - weiße Fliesen. Der Herzschlagrhythmus eines Schwimmers, Geste, mit der er mit der Hand über das nasse Gesicht fährt.
Atemlos, Ausatmen, Atmen, Rhythmus der Arme, der Beine, Fliegen über dem Schwimmbeckenboden. Regelmäßiges Abstößen von dem Ufer, wie ein Mantra. Chlorgeruch an der Haut, Geruch eines Sees, salziger Meeresgeruch. Augenblicke nur für sich allein, Augenblicke der Konzentration auf das eigene Atmen, auf die Kraft und Schwäche der Muskeln, auf den Schlag des Herzens, das bis zum Hals hochkommt. Die Erschöpfung verwandelt sich in ein mystisches Erlebnis, die Einsamkeit ist schön und schmerzhaft wie in Filmen von Kieślowski. Das Wasser bringt Trost. Kann man also durch das Leben schwimmen?
Ich träumte von einem wilden Tier. Schon wieder, weißt du? Einem Braunbär, scheinbar ungeschickt. Der zärtliche Betreuer verbirgt eine Bestie in sich. Das Schicksal ist trügerisch, manchmal riecht es nach Angst, Krankheit, Tod - um etwas zu vertuschen, leckt es unsere Hand wie ein treuer Hund. Wirft einen langen, riesigen Schatten. Einen Schatten, der eine Zuflucht oder eine Falle ist.
Der Zeichenblock füllte sich mit den Portraits von einem abgemagerten Mann. Sie sitzt bei ihrem kranken Vater und zeichnet ihn. Das nervt ihn manchmal, weil er weiß, dass er nicht gut aussieht, aber die Tochter will so sehr schnelles Skizzieren lernen, dass er sich schließlich nicht widersetzt. Nach der Schule verbringt sie mit ihm ganze Nachmittage, zeichnet ihn allein oder mit der Katze. Sie weiß noch nicht, dass sie bei einem Sterbenden wacht. Natürlich wartet sie auf seine Genesung. So ist sie halt, dass sie von Manchem erst dann erfährt, nachdem sie es gemalt hat. Denn auf den Zeichnungen sieht sie, wie sehr der starke, liebende Vater sich verändert hat, wie zerbrechlich er plötzlich wurde. Der Tod kam ganz ruhig. So, dass es schon erschreckend war.
Das Mädchen, das unter dem Sternenhimmel an der Flanke eines Braunbären schläft, verliert das Vertrauen an das Schicksal - sie wird erwachsen.
Ich träumte .... der Traum geht immer weiter...
Auf dem Bild kann man nur einen Teil der Geschichte erzählen. Es geht aber um die Stimmung.