Kaleidoskop (Unter der Treppe)
Vor einem Jahr ging ich in den dunklen Keller der Galerie Pod Schodami (Unter der Treppe) hinunter, wo Małgorzata Jastrzębska, eine junge Malerin aus Lublin, ihre erste Warschauer Ausstellung präsentierte. Ich schaute auf die mit ihren Bildern behängten Wände und mir wurde schwindelig.
Ich hatte den Eindruck, als ob mir jemand ein gigantisches Kaleidoskop ans Auge gesetzt und damit ohne Besinnung gedreht hätte. Vielfarbige Kreise wirbelten, fielen hintereinander hervor, kreuzten sich und prallten gegeneinander. Eine ähnliche Vitalität konzentrischer Formen war den Werken von Robert und Sonia Delaunay eigen, aber das, was ich jetzt sah, wurde ganz anders gemacht.
Małgorzata Jastrzębska verwarf das weiche Malerische des Orphismus. Ihre Formen haben scharfe Kanten – man sieht, daß sie beim Malen Abdeckband benutzt, damit die Abgrenzung der Farbflächen eindeutig, entschieden ist. Obwohl sie mit weichem Pinsel und Ölfarben malt, erreicht sie den Effekt, als ob sie mit Zirkel und Skalpell gearbeitet hätte. Auf dem Tisch in ihrem Atelier liegen Physik- und Mathematiklehrbücher.
Am meisten aber wundert mich, daß diese bravourösen, komplizierten Bilder „aus dem Handgelenk” entstehen, ohne Vorbereitung in Form von Kompositionsstudien. Diese Künstlerin braucht keine Skizzen! Ist das deshalb, weil Formen und Farben auf ihren Bildern gleichermaßen natürlich wie Gedanken im Kopf geboren werden?