Luca d’Ussula "Der Fall des Zauberers Hermogenes"

Jacek Dehnel Von Jacek Dehnel

Das Bild, das sich zuerst in der Predella des Fridoaltars in der Bernardinerkirche in Pistoia befand, gelangte unter unbekannten Umständen nach Rom. In seiner monumentalen Monografie Die Frührenaissance der italienischer Malerei (Basel, 1895) erwähnt Bürckberg, daß beim Streit zwischen den Häusern von Ghirerdini und Tommasi die Grabkapelle der Ghirerdinis von Soldaten unter dem Befehl des berühmten Kondottiere Sigismondo Malabraccia ausgeplündert wurde; aus dessen Händen sollte den gestohlenen Altar kein geringerer als der Kardinal Pompeo Caraffa, der spätere Papst Hadrian VI. gekauft haben. Er konnte sich über das Werk von d’Ussula nicht lange freuen, denn bereits 1527, während des Sacco di Roma, wurde das Bild mit vielen anderen Kunstwerken aus seinem Palast in Via Colomei von Landsknechten des Karl V. weggebracht und kam zur Sammlung des Generals Heinrich von Amstein. Vielleicht damals malte man in der linken unteren Ecke die falsche Signatur Pier. Lorenz. Pinx. hinzu.

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1581, mit der Mitgift der Anneliese von Amstein, wurde das Bild zu den Fürsten Łaskałło gebracht und dann im Schloß in Szypniany bis 1658 aufbewahrt, als Jarema Łaskałło es an das Jesuitenkloster in Kuszmianiec verschenkte. Nach der Auflösung des Ordens verschwindet das Werk von d’Ussula zeitweilig, um in der Sammlung der Grafen Samowilcew wieder aufzutauchen (der Katalog des Samowilcew-Schlosses an Fontanka gibt unter der Nummer 253a falsch an: italienischer Altar im gotischen Stil, aus der Hand von Lorenzetti, stellt das Leben des Hl. Jakobus und des Magiers Hermes dar). 1872 hat Michał Graf Samowilcew in Nizza seine italienische Gemäldesammlung an Jean Bautrin, einen Wagenfabrikanten aus der Gegend von Combiers verspielt (seine holländische Sammlung verlor er an den Lord William Howdrey Fitzpaul, VIII. Marquis von Legstrong). Bautrin teilte den Altar in sechs Teile, die er dann getrennt, als Originale Lorenzettis, an einige Sammler abtrat. Damals geriet die ganze Predella in die Hände des Ducs de Fontelles, der sie, nach dem Rat von Bergotte, einer gründlichen Renovierung in der Werkstatt von Pierre Brideau unterziehen ließ. Mit den abgetragenen Übermalungen (unter anderen zwei Frauenfiguren links, die Biccio di Parma zugeschrieben wurden) hat man auch die Signatur von Lorenzetti entfernt, dessen Autorenschaft bereits Chabrel in seiner Monografie in Frage stellte. Der Duc Armand de Fontelles, durch den Verlust des Lorenzetti verzweifelt, überließ die Predella (für einen Bruchteil des Preises, den er an den Fabrikanten aus Combiers bezahlt hat) dem Grafen Robert de Montesquiou-Fezensac, der sie in seinem legendären Boudoir in der Residenz am Boulevard de Latour-Maubourg unterbrachte. Laut zeitgenössischen Quellen hing das Bild von d’Ussula an einer schmalen Wand zwischen Moreaus Salome und einem Stück schwarzen Samt, vor dem man eine Sammlung der emaillierten Bischofsstäbe von Limoges zeigte. Nach Celeste Albaret war eben dieses Werk das Modell des „reizvollen italienischen Bildes”, das Swann während seines letzten Besuchs bei dem Baron de Charlus am Ende des dritten Bandes des Romans „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” von Proust bewunderte.

Nach dem Tode von Robert Montesquiou fiel die Predella testamentarisch einem nicht näher bekannten jungen Geiger zu, der die ganze Tafel in vier kleinere Bilder teilte – das erste gelangte in Berliner Sammlungen, das andere in den Louvre, das dritte verblieb bis 1940 im Pariser Rothschildpalast (wo es von der deutschen Armee geraubt wurde und 5 Jahre später wahrscheinlich in Berlin verbrannte). Die vierte und letzte Szene („Der Fall der Zauberers Hermogenes”) wurde erworben für die Sammlung von John Fitzgerald Brown III., einem amerikanischen Unternehmer aus New York, der sie nach dem Bankrott der Brown Inc. 1926 veräußerte. Seitdem erschien das Bild nicht mehr auf dem Kunstmarkt: man vermutete, daß es zerstört wurde. Daher hat dessen plötzliches Auftauchen auf der Septemberkunstauktion bei Sotheby’s ein großes Interesse der Sammler der früher italienischen Renaissancemalerei hervorgerufen.

I
Der Fall des Magiers Hermogenes

Das obere Viertelteil des linken Flügels des Jakobus-Triptychons aus dem Dominikanerkloster auf Monte Oliveto bei Otranto

Zu jener Zeit – lesen wir bei dem heiligen Prokopius von Narses – lebte im zilizischen Land ein Zauberer mit Namen Hermogenes, der, nachdem er seine Seele den Dämonen verkauft hatte, große Wunder vollbrachte und Anhänger unter dem Pöbel gewann. Als der heilige Jakobus an den Toren von Zilizien stand, erfuhr er im Hause eines frommen Weibes namens Asparchia, daß Hermogenes Christen und heilige Männer verspottete. Daher zog der heilige Jakobus bunte Gewänder an und ging zum Forum, wo man mit Vieh handelte, und gab sich dort für einen reichen Kaufmann von Bithynien aus. Die Jünger von jenem [Hermogenes] witterten Geld und brachten ihn zu ihrem Meister, derselbe aber versprach, daß er sich für zweihundert Talent in Silber in die Luft erhebt, in Anwesenheit der Menge. Er stellte sich auf den Hügel beim Atridengrab, sprach einen Zauberspruch und flog nach oben. Alsdann kniete der heilige Jakobus, noch in den Kleidern des Kaufmanns, an einer Holztruhe, die ihm als Altar dienen sollte, und sprach Gebete. Und plötzlich ließ sich ein großer Schrei hören unter den Menschen, denn an der Seite des Hermogenes erschienen scheußliche Dämonen, die ihn trugen. Sogleich auch ließen sie ihn mit schrecklichem Gequitsche los und flogen zur Seite; die Gewände des Magiers brannten mit hellem Feuer auf und er fiel nackt ins Meer, in dem er ertrank. Und seine Leiche wurde zum Fraß den Fischen und den Wasserschlangen gegeben.

Nein, man kann das nicht anders erzählen als nur so: ein Meer, blau und weit; am Meeresufer das Granitgrabmal des Apollodoros des Atriden, in der Ferne, auf einer Insel, große Ruine des Eumenidentempels auf der Insel Paxos, der, drei Tage davor, von dem heiligen Jakobus verflucht, innerhalb eines Abends in kalten Gewässern versank; jetzt leben dort nur Seeschlangen und böse Geister und nachts brennen grüne Feuer, die die zertrümmerten Säulen und die angeschlagenen Statuen der Gottheiten beleuchten.

Jetzt ist aber Tag und das blasse, kühle Licht legt sich auf die Kuppel des Grabmals, auf die fernen Wände, auf die Mauern, auf den Sand und auf die Kleider des angeblichen Kaufmanns von Bithynien, der am Fuße des tragbaren Altars kniet. Er hat den Opferwein ausgetrunken, den Kelch umgedreht und ihn auf die Truhe mit dem Boden nach oben gestellt. Es ist leer um ihn: die Dämonen sind bereits in Sicherheit, außerhalb der Bildgrenzen, alle Bekenner des Scharlatans zerstreuten sich auf dem Strand. Die Jünger von Jakobus haben diesen Ort noch nicht erreicht, sie werden vom Triumph ihres Magiers über den anderen erst erfahren. Es gibt nur diese beide: den Heiligen, in einem rosa Wams und einer karminroten Mütze (darunter versteckt er seinen goldenen Heiligenschein) und den Magier, nackt und wahrhaftig in seiner Niederlage. Er schaut über die Schulter nach hinten, als ob er auf eine Rettung wartete, von den Göttern, zu den er sich bekannte - vergeblich. Sein Fleisch hat die Farbe einer durchfrorenen Haut, sein Körper nimmt die Gestalt einer Wasserleiche an.

II
Die Himmelfahrt des Magiers Hermogenes

Das Votivbild in der geheimen Kirche der Barbelognostikersekte in Piacenza

Fulvio da Piombino zitiert im „Häretikerhammer” das Fragment der verlorengegangenen „Geschichte des heiligen Mannes Hermogenes von Zilizien” aus der Feder von Strato: Sobald er spürte, daß sein Leben zu Ende geht, begab sich der heilige Mann Hermogenes in die Obhut von Poros, des Gouverners der Provinz, und lebte in seinem Haus, wo er seine Jünger empfing und mit ihnen die letzten Dispute führte. Nach zwei Monaten Abschied überließ er Poros seine gesamte Bibliothek und alle von Schreibern aufgeschriebenen Empfehlungen und Lehren, unter Vorbehalt, daß jener die Rollen jedem zum Lesen gibt, der nach dem Wissen durstet und aus dieser Quelle schöpfen möchte. Dann, ohne jegliche Begleitung, ging er zu den Mauern am Ufer, in die Nähe der verlassenen Isis [Kapelle] und hielt dort die letzten Rituale ab. Schließlich, nachdem er die Mitra abgelegt hatte, kniete er auf einem Knie, hob unmerklich sein Haupt und strecke seinen Arm nach vorne. In diesem Augenblick erschallte ein Ruf vom Himmel herab: „Hermogenes, mein Sohn und treuer Diener, so kehrst du ins Haus deines Vaters und deines Herren zurück”. Und viele Jünger - an den Fenstern des Poros-Palastes oder im Hafen oder in anderen Stadtvierteln - sahen, wie seine Seele, ganz nackt und rein, sich zum Himmel erhob, [und dann] versammelten sie sich an einem Ort und einer teilte diese Neuigkeit dem anderen mit, jeder sehr verwundert...

Nein, man kann das nicht anders erzählen als nur so: eine Mauer, grau und hoch, an der Mauer die fest verschlossene Isis-Kapelle, darüber entfernte Gipfel des Palastes des Statthalters Poros – eines Kunstförderers, eines Dichtermäzenen, eines Freundes von Magiern und Hellsehern. Wer mit einem Seher befreundet ist, lebt entweder im ewigen Kummer, indem er auf das ihm vorausgesagte Unglück wartet, oder in der übertriebenen Freude, durch die Gewißheit, daß die Stunde des Todes noch weit ist. Poros ist jedoch ein Weiser und weder quält noch freut er sich hemmungslos, sondern er hält in allem Maß, wie es sich für einen Bekenner geziemt.

Hermogenes kniet so, wie Strato es beschreibt und Fulvius wiederholt: auf einem Knie, mit erhobenem Haupt und ausgestrecktem Arm, so daß wir, wie es scheint, einen noch lebenden Menschen sehen – aber vor uns haben wir lediglich die leere Schale, den Lederschlauch mit trockenem Boden, die ausgebrannte Öllampe, das Fleisch, das am schwachen Skelett von Sterblichen hängt. Das, was Hermogenes war, ist er nicht mehr – er gleitet nach oben, schnell wie eine Perle, am Faden in die Luft gezogen, wie ein rosa Keks, an einer unsichtbaren Saite getragen.

Hermogenes ist ausschließlich die Seele. Und seine Seele ist nackt, jung und wohlgestaltet, denn das Gute wird mit dem Schönen belohnt. Sie hebt ihre körperlosen Arme, denn sie betet alles an: das Meer, den Himmel, die Erde, das Wissen, die Dummheit, ihre Jünger und ihre Verfolger; sie wendet ihr körperloses Haupt, als ob es voller Mitleid auf alle schaute, denen diese Weisheit nicht gegeben worden ist.

Abzug des Statthalters

Der Statthalter ist fort. Die letzten Kanzlisten verlassen die Amtshäuser, Ledermappen mit aufgedrucktem Wappen und vergoldeter Devise unter dem Arm. Die gründlichen Buchhälter der Signoria packen Grundbücher ein. Die Kutscher setzen sich auf die Böcke ihrer Kutschen.

Alle Straßen der Stadt sind leer, alle Fensterläden geschlossen, alle Tore zu; fort sind die Ratsherren in mit Bilchpelz gefütterten Mänteln (denn der Winter naht, der Wind bringt von jenseits der Berge eisige Luft), fort die Kurtisanen in Karossen ihrer Gönner (verdeckt hinter Fächern und einem Nebel der Nostalgie nach der Opernsaison), fort die Stoffwaren- und Gewürzhändler (um Flüsse zu überqueren und den Hof der Khanen zu erreichen, wo man Seide und Kassie, Nelken und Goldbrokat kauft); ihnen hinterher schleppten sich Lahme, Blinde und Bettler.

Die Stadt ist endlich für sich: Ziegel und Stein, kalt und grau wie Granit. Abends zeigt sie ihre großen Perspektiven, durch keine menschlichen Staffagen getrübt: verhüllte Palastfenster, Portiken der Kirchen, strenge Fassaden der Prokuratorie und der Gefängnisse. Kristalllüster zittern unter Lein in entferntesten Gallerien. Vergessene Perlen vergilben in Schubladen der Putztische, in tiefen Kellern durchfrißt der Schimmel Korken und Wein. Der November kommt, das Meer braust, der Frost bändigt die Erde.



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