Ein Gespräch über Teppiche und über den Anfang des Bildes

Ewa Klekot Spricht Ewa Klekot



- Nennst Du irgendwie das, was Du malst? Es geht nicht um den Titel, eher um eine Assoziation, das Verleihen eines individuellen Namens...

Ciro Beltrán Ciro Beltrán

- Ich male Abstraktionen. Man kann darin verschiedene Sachen sehen: vielleicht sind es Landkarten, vielleicht Pflanzen oder andere organische Formen. Aber in der Wirklichkeit haben diese Namen für mich keine Bedeutung. Ich versuche das zu malen, was in der Materie mittendrin lebendig ist; deren verborgenes Leben, das eine andere Form hat als sichtbare Bilder um uns. Ich möchte, daß diese Form sich selbst den Weg bahnt, ihn selbst bestimmt: endgültig,aber zugleich lebendig. Jedes Bild hat seinen Zielpunkt, man muß versuchen, ihn zu fassen, zu erkennen.

- Es hat einen Zielpunkt, aber auch einen Anfang. Wo fängt dein Bild an?

- Ich wollte immer einen solchen Ort finden, wo Bilder in der Stille in ihr Inneres schauen können. Es ist sicher da... wo die Form sich offenbart.

Ciro Beltrán Ciro Beltrán Ciro Beltrán

- Deine Arbeiten, obwohl sie abstrakt sind und, wie Du sagtest, an das ganze Imaginarium organischer Gestalten erinnern, aber für mich dieselbe Poetik der Form, die man in der präkolumbianischen Kunst finden kann...

- Denkst Du? Ich sehe dies nicht und es liegt mir wohl nichts an solchen „ethnischen” Assoziationen. Ich möchte nicht, daß es - aus der europäischen oder einer anderen Perspektive - exotisch wird. Aber vielleicht hast Du recht, vielleicht beeinflußt die Spezifik des Ortes, von dem man herkommt, tatsächlich immer die Formen, auf die uns die Intuition bringt.

- Wie soll man also Deine Bilder betrachten?

- Ich möchte, daß der Zuschauer verantwortlich oder eher mitverantwortlich ist. Daß er die Zerbrechlichkeit des Bildes, seine Vergänglichkeit, Veränderungen, denen es unterliegt, sein Innenleben wahrnimmt; daß er sich dessen bewußt ist, woran er sich durch bloßes Betrachten beteiligt. Ich führte solche Experimente mit Zuschauern in Santiago durch. Seit 1985 malte ich Murales. Es war eine Serie von Mauerbildern in einer Straße; die Passanten konnten beobachten, wie sie entstanden, dann verwandelten sie sich vor ihren Augen. Ich wollte, daß die Zuschauer beginnen, auf die Bilder, auf die in ihnen vollzogenen Veränderungen zu reagieren, daß sie das Bild als eine Art Dialog betrachten. So war es in Santiago. Natürlich ist der öffentliche Raum etwas Anderes als das Innere einer Galerie, er regt zu solchen Aktivitäten an. Außerdem erlebten wir in Chile damals, in den 80ern, ein besonderes Klima, eine Zeit der aktiven Gesellschaft nach einer langen Periode der strengen Diktatur. Das war auch die Zeit meines Studiums und meines Engagements in das, was um mich geschah. Übrigens, der städtische Raum ist für mich immer noch sehr inspirierend, ich finde darin immer wieder ein neues Material für Bilder.

- Zum Beispiel Teppiche, auf die Straße weggeschmissen...

- Die Teppiche, das war schon ein anderes Projekt, es ist erst in Deutschland entstanden. Mich faszinierte eine Bürgerinitiative, die die Deutschen „Sperrmüll” nennen. Es besteht darin, daß in jedem Wohnviertel einmal im Monat die Bewohner alles auf die Straße stellen können, was ihnen unbrauchbar scheint und was sie loswerden wollen: Möbel, alte Spielzeuge, elektrische Geräte, Topfpflanzen, Vorhänge, Auslegewaren und Teppiche... Es geht nicht nur darum, daß die Straßen zu dieser Zeit anders aussehen; es ändert sich auch ihre Existenzweise – die intime Welt der Wohnungen landet auf dem Pflaster. Der Hausrat beherrscht die Außenwelt; dieses Fest ist aber nicht von Dauer – die Parade geht lediglich bis zum nächsten Tag, denn am Morgengrauen wird alles auf die Müllhalde abtransportiert.

- Du hast also weggeschmissene Teppiche gesammelt, bevor die Müllwagen sie abgeholt haben...

- Ja, und ich malte darauf Bilder. Ich breitete sie aus, befestigte sie auf Blendrahmen und malte auf beiden Seiten, auf der Vorder- und Rückseite. Meistens waren es alte, beschädigte Auslegewaren: mit Kaffeflecken, angebrannt, mit Möbelabdrücken – sie trugen noch die Spuren ihres früheren Lebens. Ich wollte, daß diese Spuren sich mit der Abstraktion überschneiden, die ich darauf malte. Ein Teppich bleibt ein Teppich, aber eine Abstraktion verdunkelt und quasi verbirgt seine Bedeutung als Teppich, betont das Geheimnisvolle seiner scheinbar banalen Existenz, die mit Kippenspuren aufgeschrieben wurde.

- Ist es genauso mit Deinen anderen Arbeiten? Mit den Staffeleibildern, mit der Grafik? Sollen sie auch etwas verbergen und ein Geheimnis preisgeben?

- Ich habe es Dir bereits gesagt: es sind Abstraktionen. Ob Du die Bilder oder die Grafiken betrachtest, Du findest dieselbe Formwelt. Natürlich zwingt die Technik manche Lösungen auf und bewirkt, daß Du auf andere verzichtest, aber dies ist nur – na ja, die Technik. Meine Bilder sind Abstraktionen, sie sind – es ist mein Wunsch – eine Art Vorahnung der inneren Form, intuitiv enträtselt mit Hilfe von Linie, Farbe, Faktur, von alldem, das Du siehst – der sichtbaren Form des verborgenen Inneren.



Ausgewählte Werke

    • Painting T-9872

      • Medium: Oil on Canvas
      • Size: 86 x 107 centimeters
      • Price: PLN 9000

    siehe das gemälde

    • Mapa mundi

      • Medium: Acrylic on Canvas
      • Size: 80 x 95 centimeters
      • Price: PLN 5000

    siehe das gemälde

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