Präzision der Kontemplation

Łukasz Kossowski Von Łukasz Kossowski

Andrzej Sadowskis Studium an der Staatlichen Hochschule der Bildenden Künste in Łódź verlief im Zeichen der geometrischen Abstraktion. Götter waren damals die Professoren, die, wie man böse zu sagen pflegte, nur "mit dem Lineal" malten. Aber was soll damit ein Künstler mit der Seele eines Realisten, der in einer Zeit zu leben hat, welche noch im infamen Schatten des Sozrealismus steht? Statt die Welt nach geometrischen Regeln zu konstruieren, muss er nach anderen Vorbildern suchen. Als genialer Zeichner kann er ja in jeder beliebigen Stylistik arbeiten. Er muss nur seinen eigenen Weg finden.

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1974, vier Jahre nach der Diplomprüfung, zeigt er seine Werke in einer Ausstellung. Man kann erkennen, dass ihn der Expressionismus und bestimmte Inhalte anziehen. Er sucht nach dramatischen und katastrophischen Themen, wie dem Krieg, und setzt sie mit dem zerstörten mythischen Arkadien, einem Arkadien nach der Apokalypse, zusammen und verwendet dabei kontrastierende Farbenkombinationen. Die andere Seite seines Schaffens sind realistische Stillleben und Porträts. So beginnt sein Flirt mit dem Surrealismus, der Einstieg in den metaphorischen Expressionismus und magischen Realismus. Dann schwingt das Pendel in Richtung Realität. Es erscheinen neue Vorbilder, wie der beunruhigende Realismus von Jerzy Krawczyk. Allmählich verblasst bei Sadowski die Deformation der Figuren. Jetzt malt er glatt, vor allem mit Acryl. Er bedient sich der Fotografie, schafft objektive, scheinbar kühle Reportagen vom Alltag. Er malt Porträts von Politikern, Sportlern, Arbeitshelden. Im Zentrum seines Interesses bleibt der Mensch, das konkrete Geschehen, an dem er teilnimmt, sein ausdrucksstarkes Gesicht, geschlossen im Standbild der Zeit, entnommen einer Zeitung oder einer Nachrichtensendung im Fernsehen.

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Gerade dann, in den frühen 70er Jahren, beginnt der Fotorealismus. Der erste Kontakt mit ihm erfolgt in der amerikanischen Galerie von Louis K. Meisel in New York. Erleuchtung. Die Hochglanzmagazine zeigen die Reproduktionen von Meistern dieser Richtung: Chuck Close, der ständig mit der Form experimentiert und dessen Porträts Fotos imitieren; Davis Cone und Robert Cottingham, die mit dem Pinsel obsessiv den Straßenverkehr, das Pulsieren der Theaterreklamen und Neonlichter in der Sonne, im Regen und im Nebel fotografieren, die Eleganz von Filmzeichen und Schriftzügen der Werbung abbilden; schließlich, von Sadowski besonders geschätzt, Richard Estes und seine panoramischen Darstellungen von Städten Amerikas, von Rom, Paris, Florenz – quasi Totalen, die den Rahmen des Bildes zu sprengen scheinen. Ihm widmet Sadowski sein Werk "Düsseldorf - Rolltreppe, Hommage an Richard Estes" (1978). Der Fotorealismus, aus der kommunistischen Perspektive gesehen, mußte mit seiner strengen, sterilen Poetik, Präzision, seinem Schwung und schließlich mit dem Thema selbst – der modernen westlichen Zivilisation - begeistern. Sadowski folgt dieser Spur. Seine Kunst übernimmt die Rolle eines transparenten Mediums, das das Bild der Realität überträgt. Aber auch in diesen scheinbar objektivierten Arbeiten ist die individuelle Wahl des Motivs und die Markierung des subjektiven Beobachtungspunktes sichtbar. Laut Grzegorz Sztabiński bringen Sadowskis Werke einen dazu, "die Überzeugung über die Objektivität des fotografischen Bildes infrage zu stellen." Der Künstler verlässt endgültig den bisherigen Weg und beginnt seine große romantische Reise, die ununterbrochen bis heute andauert. Es konzentriert sich auf Landschaften: zum wichtigsten Thema wird die Vedute, die Schönheit der  Architektur und in ihr festgehaltene Geschichte.

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Der Kommunismus hat Polen zerstört, die Gesellschaft homogenisiert und pauperisiert, indem er sie in einer Art Parodie von Corbusierismus - in Zementkäfigen des Plattenbaus - einsperrte. Rund um die großen Städte vegetierte die Provinz. Geblieben waren aber noch das alte Łódź, das herrliche Zentrum von Kraków, das alte Wrocław, Teile von Zamość und Lublin. Nun werden sie bei Sadowski zum Thema seiner Bilder. Und dann die ersten Besuche in Prag, Göttingen, Kassel, Berlin, Brüssel. Von der Unwirklichkeit der Volksrepublik Polen flieht der Künstler in die Unwirklichkeit des Westens.

Er malt Straßen der Städte, Autos, Motorräder. Er hält sich für einen Dokumentaristen. Aber das ist nur Trotz. Ein Laie könnte meinen, dass die Kunst keinen ontologischen Status besitzt, der anders wäre als der der Natur, dass die Malerei sich von der perfekten Fotografie und die Fotografie wiederum von der Natur nicht unterscheidet. Aber unter Tausenden von Fotos wählt der Künstler ja nur diejenigen, die ihn interessieren, begeistern, rühren, er sucht nur Fragmente der Landschaft aus, mit denen er ins Gespräch kommt. Und dann, während des Malens, wird die direkte Beobachtung durch die Erinnerung ersetzt, und jene richtet sich nach ganz anderen Gesetzen. Jetzt tritt die Wahrheit der Natur vor der Wahrheit der Kreation und vor der entstehenden immanenten Werkstruktur zurück. An den Rändern der Komposition erscheinen fragmentarisch dargestellte Autos oder Motorräder, die, wie Fußgänger oder Wagen bei Bonnard, aus dem Bild fliehen. Woanders zeigt sich im Vordergrund ein pointillistisch gemaltes Fragment einer Kalksteinwand, auf die die Sonne scheint. Ähnliche Effekte lassen sich in der Arbeiten von Zbysław Maciejewski finden. In diesem Stadium ist der Bezugspunkt nicht mehr die Natur, sondern die Kunst, die mit sich selbst in den Dialog tritt. Große Grand Tour. Die engen Gassen von Aachen, Heraklion, Venedig, von Städten in der Bretagne und auf Kreta. Diese Veduten stehen den ein Jahrhundert älteren graphischen Landschaften von Jan Rubczak und Józef Pankiewicz näher als den Bildern der amerikanischen Fotorealisten. Auffällig ist das Echo von Hopper, Chirico, Monet.

Sadowski begeistert sich für das Thema und den Ort. Der dunkle, blaue, kompakte Körper von Mini Cooper vor dem Hintergrund der sonnenbeleuchteten rosa Wand in Carpentras, mit ihrem abblätternden Putz. Ein Objekt wie Tausend andere. Aber dieser wurde zur Morgenstunde gesehen, wenn das Blaue des Himmels noch nass, wenn alles noch die reine Hoffnung ist. Die Glocke von der Kirche nebenan. Bald beginnt der Trüffelmarkt. Um all das zu sehen, muss man sich zuerst auf den Weg machen, den Alltag hinter sich lassen, alles vergessen, sich auf den Bordstein setzen, um die Wand zu betrachten. Sadowski, wie einst die japanischen Meister, kombiniert miteinander die präzise Beschreibung der Natur mit deren Kontemplation. Und es ist diese Verbindung, die das Wesen seiner Malerei ausmacht.



Ausgewählte Werke

    • Venice, Ponte San Pantalon 1999

      • Medium: Acrylic on canvas
      • Size: 92 x 65 centimeters
      • Price: PLN 14000

    siehe das gemälde

    • Carpentras, blue Mini and the study of pink wall 2007

      • Medium: Acrylic on canvas
      • Size: 100 x 70 centimeters
      • Price: PLN 15000

    siehe das gemälde

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