Das Tegebuch

Tomek Lipko Von Tomek Lipko

24.08.2002

Wenn man Wachs zur Farbe hinzufügt erzeugt das einen Matt-Effekt mit einem unkontrollierten Lichtreflex. Die Oberfläche solcher Bilder ist gegen jeden Kratzer empfindlich. Jede Ritze würde eine Zerstörung des Ganzen bedeuten. Von vorne malen. Ich kann das nicht immer wieder meinen Fahrern und Boten erklären. Ich will auch auf gar keinen Fall Konservatorin meiner eigenen Bilder sein. Man muss sie wie Babys behandeln. Folien und andere Schutzmaßnahmen reichen hier nicht aus.

Anna Podlewska

03.09.2002

Ich träume von einem Fahrer, der mein Bild in weißen Handschuhen trägt. Am Nachmittag fing ich an, eine Operation an einer zerstörten Leinwand durchzuführen. Wenn ich ein Leben übermale, gibt es keine Garantie, dass das neue besser wird.

20.09.2002

Es war, als ob mein letztes Bild zu mir sagen würde: „Mal mich nicht mehr, ich habe genug von dir“. Ich fange an, die Farben immer mehr zu provozieren. Es gibt jetzt das schönste Licht im Jahr, obwohl immer kürzer. Eine Explosion vom Kadmium-Gelb im Wald. Mein Kind bekommt eine echte Photo-Session auf der Wiese. Wir spielen Verstecken.

Anna Podlewska

01.10.2002

Ein Bild fing an zu leuchten. Ich mag diesen Augenblick nicht, obwohl es das Ende der Arbeit bedeutet. Das Bild wird mir fremd. Ich war Mal paranoid darüber. Als ich schwanger war und mein Kind sich zum ersten Mal in meinem Bauch bewegte, überfiel mich ein ähnlich kalter Schauder. Es fing sein Leben an und ich konnte nichts mehr ändern.

04.11.2002

Wir verdichten die Gartentür und schließen uns drin vor dem Winter. Immer häufiger nähern sich unserem Haus wilde Tiere. Vorgestern schaute ein Reh durch das Fenster im Kinderzimmer. Versucht uns jemand ein Zeichen von der anderen Seite des Spiegels zu geben? Ich warte auf den weißen Hasen.

Anna Podlewska

10.12.2002

Manchmal betrete ich ganz leise mein Atelier um zu sehen, wie meine Bilder leben. Atmen sie? Und wieder necken sie mich. Mein Junge hatte einen Allergieanfall. Mir schien, als ob mich die Bilder fragten, ob das die Farben wären. Es stellte sich heraus, die Allergie ist gegen alles Mögliche. Oder, fast alles. Sein Körper öffnete sich, seine Wunden wollten nicht heilen. Er weinte und ich mit ihm. Und dann erinnerte ich mich daran, dass ich ganz am Anfang, im Frühherbst, die Bilder ihm widmete.

20.12.2002

Seit Jahren entwickeln sich Weihnachten zu einem kommerziellen Spektakel und wie jedes Jahr erschreckt mich das. Die nach einem Jahr geöffneten Schachteln mit Weihnachtsdekoration beschimpften mich mit allen möglichen Farben. Leon bekam von mir nicht nur ökologische Spielzeuge, sondern auch ein Bild vom letzten Jahr. Sie werden beide zusammen reifen. Ich fühle mich nicht wohl, wenn es schon um fünfzehn Uhr dunkel wird.

Anna Podlewska

10.02.2003

Vor einer Woche übermalte ich verzweifelt ein Leben. Ich glaube fest daran, dass das zweite besser wird, aber seit dieser Zeit war ich nicht imstande, ein einziges zu Ende zu malen. Ich werde mich ihm nach einiger Zeit wieder widmen.

21.03.2003

Letzte Woche erleuchteten zwei Bilder. Wojtek kam zu uns und nahm beide mit. Wir sprachen über die Ausstellung. Ich mag es nicht, wenn er über meine Arbeit redet. Er sagte, es gäbe Krieg in Irak. Am Nachmittag schaltete ich das Radio ein – er hatte Recht. Meine Bilder sind in den Krieg gezogen.

Anna Podlewska

01.04.2003

Schlecht geschlafen. Meine alten Bilder kehren zu mir zurück. In der Nacht denke ich darüber, was mit den Paar Bildern passiert, die ich verkaufte. Wen reizen sie jetzt? Was werden sie sich noch erlauben? Ich frage mich in wie weit ich ihnen noch vertrauen kann, wo sie mir gegenüber den Gehorsam kündigten. Beim Malen versuche ich alle negativen Emotionen durch mich zu filtern, manchmal tut es fast weh. Immer häufiger stelle ich fest, dass ich nicht alles behalten kann.

04.05.2003

Kleinigkeiten waren mir immer ein Dorn im Auge: die Farbzusammenstellung der schmutzigen Wäsche wenn ich die Maschine fülle, Geldscheine auf den bunten Kiosk-Plättchen. Es gab eine Zeit, da besuchte ich in Madrid wie eine Süchtige Museen und Galerien. Ich verbrachte dort ganze Tage und studierte genau die Bilder. Ich sitze mit Leon in dem blühenden Garten, unter der Mai-Sonne und alles stört mich. Sein heller Haarschopf reizt die hellgrünen Stachelbeeren. Das Haar meines Kindes kämmte ein ganzes Stachelbeerbeet aus. Ich fühle mich wie in einem honiggefülltem Aquarium. Wie gut ist es eine frisch bezogene Leinwand immer parat zu haben!

Anna Podlewska

20.06.2003

Dem Kind geht es besser, obwohl es strikte Diät halten muss. Je mehr es rennt, desto schwerer fällt es mir zu malen. Früher war der Tag von dem Sonnenlauf geregelt, heute ist er den Bewegungen meines Kindes unterstellt.

Wir machen Fahrradausflüge. Heute war ich von zwei bunten Schmetterlingen angetan. Ein fantastisches Motiv, es erinnerte mich an das Biologie-Lehrbuch aus der zweiten Klasse der Oberschule. Nach einer Weile fingen sie an, mich zu irritieren. Manche Kontraste stören mich immer stärker.

28.06.2003

Ich malte zu Ende die Bilder für die Ausstellung. Ich habe den Eindruck, es fällt mir schwer auf die Welt zu schauen. Ausgerechnet jetzt, wo die Ferien anfangen! Ich möchte mich nach der Ausstellung ausruhen. Vielleicht nutzen wir die letzte Gelegenheit, dass der Kleine noch kostenlos fliegen kann. Wir blättern in Reise-Prospekten um.

30.07.2003

Zum ersten Mal seit fünf Jahren an der Ostsee. Die Preise wie in Italien. Mich interessiert, wie der Urlaub in meinem Atelier aussieht. Heute, als ich Spielzeug vom Strand sammelte sah ich neue Bilder. Ich spürte wie die Farben ihre Reise anfingen.



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