Die Enfilade

Małgorzata Czyńska Von Małgorzata Czyńska

Die Grenzen zwischen Erinnerung und Phantasie sind seit langem verwischt. Woher also kann er sich an diese Reihe von Räumen erinnern? Vielleicht hat er die Geschichte des Hauses selbst erfunden, indem er sie auf jedem nacheinanderfolgenden Bild darstellte, bis sie lückenlos, logisch und so sicher wurde, dass er an sie glaubte, weil er glauben wollte?

Adam PatrzykAdam PatrzykAdam PatrzykAdam PatrzykAdam Patrzyk

Keiner hat je das Bauprojekt des Hauses bestellt, die Miete gezahlt und in den Öfen geheizt, dennoch ging er aus einem Zimmer ins andere, machte die aufeinanderfolgenden Türen auf, konnte sich keine Gesichter der Hausgenossen ins Gedächtnis rufen – und trotzdem spürte, dass es sie gab.

Er erinnerte sich gut, wie der Dampf im Badezimmer den Schrei des Kindes abschwächte, das jemand mit von der Hitze geröteten Händen mit einem weißen Laken umwickelte. „Ja, es mußte da ein Kind geben, ein Haus ohne Kind ist wie ein Gesicht ohne Augen”, redete er sich ein.

Die große Badewanne war wie geschaffen für intime Situationen, im Geräusch fließenden Wassers hörte er, mehrmals, das Lachen einer Frau und eines Mannes. Er sah sie nicht – er würde sich nicht erlauben, die Tür aufzumachen, durch die Spalte über dem Fußboden strömten Streifen von Weiß und der Geruch des Seifenschaums. Dann setzte sich derselbe Dampf auf dem steinernen Fußboden ab und zwang die Bewegungen des Greises zu übertriebener Vorsicht. Er hatte Angst um ihn, um sich. Erst nachdem er sich auf das Eisenbett im Schlafzimmer gesetzt hatte, atmete er erleichtert auf, dass er es noch einmal geschafft hat, jetzt nur noch schlafen, wenn man einschlafen kann.

Die Vergänglichkeit wickelte sich zart um jede Hausecke.

Hier ist wohl keiner je gelaufen, hat mit der Tür geschlagen, in den Fensterscheiben spiegelte sich immer die dunkelblaue Nacht wider. Oder vielleicht war dieses Haus so nur in seiner Erinnerung. „Es gab doch ein Kind”, dachte er und versuchte, in die jäh allgegenwärtige Stille das kindliche Getrampel, die Schritte der Liebenden und den schleppenden Gang des Greises einzuführen.

„Es ist meine Schuld”, sann er. Möglicherweise bedeutete das Musikzimmer in anderen Erinnerungen kein verworfenes Cello, das er nie wagte, ins Futeral zu legen, in Gewißheit,  dass er kein Recht dazu hat, dass dieser Verstoß den abwesenden Musiker geärgert hätte.

Die Bibliothek schüchterte ihn ein. „Erhabene Regale”, dachte er. Er kannte alle Bücher, obwohl er sie nie las, er fuhr nur mit seiner Hand an ihren Rücken entlang, indem er die Regale umkreiste. Er wurde immer sicherer, eine Wärme zu verspüren.

Manchmal stand er an der Wand gegenüber dem Fenster und schaute aus der Entfernung auf die benachbarten Häuser, überlegte, wie dort die Badezimmer, die Salons, die Bibliotheken wohl aussehen mögen, was für ein Leben sich woanders abspielt, wenn überhaupt, denn nichts war sicher in der dunkelblauen Nacht – es gab nur den Boden unter den Füßen und die Wand, die den Rücken stützte. Dann machte er leise alle Türen zu.

Er wußte, dass er wiederkommt.



Ausgewählte Werke

    • Last floors

      • Medium: Oil on Canvas
      • Size: 73 x 65 centimeters
      • Price: PLN 8000

    siehe das gemälde

    • Titanic

      • Medium: Oil on Canvas
      • Size: 186 x 136 centimeters
      • Price: PLN 26000

    siehe das gemälde

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