Malerei, Mathematik und Kriminalromane

Bogusław Deptuła Spricht Bogusław Deptuła



Sie sollten gar keine Malerin werden, haben eine Aufnahmeprüfung für ein Mathematikstudium bestanden. Es war das Jahr 1933...

Seit der frühesten Kindheit wußte ich, daß ich Künstlerin werden wollte. Mein Vater, der mit den Bacciarellis verwandt war, konnte selber gut zeichnen und träumte davon, daß ich eine Porträtmalerin werde, wie unser berühmter Vorfahre. In der kleinen Stadt, in der wir lebten, schickte er mich in einen Malkurs. Beim Abitur wurde ich in der Mathematik geprüft und die Lehrer, mit meinen Ergebnissen zufrieden, haben mir ein Mathematikstudium vorgeschlagen. So ist es geschehen. Aber dieses Studium langweilte mich sehr, also schrieb ich mich in einer Zeichnerschule ein und war bereits im nächsten Jahr Studentin an der Malereifakultät der Warschauer Kunstakademie. Zunächst bei Edward Kokoszka, dann beim Prof. Mieczysław Kotarbiński, der später während der deutschen Besatzung ums Leben kam. Das Diplom machte ich schon nach dem Krieg bei Felicjan Szczęsny-Kowarski.

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Ich wollte malen, aber mußte von irgendwas leben, also beschäftigte ich mich mit Webekunst. Ich arbeitete für die nach dem Krieg reaktivierte Künstlerkooperative „Ład”. Ich war viele Jahre lang eine ihrer Hauptdesignerinnen, machte viele Projektzeichnungen und Muster für Unikattextilien. Ich interessierte mich für Jacquard. Unsere Jacquards schmückten Repräsentations- und öffentliche Innenräume. Meine waren in den Sälen des Kulturpalastes, der Warschauer Philharmonie, des Grand Hotels zu sehen. Ich hatte sehr viel zu tun, u.a. hielt ich als Dozentin Vorlesungen an der Kunstakademie, jedoch sehr kurz, denn man feuerte mich, nachdem die Kommunisten meinen Mann, einen Aufständischen und Soldaten der Heimatarmee, festgenommen hatten.

Um Ihr Studium an der Kunstakademie nochmal anzusprechen: wer war da für Sie wichtig, neben dem schon erwähnten Kotarbiński?

Vor allem der Professor Wojciech Jastrzębowski. Er hat mir wirklich viel beigebracht. Komposition, Schriftkunst, die ich schließlich gut beherrscht habe, obwohl ich sie nicht besonders mochte. Er hatte uns immer etwas Interessantes zu vermitteln. Ich war auch im Zeichnerkurs im Atelier von Tadeusz Kulisiewicz, danach bei Tadeusz Pruszkowski. Dort freundete ich mich mit den Mierzejewskis und mit der Tochter von Władysław Skoczylas an. In meinem Jahrgang waren einige jetzt herausragende Künstler: Henryk Tomaszewski, Halina Centkiewicz-Michalska.

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Dachten Sie bereits an der Akademie, Malerin zu werden oder wollten Sie vielleicht eher zum Design übergehen, also zu dem, womit sich Jastrzębowski befaßte?

Ich wußte immer, daß ich Malerin werde und träumte immer davon, möglichst viel zu malen. Aber diese Träume haben sich relativ spät verwirklicht. Ich hatte Verpflichtungen gegenüber meiner Familie und mußte Geld verdienen. Es gab Zeiten, als ich gleichzeitig drei Stellen hatte. Ich unterrichtete in einem Gymnasium, in einem Malkurs, dann kurz an der Kunstakademie. Ich war eine strenge Lehrerin, aber ich mochte meine Schüler und ich denke, daß ich ihnen viel beigebracht habe. Ich nahm sie mit ins Museum, wir gingen aus, um die Ruinen der Altstadt zu malen. Später hat es sich erwiesen, daß sich unter diesen jungen Leuten ein paar begabte Künstler fanden, z.B. Zbigniew Makowski. Nachdem mein Mann festgenommen worden war, verbot man mir, an der Kunstakademie zu arbeiten. So habe ich begonnen, für „Ład” tätig zu sein.

Stimmt das, daß Sie auch Ryszard Winiarski unterrichtet haben?

Es war im Malkurs im Kulturhaus Muranow. Dann scherzte er, daß ich ihm das Leben kaputt gemacht habe, indem ich ihn in die Richtung Malerei drängte. Er hat die Technische Universität absolviert, aber er wollte zur Kunstakademie. Er war ein nicht schlechter Kolorist, hatte ein gutes Gespür für Farbe, ich besitze einige seiner Früharbeiten. Also es lag an seiner Ingenieurbildung, daß er sich für solche und nicht andere Malerei entschied. Mir scheint, daß die Malerei sich irgendwie mit Mathematik verbindet. Für mich muß ein Bild logisch sein, keineswegs eine reine Phantasie.

In der Sozrealismus-Ära haben Sie nicht viel gemalt. Diese wenigen Landschaften oder Stillleben aus den 50-ern wirken wie ein etwas gezähmter Kubismus, das Phänomen, das man umgangssprächlich pikasy nannte.

Ja, im Gegensatz zu meinem Vater - der, wie ich schon sagte, immer wollte, daß ich Porträts male - hatte ich eine Neigung zur Abstraktion. Die Porträts haben mich nicht interessiert. Übrigens waren die 50-er und die 60-er eine sehr schwere Zeit. Ich mußte damals die Malerei leider als Nebensache betrachten. Ich hatte keine Zeit, frei zu malen. Dafür zeichnete ich viel, was ich auch sehr mochte. Ich habe viele Zeichnungen von damals, von dem noch zerstörten Warschau, Danzig und anderer Städte.

Es hat sich ein sehr interessantes Bild erhalten, das Sie vor Jahren gemalt haben; auf ihm erscheinen bereits diese charakteristischen kleinen Vierecke. Das Bild ist in drei koloristische Felder geteilt: Grau, Schwarz und Grau. Darein führen Sie koloristische Akzente in Form von kleinen Vierecken. Woher diese Idee?

Ich kann momentan nicht sagen, wie das begann. Es waren die 60-er. Es war keine Inspiration durch einen Künstler, ich nahm mir niemanden als Vorbild. Die Ideen kommen von alleine zu mir. Manchmal denke ich, daß nicht ich diejenige bin, die malt, sondern meine Hand. Ich habe natürlich ein allgemeines, grundsätzliches Konzept, z.B. ein koloristisches. Ich sehe das Bild noch bevor ich es gemalt habe, aber wenn ich anfange zu malen, dann höre ich auf, daran zu denken und es wird mehr automatisch. Ich mache keine Skizzen, vielleicht nur eine kleine Notiz auf dem Papier, und danach überlasse ich alles meiner Hand. Der Hand und dem Auge.

Sind Sie viel gereist?

Meine erste Reise fand Mitte der 60er statt. Es war ein Ausflug nach Italien. Es wurden recht viele Künstler eingeladen, u.a. Pągowska, Tomaszewski, Fangor. Seitdem versuchte ich, möglichst viel zu reisen. Mich interessierten Mosaiken, die gewiß auch einen Einfluß auf meine Kunst hatten. Ich besichtigte also Monreale, Ravenna, Venedig. Ich mochte die Werke von Caravaggio sehr und suchte überall nach ihnen. Seinetwegen fuhr ich nach Sizilien. Mich interessierte auch die spanische Malerei, El Greco.

In Ihren Werken, die gleich nach dem Krieg entstanden sind, fiel die Tradition des Kolorismus deutlich auf, in diesem Geiste ist das Diplom bei Kowarski, aber dann erfolgte ziemlich plötzlich und schnell eine Wendung zur geometrisierenden Abstraktion, die sich aus kubistischer Teilung des Bildraums ergibt.

Ich versuchte auf dem Laufenden zu sein, schaute mir viele Ausstellungen an, z.B. im Institut für Propaganda der Kunst, wo ich oft hinging. Das hatte sicher einen Einfluß darauf, was ich machte. Ich traf mich mit vielen „modernen” Künstlern, sah Cybis, Tchórzewski, Stażewski und den ganzen um sie konzentrierten Kreis von Kritikern und Kunsthistorikern, wir haben viel diskutiert.

In den letzten Jahren haben sie sehr viel gemalt...

Ja, denn endlich habe ich Voraussetzungen und Ruhe für die Arbeit. Früher waren die Familie und berufliche Verpflichtungen am wichtigsten, jetzt ist das nicht der Fall. Endlich tue ich das, was ich will. Meine Katze bedarf keiner besonderen Pflege, also male ich ohne besondere Hindernisse. Oder ich lese Krimis.



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