Die Farbigen Linien von Majcherowicz

Zbigniew Taranienko Von Zbigniew Taranienko

Die meisten kleinen Bilder von Łukasz Majcherowicz aus den letzten Dutzend Jahren präsentieren sich auf den ersten Blick als Abstraktionen: in der Regel stellen sie Umrisse von Rechtecken dar, entstanden durch Linien, die sich manchmal zu etwas breiteren Streifen verdicken und frei geführt werden, jedoch keine Zweifel an den Absichten des Malers wecken. Im freien Feld werden am häufigsten noch weitere Markierungen dieser Art hinzugefügt - als Striche, die horizontal oder schräg, obwohl manchmal weiterhin vertikal verlaufen. Andere Arbeiten zeigen mäandernde Linien, die jedoch zu dicht sind, um ein bekanntes Ornament zu bilden, und nicht genug verwickelt, um ein vollständiges Labyrinth zu konstruieren... In dieser Zeit entstanden auch die Gemälde des Künstlers, die anders aufgebaut sind, aber davon gibt es relativ wenige.

Łukasz Majcherowicz

In den charakteristischen Werken von Majcherowicz fällt die Sparsamkeit der Komposition auf - oft begrenzt er sich auf Anordnungen von ziemlich freien Linien, die sich jedoch zu einem lesbaren Muster bündeln. Sie bilden eine Art Bordüren, werden zu Bändern, lassen Räume frei, in denen noch etwas Weiteres geschieht - oder, deutlich konzentriert, Strukturen von wenig ausgebauten Labyrinthen und Portalen formen. Neben den Anordnungen setzt sich die Farbkomposition in den Vordergrund. Es entsteht also der Eindruck, dass hier intensiv an der Koloristik gearbeitet wird - die Bilder haben einen gemeinsamen Ton.

Diese intimen Gemälde werden durch die Regeln der sichtbaren Anordnungen und darüber hinaus durch das Titelthema bestimmt: das ist aber noch nicht die volle Übertragung des vom Künstler beabsichtigten Inhalts. Man könnte sich denken, dass es nicht nur deswegen angegeben wird, um die Interpretation dieser Zuschauer zu beeinflussen, für die das bloße Formenspiel der Anordnungen von farbigen Streifen - auch bei der Wahrnehmung, dass die akzeptierten einfachen Regeln überschritten werden - nicht genug wäre: darin steckt die Methode der künstlerischen Vorgehensweise.

Verfolgen wir also, wie der Maler in den Bildern der letzten Jahre vorgeht, die jetzt in der Galeria ART ausgestellt werden - nicht um sie endgültig genau zu bestimmen oder zu interpretieren, sondern um die konsequent angewandten und dabei differenzierten Methoden zu verdeutlichen, mit denen der Künstler nach dem Ausdruck und nach der Bedeutung der von ihm gern dargestellten überschaubaren Anordnungen sucht - vielleicht auch deshalb, weil diese Arbeit sich unerwartet als sehr fruchtbar erwies. Natürlich erschöpft das, was wir in der Ausstellung sehen, nicht alle Erfahrungen des Malers, es ist auch kein Register aller Versuche von den letzten Jahren, obwohl die genannte Vorgehensweise gewiss für ihn wichtig ist: die Auswahlkriterien bei den Bildern für die Galeria Art wurden von dem Ausstellungskurator gesetzt.

Die Interessen des Künstlers sind vielfältiger als die gezeigten Werke - Majcherowicz beschäftigt sich gleichzeitig mit der Wandmalerei, mit dem Unterricht dieser Technologie und Techniken an der Warschauer Akademie der Schönen Künste sowie mit der Pflege von Gemälden und architektonischen Dekorationen in Kirchen und historischen Bauten. Die Staffeleimalerei ist der privateste Teil seiner Aktivität.

Die Hälfte der Bilder der Ausstellung präsentiert Serien von ineinander geflochtenen rechteckigen Rahmen: manchmal nicht vollständig geschlossen, oft mit stark kontrastierenden Farben gemalt. Mit den Betonungen durch die Komposition oder mit der Extrahierung einer von ihnen und mit einer kleinen Transformation der grundlegenden Anordnungen versucht Majcherowicz, sich dem vorgenommenen Titel der Arbeit künstlerisch anzunähern: eine visuelle Stütze zu schaffen, welche die Entstehung der damit verbundenen semantischen Assoziation fördern sollte. In den meisten ausgestellten Werken ist das deutlich.

In Die Glückwunschkarte wurde das kleinste, zentral gelegene Rechteck, das sich in Proportionen von den anderen unterscheidet, in warmem Rosa dargestellt und mit einer Reihe horizontaler Linien aufgefüllt - indem es an einen beschriebenen Zettel erinnert, führt er zum Titel. In Der Wald erscheint auf dem organischen ocker-braunen Untergrund des Gemäldes die Serie von symmetrisch verlegten, farbigen, vertikalen Linien, durch graue Striche getrennt: differenzierte Farben, kontrastbetont, können beim Betrachten den Eindruck von natürlichen Verstärkungen des Lichts oder der Bereiche des plötzlichen Dunkelns im Dickicht des Waldes simulieren. Die Gardine - von der Konstruktion her nicht mehr mit den konsequent geschlossenen Rechtecken, sondern mit den sie andeutenden Streifen eingefasst, die fragmentarisch den immer tiefer werdenden Raum des Fensters aufbauen - zeigt sich als eine flache Form, der die umgebenden Farben mit deutlicher Textur der Leinwand eine zarte graue Note verleihen. Der Spiegel exponiert dagegen - durch den Kontrast mit den ihn umrahmeden geschlossenen Rechtecken, einem blauen und einem roten - sein leuchtendes Weiß. Das Fenster, beschädigt und kantig, zeigt eine leere und schlichte, horizontal durchgeschnittene, wolkenbedeckte Winterlandschaft, so bescheiden wie das Fenster selbst. Ähnliche horizontale Teilungen mit Farben im mittleren Feld des Bildes multipliziert der Künstler in Die Landschaft: diesmal erinnert ein großer Fleck warmer Farbe zweifellos an einen heißen Sommer. In dem danach gemalten Bild Aussicht aus dem Fenster - wo das Objekt, das uns erlaubt, den im Titel angegebenen Inhalt zu sehen, so wie andere, also räumlich konstruiert wurde - hat der Maler bunte, schräge, unterschiedlich dicke Linien mit gegensätzlicher Temperatur eingeführt, was das Thema selbstverständlich dynamisiert. Die Diagonalen erscheinen auch im Werk Düne, Sand und Pigmente und in Der Regenbogen - jedesmal anders organisiert aufgrund des Titelthemas, der vom Autor erwarteten Assoziationen und nicht zuletzt der konkret angewandten Maltechniken.

 Es sind aber nicht alle Transformationen von Anordnungen, die als Serien von immer kleiner werdenden Rechtecken auftreten - Majcherowiczs Interessen beschränken sich nicht auf die Landschaften, die häufig in den Fenstern zu sehen sind. In Die Kanzel durchdringen die Systeme von rechteckigen, bunten Rahmen schräg die unregelmäßig fließenden Ströme des alles erhellenden Lichts - in diesem Fall ist das keine Anmutung des Sichtbaren, sondern eher dessen, was durch die von diesem Ort verkündeten Worte näher gebracht werden kann. In Der Lichtstrahl beinhalten die sich verkleinernden und unterschiedlich lichten blauen Rechtecke mit nicht besonders breiten roten Rahmen in ihrer Mitte einen schmalen orangenen Streifen - sie heben so eine Erscheinung hervor, die isoliert schwer bemerkbar wäre. Gleichermaßen symbolisch - als Licht - wurde mit Orange und Gelb Erzengel Michael markiert: an seinen Anführercharakter erinnern scharfe, unregelmäßige Farblinien, die bis zu den weiter liegenden bunten Feldern hinreichen. Ein ähnlicher Versuch, durch Farbe und Konstruktion der immer kleiner werdenden Rechtecke das Thema näher zu bringen, sind die Bilder Schwarzes Meer und Rotes Meer. In diesen Arbeiten geht es dem Künstler nicht darum, sich auf das Konkrete oder auf Kultursymbole geistiger Natur zu beziehen: beide große Gewässer sind ja blau. Majcherowicz befasst sich allein mit ihren Namen und mit dem interkulturellen Usus deren Verwendung. Noch mehr erkennbar wird die symbolische Darstellung des Wesens von weitaus größeren Phänomenen in dem ähnlich aufgebauten Diptychon Nepal-Indien (nicht ausgestellt): in diesem Fall war der topographische Kontrast hilfreich, der den Charakter von beiden Territorien beeinflusst.

Neben der Nutzung der Rahmenkonstruktionen von Rechtecken in anderen Bildern fühlt sich der Künstler seit Jahren von der ihnen naheliegenden Mäanderform angezogen, die die Straße absteckt, welche sich zentrifugal so gestaltet, um zu einer Art Labyrinth werden zu können - dadurch können die voneinander leicht abweichenden Inhalte entstehen. Der rote Mäander wird nur zum Anlass, eine Geräumigkeit aufzubauen; ein anderes Bild mit dem gleichen Titel zeigt zwei getrennte Mäander mit jeweils woanders gelegener Mitte - schon das bietet die Möglichkeit von anderen Interpretationen. Dessen weitere Varianten, die Bilder Manowczyk I und Manowczyk II , zwei miteinander verbundenen Mäander, drücken unterschiedliche Inhalte bei nur wenig umgestalteter Form aus. Das erste Bild zeigt die - je nach ihrem Ausgangspunkt - sich erweiternden oder verschmälernden Straßen, bei den in der Nähe Durchgänge von anderen liegen, deren Breite konstant bleibt und die zugleich die Ähnlichkeit der Ausgangs- und Zielpunkte betonen. Das andere unterstreicht nur den letzten Aspekt der Straße beim Nichtvorhandensein jeglicher formaler Veränderung. In der ausgebauten Komposition Polnische Landschaft nutzte der Künstler die Erfahrungen aus den Werken mit mäandrischen Übergängen und Rechteckkonstruktionen: es entstand ein kaum passierbarer, geschlossener, mehrstöckiger Raum, der sich auf eine unbekannte Tiefe öffnet und die verletzten Nationalfarben teilt. In diesem Bild vermittelt die Konstruktion metaphorisch und symbolisch den aktuellen Zustand der sozialen Gemeinschaft.

In der Malerei von Majcherowicz gibt es auch weitere Varianten der Rechteckkonstruktion: Gruppen von Portalen, wichtigen Eingängen und Toren. Schon ihre Form allein definiert jeweils eine Serie von symbolischen Topoi, in literarischen Beschreibungen und visuellen Darstellungen nicht weniger wichtig als Straße oder Labyrinth und seit langem in vielen Kulturen mytho- und ikonographisch genutzt. In der gezeigten Auswahl befindet sich Solarportal 2 (aus dem Zyklus Rotationen), das sich von den Arbeiten mit Rechtecken lediglich durch die Anwendung von Quadraten unterscheidet. Es zeigt ein mildes Leuchten einer in der Tiefe befindlichen Lichtquelle. Zudem betont das regelmäßig komponierte Werk Portal, welches den Eingang alleine exponiert, das Eintreten in das Dunkle und Unbekannte. Portal I spiegelt mit seiner erlesenen Farbkomposition eher die psychische Verfassung des Eintretenden wider, als etwas über den Charakter dieses Eingangs zu sagen. Schließlich erinnert Portal Nazi, ganz anders strukturiert, schon durch die Anordnung der Felder von farbigen Rechtecken, die in Braun übergehen, an die Tragik der Zeit seiner Dominanz; die Botschaft ist klar, aber ihre ganze Reichweite, in der angewandten Konstruktion enthalten, wäre vollständiger, wenn man in dem in der Ausstellung nicht vollständig vertretenen Zyklus Rotationen die Entwicklung dieser Form genauer hätte verfolgen können.

Den letzteren Zyklus repräsentieren zwei andere Werke: Portal 1 und Portal 2, die eine fragmentarische Fortsetzung von anderen, in der Ausstellung nicht berücksichtigten Kompositionen darstellen. Die Bilder selbst - in vertikalen und horizontalen Varianten - zeigen zwei Portale, so miteinander verbunden, dass kein Eingang dadurch möglich ist. An dieser Stelle sollte man kurz die wichtigsten Transfigurationen der Portale der Serie erwähnen, von dem Künstler Rotationen genannt und in der Ausstellung nicht vollständig berücksichtigt. In verschiedenen Kompositionen dieses Zyklus fällt zwischen den vier wechselweise aufgestellten Portalen immer mehr ein schwarz werdender Strich auf, der sie verbindet und gleichzeitig die Möglichkeit ausschliesst, in sie einzutreten. Er verwandelt sich immer deutlicher in das NS-Zeichen. In dieser Serie greift der Künstler, um den Inhalt hervorzuheben, vorwiegend auf noch einfachere Methoden zurück: er fügt vor allem den Strukturelementen neue Konstruktionen hinzu oder baut grundsätzlich die ganze Komposition um. Die Bedeutungen der Portale entstanden durch die Transformationen der Form von einzelnen Bildern; im Falle der komplexen Rotationen verbreiteten sich die Änderungen der Kompositionen auf diesen Zyklus, die Bewegung der verwendeten Formen rief Varianten des Inhalts hervor, welche eine Entwicklung von dessen darstellten, was bereits gesagt worden ist.

Łukasz Majcherowicz hat sich in der in der Galeria ART präsentierten Auswahl nicht auf die Serie der schon erwähnten Maßnahmen beschränkt: in anderen abstrakten Arbeiten, in denen er auch Linien benutzte, wie in dem auf der Quadratkomposition basierenden Werk Der Punkt, erlaubte er sich eine noch freiere Behandlung, genauso wie in dem dunklen Bild Die Nacht - mit Streifenstruktur und mit einem Bogen gekrönt - oder in Der Komet, zentrifugal aus differenzierten farbigen, sich fließend biegenden Linien bestehend. In der Arbeit mit dem Titel nach dem Drama von Witkacy - Die Unabhängigkeit der Dreiecke - führte er neben den titelgebenden Figuren unregelmäßige viereckige Formen ein; den Ausdruck des Gemäldes erzeugte hauptsächlich die Komposition der Farbe selbst. Das Gleiche geschah im Odysseus‘ Segel: der Künstler zeigt dort einen deutlichen, dunklen, unregelmäßigen Fleck, der wie eine Bedrohung des Schicksals des Helden wirkt, da er sich neben geometrisierten Formen befindet. Trotz der häufigen Verwendung dieser Formen behandelt Majcherowicz andere Bilder ganz wie ein Maler: zum Beispiel Die Pyramide, ein Werk im typischen Stil der ehemaligen metaphorischen Malerei. Und Melancholie wurde als Collage oder eher traditionelle Assemblage erstellt, geschaffen auf der Basis des “vorgefundenen Objekts“ - eines kleinen Fensterrahmens.

Der Künstler strebt ständig nach einer volleren Verwirklichung seiner Malerei; die aktuelle Präsentation seines „Besitzstandes“ sollte man als eine Etappe betrachten, obwohl ihre Bedeutung betont werden muss. Neben der Arbeit an schlichten, aber beeindruckenden Konstruktionen hat Majcherowicz auch die Grundlagen der individuellen, charakteristischen Koloristik geschaffen, die ihre Natürlichkeit nicht verliert. Das geschieht, weil sie den Eindruck von Organizität des Materials hervorruft: es ist für den Künstler offenbar essenziell, denn sogar bei der Herstellung von Pigmenten nutzt er - immer mit dem Blick auf seine wichtigsten künstlerischen Ziele - verschiedene Komponenten der Bindemittel. Er legt auch Wert darauf, die Qualität der Materie des Untergrunds - des Stoffes, der Platte oder des Bretts - sichtbar zu machen, indem er die einfachste Art, den Pinsel zu führen, beibehält: eine kontinuierliche, scheinbar gerade Linie, wie beim Anstreichen eines beliebigen Gegenstandes, dem funktionellen Beschichten einer Oberfläche mit Farbe. In diesem Fall verwendet er Technologien nicht im Übermaß - obwohl sie ihm besser bekannt sind als anderen Malern, die sich aus Gewohnheit nur der Acryl- oder Öltechniken bedienen - sondern eher versucht, in seinen kleinen Staffeleibildern auch die Qualitäten zu entdecken und zu nutzen, die für die Wandmalerei signifikant sind.

Er malt flach, matt, temperiert oft einfache, aber erlesene Farben mit Weiß und in der Regel sättigt sie nicht bis zum vollen Ton; je nach Bedarf vermeidet er nicht, sie zu dämpfen oder zu patinieren, obwohl er auch Schwarz oder Braun einsetzt, wenn er beabsichtigt, eine andere Stimmung oder eine Verstärkung des Kontrasts zu dem sich abzeichnenden Ton des sanften Leuchtens entstehen zu lassen. Majcherowicz erstellt verschiedene Farbskalen, nutzt Ocker, Braun, Rost, der in Rot übergeht. Er bevorzugt wärmere Töne, aber tiefes Grün, gesättigtes Blau und Farben von schlichten Stoffen werden von ihm auch verwendet. In den Bildern ist das Anliegen des Künstlers, die akzentuierte Farbenskala zu komponieren, sichtbarer als die persönliche Vorliebe: als in der Regel ausgewiesene Zusammenstellungen und die Art, den Kontrast einzustellen. Das wird selbstverständlich von der formellen Handhabung der zusätzlich koloristisch betonten Linie begleitet. Wir müssen anmerken, dass der Maler häufiger nach selteneren Zusammenstellungen, seltenerer Farbenwahl Ausschau hält; darin kann man auch die ständige Arbeit am Minimieren von Mitteln und Versuche sehen, die Farben ohne herkömmliche stereotype Tricks leuchten zu lassen. Majcherowicz kümmert sich um das Leuchten von Weiß, von warmen Tönen - Gelb, Orange, Rot, Rosa - und manchmal von Blau. Vielleicht liegt ihm mehr daran, das variable Leben der Farbe zu zeigen: wenn man seine Arbeiten aus der Distanz betrachtet, ändert sich deren Ton, die Farbkonflikte erlischen, verbinden sich zu neuen Harmonien, strahlen Ruhe aus - als ob das, was in Nahaufnahmen wichtig und dynamisch ist, sich in einer größeren Perspektive als weniger relevant, temporär und lokal zeigen würde. Das Betonen des Gleichgewichts, des Vorhandenseins der inneren Harmonie, auch wenn sie versteckt und entfernt ist, das Ruhebewahren gegenüber dem ständigen Wandel - all das gehört zu seinen Absichten.

Die Konstruktion wird durch die die Bilder gestaltende Linie unterstützt - ein Element ihrer Struktur, in der Malerei besser begreiflich gemacht seit der Einführung der Abstraktion in die europäische Kunst. Diese Tradition ist auch in Polen in vielen Varianten vertreten. Die Liste von verschiedenen Vorfahren der künstlerischen Vorgehensweisen von Łukasz Majcherowicz ist nicht schwer zu erstellen.

Vor fast hundert Jahren hat Wassily Kandinski, nach einer Vortragsreihe am Bauhaus, im Buch Punkt und Linie zu Fläche seine Schlussfolgerungen bezüglich der Grundtypen von Linien und deren Funktionen aufgeschrieben, vor allem in der Abstraktion, die sich geometrischer Formen bedient. Dabei entdeckte er deren verschiedene Bedeutungen im Bild und Verbindungen zur Farbe, was zum guten Ausgangspunkt für die Malerei von nachfolgenden Künstlern wurde. Kasimir Malewitsch versteckte in seinen Werken Linien von relevanten Richtungsspannungen im Raum und beschränkte sich darauf, die Formen durch die Ränder der Farben offenzulegen. Piet Mondrian teilte mit koloristisch neutralisierten Streifen die Energiefelder, dargestellt in Form von blauen, roten und gelben Rechtecken. Auf dem Boden der polnischen Kunst hat Władysław Strzemiński aus der Analyse des Dynamismus von kontrastierenden Linien, die im Barock vorherrschten - bei deren gleichzeitiger Inkohärenz mit Funktionen der koloristischen Komposition - über die Notwendigkeit schlussfolgert, die Linien neuen Typus einzuführen: unistisch, identisch mit der Farbe und der Texturmaterie des Bildes. Henryk Stażewski konzentrierte sich auf die Betonung des strukturellen und emotionalen Gewichts der Linie und suchte nach erlesenen Farben.

Bereits außerhalb des Bereiches des Abstrakten, in dem man die Linie als eines der wichtigsten Strukturelemente betrachtet, besaßen die malenden Künstler oft eine persönliche Beziehung zu ihr, was im Ausdruck ihrer Arbeiten zu sehen ist. Die zur Erkundung des Unterbewusstseins neigende Erna Rosenstein, in deren Bildern plötzlich erscheinende Häckchen zu Trägern von Bedeutungen werden, welche die Geschichten stören, pflegte zu sagen, dass für sie die Linie wie eine Wunde ist: eine Aggression, ein unerwarteter Kratzer am Raum. Jan Dobkowski, der jahrzehntelang mit den Möglichkeiten experimentierte, Inhalte durch eine Vielzahl von Liniengestaltungen auszudrücken - und der immer auch so malte -, wiederholte, dass er die ganze Zeit eine eigene Richtung betreibt, nämlich den Linearismus, und die sich entwickelnde Linie eine Spur seines Denkens ist...

Łukasz Majcherowicz malt freie, farbige Linien bei in der Erinnerung gespeicherten selbstverständigen Anordnungen von geometrischen Formen, hauptsächlich von Rechtecken oder Quadraten, die er entsprechend den während des Malens anwesenden weiteren Zielen umwandelt. Er bleibt im Kreis der Abstraktion - er erweitert deren Bereich und vertieft zugleich verschiedene Themen, welche sichtbare Dinge, Situationen und größere Phänomene betreffen, die bei simpleren Darstellungsweisen - beschränkt auf die visuelle Greifbarkeit und klare Anspielungen - ohne Understatement, Aura des Poetischen, unerwartet offenbarte Kraft und Bedeutung der Struktur, der Ordnung und der Freude an der Farbe auskommen müssten. All das ist in seinen Bildern zu sehen. Majcherowicz schöpft aus mehreren Quellen, wobei er im Bereich von Bedeutungen verbleibt, die auftreten, wenn alles davon auf einmal in Gang gesetzt wird. Das ist seine eigene, individualisierte Art, das wohlbekannte, einfache Mittel zu verwenden.



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