Die Idee, in Dingen versteckt

Małgorzata Czyńska Von Małgorzata Czyńska



Gebäude, Bauten, Objekte. Verankert in unserem Gedächtnis, im Denken über Städte, Peripherien, in Bildern von der Reise, im Blick auf einen Weg durch das Dorf, ein Meeresufer, eine Terrasse, einen Hof. Rauheit des Betons, Geruch des Holzes, Zinnober der Ziegel, Farbe des Neons. Haus, Palast, Fabrik, Bahnhof. Altane im Park, Einfahrtstor, Swimmingpool, Trampoline, Tankstelle. Das Licht, das auf den Boden, die Wände, den Asphalt der Straße fällt. Kodierte Ansichten, Landschaften, mit Architektur abgerundet.

Maria Kiesner
Maria Kiesner Maria Kiesner Maria Kiesner

Die Gegenwart bestimmter Bauten hat für mich etwas Geheimnisvolles, schreibt der Architekt Peter Zumthor in seinem Buch Architektur Denken. Sie scheinen einfach da zu sein. Man schenkt ihnen keine besondere Beachtung. Und doch ist es schier unmöglich, sich den Ort, an dem sie stehen, ohne sie vorzustellen. Diese Bauten scheinen fest im Boden verankert zu sein. Sie wirken als selbstverständlicher Teil ihrer Umgebung, und sie scheinen zu sagen: Ich bin so, wie du mich siehst, und ich gehöre hier hin. Und er fügt hinzu: Gebäude entwerfen zu können, die im Laufe der Zeit auf diese selbstverständliche Weise mit der Gestalt und Geschichte ihres Ortes verwachsen, weckt meine Leidenschaft. Ein Ideal, das manchmal wahr wird.

Maria Kiesner

Warszawa ist der Kulturpalast, Katowice - der Spodek. Postkartenaufnahmen, Fernsehschnappschüsse, Pop-ups, die beim Googeln herausspringen. Der erste Gedanke an Kopenhagen kann das Denkmal der Meerjungfrau, aber jetzt genauso gut die Ansicht der aus dem Wasser steigenden Königlichen Oper sein. Maria Kiesner findet im Denken über die Architektur und deren Malen das Motiv, das eines Bildes wert ist, sowohl in diesen bekannten Symbolen von Orten, als auch in kleinen, vergessenen, am Rande existierenden Objekten. Sie bewundert die Villen der Klassiker der Moderne, die Klarheit im Plan, die Einfachheit des Körpers und die sozrealistischen Blöcke der Nachkriegszeit. In dieser Architektur ist eine Art Stille, sagt sie, das Edle der Proportionen, zielsichere Schwerpunktsetzung, aber sie bemerkt auch die in die Landschaft und das menschliche Bewusstsein einwachsenden Industriebauten - wie das Kernkraftwerk von Tschernobyl, schlesische Fabrikschornsteine des frühen zwanzigsten Jahrhunderts oder moderne Windkraftanlagen. Manchmal sind es Akzente, die die Schönheit der Umgebung betonen, wenn erst eine angemessene architektonische Form die Landschaft zur Geltung bringt - manchmal, in der Tat, entstellende Dominanten. Sie malt in Totalen und zeigt damit deren Monumentalität, Schönheit, aber auch Schrecken; gleichermaßen sucht sie nach intimeren Einstellungen, indem sie den Blick auf architektonische Fragmente, auf ein Element fokussiert.

Maria Kiesner

Die Menschen haben seit eh und je in einer Landschaft gelebt, auch gearbeitet, schreibt Zumthor. Manchmal leidet die Landschaft dadurch, dass wir darin leben und unsere Arbeit verrichten. Nichtsdestotrotz ist unsere Geschichte des Umgangs mit der Erde im Guten und Schlechten in die Landschaft geschrieben, die wir wahrscheinlich deswegen Kulturlandschaft nennen. So gibt es neben dem Gefühl der Zugehörigkeit zur Natur auch das Gefühl der Verbundenheit mit der Geschichte, die mir die Landschaft vermittelt.

Maria Kiesner

Die Objekte auf den Werken von Maria Kiesner sind selbständige Wesen im Raum des Bildes. Auch wenn wir den Ort erkennen, den Namen des Architekten herbeizitieren, ist das zweitrangig oder sogar irrelevant. Kiesner malt nicht nach der Natur - sie sucht sich alte Postkarten, Fotos in Alben, Drucke, Aufnahmen von YouTube aus. Auf ihren Bildern werden die ausgewählten Objekte veredelt - bereinigt vom Dekor, von dem nach der Künstlerin unnötigen Detail, gewinnen sie einen universellen Charakter, verlieren den Bezug auf den ihnen zuvor zugeschriebenen konkreten Ort. Im Endeffekt sehen die Bauten ein wenig wie Papierattrappen aus, sagt die Künstlerin. Sie verlieren ihre Masse, sind idealisiert. Ich mag sie so. Der Realität entfremdet, werden sie anonym, beherbergen in sich eine geheimnisvolle Leere und lassen zugleich ihre Räumlichkeit spüren. Die Stimmung dieser Bilder, ihre Methaphysikalität, ist äußerst wichtig und charakteristisch.

Es gibt keine Idee, sagt Peter Zumthor, außer in den Dingen.

Öffnung

Öffnung Öffnung Öffnung Öffnung Öffnung Öffnung Öffnung Öffnung Öffnung Öffnung Öffnung Öffnung Öffnung Öffnung


Ausgewählte Werke

alle bilder ansehen