Veduten

Wojciech Tuleya Von Wojciech Tuleya



Maria Kiesner malt Veduten. Die Vedute ist eine klassische Gattung der Malerei, deren Gegenstand städtische Landschaft und Architektur ist. Aber die Bilder von Maria Kiesner sprechen darüber, daß die Architektur nicht nur um uns ist. Sie ist auch in uns.

Maria Kiesner
Maria Kiesner Maria Kiesner

Wir werden großgezogen inmitten von Mauern, die uns brandmarken und ein Spiel mit unserer Phantasie spielen. Manchmal sind sie banal und durchsichtig, manchmal existieren sie nicht nur stärker als wir, sondern lasten auch auf unserer Vergangenheit und Zukunft.

Maria Kiesner

Im Teenageralter war meine Lieblingsbeschäftigung während der Ferien, alleine durch die Städte und Städtchen Polens zu wandern. Ich reiste mit der Bahn. Mich faszinierte die alte Bahnarchitektur. Preußische Bahnhöfe im neoromanischen oder neomanieristischen Stil.  Bahnhöfe der russischen Eisenbahn im Stil des Petersburger Klassizismus. Die von mir entdeckten Städtchen, verarmt und verwüstet, regten die Phantasie an. Oft träumte ich, daß ich zu dem schönen Chełmno an der Weichsel zurückkehre, um dort das Leben zu verbringen.

Maria Kiesner

Die Stadt lag auf einem Hügel und in der Anzahl von eklektischen Bauwerken aus ihrer Prunkzeit übertrumpfte sie alles, was ich aus Warschau kannte. Mich faszinierten die ehemals deutschen Villen in den einst reichen Vororten von Stettin und Bromberg. In der Phantasie bevölkerte ich sie mit Gestalten, die ich den Romanen von Mann, Musil und Broch entnommen habe. Etwas ganz anderes evozierten die hölzernen Sommervillen in Świder. So filigran und so spröde, daß sie – wie ich dachte – zerfallen könnten, wenn ich mich umwende! Das Betrachten von Fabriken und Fabrikantenpalästen in Łódź, eine nach der anderen, wurde zu meiner „Arbeit” für ganze Tage. Diese Exkursionen zur Architektur bedeuteten nicht nur, sich im Raum zu bewegen. Sie waren auch meine Zeitmaschine. Mein Traum davon, weiter zu reisen.

Die Zeitmaschine landete immer hart: inmitten der brutalen Betonarchitektur des Warschauer Zentralbahnhofs. Aber auch dieses Bauwerk erlebte seine Stunde des Ruhms, als ich ein großes Foto des Zentralbahnhofs in „Wallpaper” gefunden habe, der Kult-Zeitschrift über Design und Architektur.

Das war eine wahre Lehre! Auch das, was langweilig und dumm scheint, verdient Aufmerksamkeit. Alles hängt davon ab, worauf wir unseren Sinn für Ästhetik „einstimmen”. Die Empathie mit den uns umgebenden Bauten kann so vollständig sein, daß sie uns lehrt, die Schönheit und die Häßlichkeit zu verstehen.



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