Das Herausholen eines Bildes

Małgorzata Czyńska Spricht Małgorzata Czyńska

Katarzyna KarpowiczKatarzyna KarpowiczKatarzyna KarpowiczKatarzyna KarpowiczKatarzyna KarpowiczKatarzyna KarpowiczKatarzyna KarpowiczKatarzyna Karpowicz

- Du hast noch nie ein Bild gemalt, auf dem es keine Menschen gab. Ist der Vorwand zum Entstehen eines Bildes immer die Erzählung über Menschen, Beziehungen, Emotionen?

Die Menschen sind für mich das Interessanteste zum Beobachten und zum Malen. Sie schaffen erst die Atmosphäre von Orten, beleben die Bilder, indem sie Bewegung und Emotionen einbringen. Sehr oft sind Menschen der Hauptvorwand, kreativ zu werden. Zum Beispiel Beziehungen und Emotionen, Charaktere von Menschen in den Büchern von Fjodor Dostojewski: faszinierend. Pierre Bonnard hat mit großer Zärtlichkeit  sein ganzes Leben lang das Bild seiner Frau gemalt, die fast jedes seiner Stillleben begleitet, sowohl in Innenräumen als auch in der Landschaft. Immer zeichnete ich und malte Menschen - Kinder und Erwachsene - nach der Natur und Phantasie. Ich versuchte, Bilder ohne Menschen zu malen - Stillleben und Landschaften, und es fiel mir schwer, eine Geschichte zu erzählen.

- Seit vielen Jahren kreist Du um einige Motive, aber immer wieder kommt noch was Neues hinzu. Deine Bilder kann man in Zyklen teilen: schlafende Gestalten mit Tieren, Schwimmer in Schwimmbecken, Toreros, zuletzt - Zirkus: Akrobaten auf der Arena, Szenen hinter den Kulissen. Woher diese Thematik?

Ich habe die Tiere sehr gern, sie sind schön und faszinierend, das ist wohl eine ursprüngliche Faszination des Menschen, der Respekt vor Raubtieren hat. Manchmal träume ich von Bären und Großkatzen - sie sind sanft, aber ich bin nie ganz sicher, ob sie mich nicht angreifen. Was würde Jung dazu sagen? Vielleicht geht es um die Angst, die ich zu bezwingen versuche, die Furcht vor dem Ende, das jedem bestimmt ist - vor dem Tod. Ein Tier ist gefährlich, aber sanft, da es schläft, der Mensch muß keine Angst haben, ist irgendwie versöhnt und drückt sich vertrauensvoll an etwas, was sich als schmerzhaft erweisen kann. Wir leben mit dem Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit, wissen nicht, was uns erwartet, haben unsere "Schatten", die uns folgen: Probleme, Sorgen, die wir zu lindern versuchen, denn das Leben ist halt so. Ein schönes Ringen mit eigenen Schwächen - das interessiert mich sehr.

- Vielleicht sind also Deine Bilder über den Zirkus eine Metapher des Lebens?

Der Zirkus erzählt nicht über den Zirkus, sondern über Menschen und ihre Beziehungen. Diese Gestalten bereiten sich ständig auf etwas vor, trainieren, leben dauernd in der  Erwartung. Es ist mir bewusst, dass wir alles, was wir im Leben tun, jemandem verdanken, der früher da war, und den Menschen, die uns begleiten. Natürlich ist unser ständiges Streben nach etwas, Üben in etwas vor allem persönliche Arbeit an sich, aber ohne sie gäbe es keine Inspiration, kein Vermitteln von Traditionen, keinen Erfahrungsaustausch - geschweige denn, dass all das meistens durch Zusammenarbeit erfolgt. Merken Sie sich bitte das ständig wiederkehrende Motiv des Zuknöpfens von Kostümen der Artisten - die Knöpfe sind ja am Rücken und immer muß jemand helfen, sie zuzumachen.

Vor kurzem bin ich in einem Antiquariat auf ein Fotoalbum gestoßen: es waren die Bilder von Jan Styczyński aus den 70ern, die Zirkusleute darstellen. Es sind einzigartige Fotos, sie sprechen mich an, als ob Herr Styczyński ähnliche Reflexionen über die Menschen hätte als ich jetzt. Er schrieb in der Einführung ein paar Worte über seine Arbeit  an diesem Album - fast die Hälfte ist darüber, was er nicht schaffen konnte, welche Schwierigkeiten er hatte, das Wesen dieses Zirkus zu fassen. Wer schreibt heute noch so eingehend über seine Probleme mit der Kreativität? Und das ist doch natürlich und nötig. Kämpfen, Suchen, Proben, Niederlagen und schließlich der Augenblick des Sieges, des Verstehens, der Erfüllung, und so weiter.

- Auch Toreros in ihrem Todestanz faszinieren Dich.

Sie sehen so gut aus: schneidig, schön gekleidet, grausame Künstler, in ihre Kunst verliebt. Und vollkommen reflexionslos - sie hören dem Beifall zu und erleben ihren Triumph, also den Tod, der einem wütenden, erschreckten und leidenden Tier direkt zugefügt wurde. Neulich höre ich im Atelier die spanische Band Migala. Es passt zu den Toreros.

- Und woher die Idee, Schwimmbecken zu malen?

Es sind Geschichten über mich selbst. Ich schwimme, seitdem ich 5 bin, fast regelmäßig. Jedes Schwimmbecken hat eine andere Stimmung, erzählt über was Anderes. Nie malte ich Schwimmbecken nach Fotos, alle sind aus der Phantasie, aus Erinnerungen und Träumen.

- Es sind keine geschlossenen Zyklen - Du kehrst zu ihnen zurück. Was war zuerst?

Zuerst zeichnete ich viel und malte alles, was mich interessierte, viele Jahre vor der Grundschule. Ich hatte damals viel Zeit und mein Lieblingsspiel war, über einem Blatt mit Farben, Buntstiften, Tusche und Filzstiften zu sitzen und "die Welten zu erschaffen". So erschienen auf den Blättern Kinder, ihre Spiele, Tiere - insbesondere vermenschlichte Katzen, Durchschnitte von Häusern, in den ganze Katzenfamilien lebten. Dann Mütter mit Babys in Kinderwagen, Turner, Schwimmer und viele andere Themen, die mir nah waren. Später als Teenie verbrachte ich die meiste Freizeit am Schreibtisch mit dem ähnlichen Zubehör zum Zeichnen und Malen wie früher. Ich skizzierte viel nach der Natur, aber ständig spann ich Geschichten aus der Phantasie. Damals erlebte ich die Krankheit und den Tod meines geliebten Vaters - Sławomir Karpowicz. Ein Blatt Papier und Farben waren damals meine Rettung. Der Schwimmbecken wurde zur Besessenheit, die ich pflegte, indem ich malte und schwamm. Das Wasser verschaffte mir Linderung. Regelmäßiges Abstoßen vom Ufer des Schwimmbeckens war für mich wie ein Mantra. Atemlosigkeit, Ausatmen, Atmen, Rhythmus der Arme, der Beine, Flug über dem Boden des Schwimmbeckens. Kühles Wasser, das den fieberhaft erregten Körper umgibt. Wenn ich nicht schwimmen ging, malte ich das Schwimmbecken. Ich versuchte nicht, das Schwimmbecken oder den Schwimmer an sich zu malen, sondern das Wesen des Schwimmens - das, wonach ich mich sehne, wenn ich an ein Schwimmbecken denke. Mein Leben war immer mit Malen verbunden. Wenn mich etwas interessierte, wenn ich etwas erlebte, las, sah, jemanden traf, übertrug ich das  unterbewusst auf ein Papierblatt, auf eine Leinwand. Die Zyklen, die ich male, verbinden sich unzertrennlich mit mir. Manchmal nehme ich die Themen von früher wieder auf, aber nur dann, wenn ich ein inneres Bedürfnis danach habe. Die Schwimmbecken kehren immer zu mir zurück - es dauert bereits 10 Jahre. Jedesmal sind sie über was Anderes. Manchmal denke ich an sie als Selbstporträt.

- Du malst oft Kinder.

Vielleicht weil ich selbst eine wunderschöne Kindheit hatte, mit viel Liebe und Akzeptanz. Ich konnte in Ruhe die Welt entdecken, viel zeichnen, Musik hören, Filme, Ausstellungen sehen. Ich war ein übersensibles Kind, sehr emotional, ernst, nach außen finster, aber innerlich zufrieden. Ein Kind erlebt die Welt viel intensiver, ist dauernd von etwas fasziniert, enthusiastisch, unschuldig und voller Energie. Die Kinder sind klug, sensibel, hübsch - ein dankbares Thema zum Malen. Indem ich ein Kind male, rufe ich die Erinnerung an meine eigene Kindheit  hervor - ich versuche, das Kind in mir zu pflegen. Man muß ständig über die Welt staunen und sie bestaunen, dann ist das Leben sehr interessant.

- Schon als Kind warst Du verurteilt, Künstlerin zu werden: Vater - Professor an der Krakauer Kunstakademie, Mutter - auch Malerin. Hast Du überhaupt etwas Anderes in Betracht gezogen?

Meine Schwester Joanna - Malerin, Cousine Paulina - auch, unser Großvater war Maler, die Onkel malen genauso. Woher sollte ich wissen, dass es überhaupt andere Berufe gibt? Schon als Kind habe ich meine Eltern um Ölfarben und Leinwände beneidet - ich tat, was ich konnte, um etwas dazuzumalen, meiner Schwester klaute ich Zeichnungen, die sie nicht beendet hatte, und machte sie selber zu Ende, wobei ich so tat, als ob ich sie selber vom Anfang an so schön gezeichnet hätte. Ich fragte meinen Vater, wer er ist und als ich erfuhr, dass er ein Maleratelier an der Kunstakademie führt, dann kündigte ich ihm an, dass ich, wie Asia, zuerst eine Kunstoberschule absolviere und dann bei ihm in seinem Atelier arbeiten werde. Solche Pläne hatte ich bereits in meinen frühen Jahren in der Grundschule. Es ist mein Schicksal (Gott sei Dank!) - ich kann nichts anderes, weil ich mein ganzes Leben lang nur das Eine tat - malen.

- Du bist in der Boheme-Atmosphäre groß geworden?

Ich wuchs im Atelier von Olga Boznańska auf - die ersten zwölf Jahre meines Lebens lebte ich in schönen großen Räumen in Piłsudski-Str. 21/7 (zu der Zeit von Olga war das Wolska-Straße) - an einem Straßenende ist der Planty-Park, das andere wird von weitem durch den Kościuszko-Hügel gekrönt, der vom Wolski-Wald umgeben ist. Meine Eltern führten ein offenes Haus. Der Vater war durch seine Kochkünste und Charisma berühmt; Professor  Szancenbach, Professor Bednarski, Adam Macedoński, Alosza Afdiejew und viele andere Krakauer Maler, von Schriftstellern Stanisław Czycz und Jan Stoberski, waren oft bei uns zu Gast. Am Abend traf sich eine Gruppe interessanter Menschen - ich versuchte, leise zu sein, um sie lange zu begleiten, ihren Gesprächen zuzuhören. Die Mutter sorgte dafür, dass dieses Nachtleben elegant bleibt, ich erlebte in diesem Zusammenhang nie peinliche Situationen. Die Kinder waren nicht vernachlässigt, wie es bei den Bohemiens oft der Fall ist. Ganz im Gegenteil. Immer brachte mir einer der Gäste ein kleines Geschenk mit. Bis heute habe ich die Porzellankatzen von Jan Stoberski. Manchmal dachte ich, dass einige dieser Maler zu unserer Familie gehörten, so oft sah ich sie und so sehr mochte ich sie.

- Hast Du Deine Meister?

Mich inspiriert immer was Neues, aber tatsächlich gibt es Meister, zu denen ich immer wieder zurückkehre. Max Beckmann, ein genialer Maler: neulich saß ich im Atelier, blätterte im Album mit seinen Bildern, las genauer seinen Lebenslauf und so fand ich seinen "Brief an die Malerin". Als ob er ihn an mich geschrieben hätte: nur weise Worte von einem Meister, den ich seit Jahren bewundere. Ich habe viele Bilder von Beckmann im Original gesehen, seine Selbstporträts habe ich sehr gern, mehrmals ärgerte ich mich im Museum zu Tränen und fragte mich mit Neid: "Wie hat er das bloß gemalt!". Wichtig sind für mich Paula Modersohn-Becker, El Greco, Kirchner, Bernard Buffet, Balthus, David Hockney, Giotto, Velázquez, Caravaggio, George Braque, Picasso, Michałowski, Nowosielski, Wróblewski, Potworowski, Dariusz Vasina... und viele andere.

- Deine Bilder sind traumartig, märchenhaft. Du legst einen großen Wert auf Träume, Intuition.

Es scheint mir, dass ich dadurch die Malerei als eine sehr persönliche und besonders meine Sache betrachte. Ich denke mir die Bilder nicht aus, sondern hole sie aus mir heraus.



Ausgewählte Werke

alle bilder ansehen