Die Stierfrau

Małgorzata Czyńska Von Małgorzata Czyńska

Sie sagten zu mir: Vergiss die Tränen, du hast einen Sohn, einen hübschen Torero geboren. Er ist schön, er ist stark, sagten sie, er ist von Hand zu Hand gegangen.

Katarzyna Karpowicz

Ich kenne dieses Ritual. Hoffnung, Schmerz, Glück, Stolz, wieder Schmerz.

Das geschieht im Frühling. Zuerst fühle ich einen Druck in der Herzgegend. Ein Knoten aus Unruhe und Furcht füllt meinen Hals. Ich warte auf den Wind aus dem Norden, auf den teuflischen Wind, auf die Tramontana. Ich weiß, sie wird kommen, die Erde erschüttern, meinen Bauch in Schwingen versetzen und einen Jungen, klein wie ein Korn schwarzer Reis, hinterlassen.

Katarzyna Karpowicz

Ich unterstehe der Macht der Venus. Mein Sternzeichen sagt, dass ich entschlossen, stur und hartnäckig bin. Ich denke, das sind gute Eigenschaften. Ich bin auch besitzergreifend. Dazu noch bin ich sinnlich. Du weißt es, du hast mich ja mehrmals genommen.

Dies geschieht immer zwischen Mitternacht und Morgengrauen. Madrugada. Wenn ich einen kleinen Torero zur Welt bringe, schreie ich nicht vor Schmerzen. Über meinem Kopf schaukelt ein Kronleuchter aus Stierhörnern, das Blut versickert im Laken. Daraus wird man ihm mal einen schönen rosa Überwurf nähen. Der Frauenchor in mir flüstert: "Stierkämpfe sind die einzige Kunst, in der der Künstler dem Tod ausgesetzt ist und in der die Perfektion der Darbietung der Ehre des Kämpfenden überlassen wird." Ich kann nicht schreien. "Das saubere Töten, ein Töten, das ästhetische Befriedigung und Stolz verschafft, gehörte immer zu den größten Vergnügen eines bestimmten Teils der Menschenrasse", flüstert der Chor.

Katarzyna Karpowicz Katarzyna Karpowicz

Ich, die Stierfrau, gebäre Jungen. Für die Kunst, für die Arena, für den Ruhm, für den Tod.

Ich bin stolz und unerschütterlich.

Wenn du Tränen in meinen Augen gesehen hast, vergiss es.


Die Zitate stammen aus Ernest Hemingways Buch Tod am Nachmittag.



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