In Gesellschaft der Objekte

Wojciech Tuleya Spricht Wojciech Tuleya

Tomasz Karabowicz Tomasz Karabowicz Tomasz Karabowicz Tomasz Karabowicz Tomasz Karabowicz Tomasz Karabowicz Tomasz Karabowicz Tomasz Karabowicz Tomasz Karabowicz Tomasz Karabowicz

Du bedienst dich einer Malerwerkstatt, die die Kunst bereits vor über 100 Jahren verworfen hat. Hast Du keine Angst, daß jemand Dir die Etikette eines Realisten oder akademischen Malers klebt?

Die europäische Kunst war jahrhundertelang eine darstellende Kunst und der Realismus ist nur eine der Strömungen in der Kunst des 19. Jahrhunderts, im übrigen künstlerisch ziemlich uninteressant. Dieser Realismus interessiert mich nicht, aber der Realismus als eine Plattform der europäischen Kunst seit der Renaissance – ja. Ein so verstandener Realismus hat sich nie ausgeschöpft. Er ist auf ein Nebengleis ausgewichen, aber hin und wieder tauchen große Maler auf, die sich für das Sichtbare interessieren.

Sie sind jedoch Außenseiter. Schon Caillebotte, obwohl er offiziell zusammen mit den Impressionisten ausgestellt hat, ist aus den Büchern über den Impressionismus verschwunden, weil er das Problem der Perspektive allzu rigoros betrachtete.

Ja, aber keiner konnte besser durchleuchtete Glasgefäße und Weingläser malen. Oder z.B. Fantin-Latour. Das stimmt – ich interessiere mich für Künstler, die abseits, außerhalb von Hauptströmungen der Kunstgeschichte arbeiteten. Wenn ich auf Reisen bin – zuletzt waren wir in Südfrankreich – besuche ich gerne kleine Museen in der Provinz. Man findet dort ganze Säle voll von Werken lokaler Meister aus dem 18. oder 19. Jahrhundert. Sie malten für ihre nächste Umgebung, für ihnen sicher gut bekanntes Publikum. Genreszenen, Porträts als Andenken, moderne Innenräume von damals, Stillleben. Ihre Namen stehen in keinem Lehrbuch, dennoch waren sie oft ausgezeichnete Maler. Ich sehe gerne zu, wie sie Farbe legten und ihre Modelle in Pose brachten, was für einen Geschmack sie hatten.

Aber Du beobachtest heimlich auch große Maler. Den Jungen im Trainigsanzug stilisierst Du nach einem Porträt von Bronzino, beleuchtest Deine Modelle mit dem Licht von Caravaggio und Deine Verlobte Ola zeigst Du in der Pose einer Dame im Art-Deco-Stil, wie in den Porträts von Ludomir Ślendziński oder Tamara Łempicka.

Es gibt noch eine ganze Gruppe von deutschen Malern der sogenannten „Neuen Sachlichkeit”. Mein künstlerisches Programm ähnelt ein wenig ihrer Ideologie. Sie hatten viel Achtung für die „alte” Kunst, für deren gründliche Technik und zugleich lebten sie in der modernen Welt der Weimarer Republik, eingetaucht in die städtische Zivilisation. Sie schufen erstaunliche Bilder, die in ihrer Technik zu Cranach zurückkehrten und dabei Cabarets, Straßenbahnen, Zeppeline und Überseedampfer darstellten. In den Porträts von Ärzten und Journalisten sieht man Radios und Telephone, die damaligen Wunder der Technik.

Und der Geist der Renaissance, des Klassizismus?

Mir ist der Geist aller idealistischen Richtungen nah, die die Ordnung in der Natur entdecken. Das erfordert keine Anstrengung, die Welt selbst stellt sich zu Kompositionen zusammen. Eine Komposition ist für mich sehr wichtig. Früher, in meiner Studienzeit, dachte ich, die Harmonie im Bild zu erreichen wäre nur eine Schulaufgabe. Dieses kunstvolle Ausgleichen von Körpern und Richtungen... Dann aber wurde es zu einer Art Besessenheit. Es scheint mir, daß ich jetzt, auch wenn ich dies wollte, kein Bild malen könnte, auf dem Objekte zufällig zerstreut sind. Ich sehe keine „wilde” Wirklichkeit mehr. Ich sehe sie geordnet. Ich weiß nicht, ob das meine oder ihre Ordnung, die immanente Ordnung der Natur ist. Der Goldene Schnitt? Bitte sehr, ich kann es Dir in jeder Landschaft zeigen. Zentrizität, Schnittpunkte bilden sich von selbst, die Natur vervielfältigt die von ihr selbst ausgerabeiteten Schemata. Für mich ist die Natur nicht chaotisch, es gibt eine Ordnung in ihr. Ich halte sehr viel von dem Traktat von Vasari. In meinem Bild „Das Gespräch” durchkreuzten sich die Diagonalen von alleine auf der Hand einer der Figuren, gerade auf dieser Hand, die für das ganze Bild am wichtigsten ist. Das ist ein wichtiges Bild in meiner Entwicklung. Ich malte es einen ganzen Winter lang. Oder, besser gesagt, ich meditierte. Ich malte und meditierte. Es war eine Zeit, wo ich es nicht eilig hatte und jedem Bild viel Zeit widmete. Wahrscheinlich lernte ich immer noch. Ich lernte die Methode kennen, studierte die Technik, gab mich der Kontemplation hin, träumte...

Kommt daher die träumerische Aura Deiner Bilder? Hypnotisierst Du damit auch Dich selbst? Und wo ist der Mondschein?

Ich habe ihn sehr gern, er ist mir hold. Ich lebe nach dem Mondkalender. Seine Zyklizität ist deutlicher. Ich male nach den Mondphasen: fange bei dem Neumond an und beende alles beim Vollmond. Dann wird der Raum schärfer, die Luft ist anders. Das beeinflußt auch mich selbst. Die Sinne werden aktiver, das Gehirn arbeitet besser.

Und die Jahreszeiten?

Natürlich sind Bilder, die ich im Winter male, anders als jene, die im Sommer entstehen. Das hängt mit meinem Arbeitsrhythmus zusammen, der sich vor einigen Jahren festgelegt hat. Den ganzen Sommer verbringe ich auf dem Lande, in meinem Elternhaus. Auf den Sommerbildern erscheinen Früchte, Kohl, alles was ich im Garten finde. Aber ich weiß nicht, ob nicht der Winter die für mich wichtigste, fruchtbarere Jahreszeit ist. Denn gerade in dieser Zeit entstehen all die Stillleben mit kalten, metallenen Objekten, mit Vasen aus Kristall. Im Winter komme ich immer in die Stadt, nach Warschau. Ich fange damit an, daß ich mir ein neues Atelier miete. Es muß groß sein, in einem Altbau und auf hoher Etage. In der Stadt mag ich die Höhe. Sie isoliert nicht nur vom Alltag, sondern garantiert auch ein gutes Licht. Ich kann mich in so einem Atelier einsperren und kaum ausgehen, und das viele Wochen lang. Mir scheint, daß mein wahres Leben sich auf dem Tisch abspielt, auf dem das Stillleben arrangiert wurde, unter den Objekten. Ich habe ein paar Schalen aus einem Friseurladen, die ich schon oft malte. Sie erwecken in mir wahre Wellen der Zärtlichkeit. Ich sehe, wie die Luft sie umhüllt, wie sie das Licht reflektieren. Diese Details können mir die ganze Welt ersetzen.

Das All, auf die Welt alltäglicher Objekte zurückgeführt, Malen mit Licht - all das hört sich an wie einer Enzyklopedie, dem Stichwort „niederländische kleine Meister” entnommen.

Es klingt nobel. Aber ich halte mich, trotz allem Anschein, für einen modernen Künstler. Vielleicht erzähle ich Dir noch eine Geschichte über die Erotik der Objekte, eine Geschichte, die wir beide mit moderner Ironie genießen sollen. Im letzten Winter kaufte ich auf dem Flohmarkt die Zinnfigur einer Tänzerin. Eher ein industrielles Produkt, im Art-Deco-Stil, aber eine billige Ausgabe. Ich konnte mich nicht zurückhalten, sie unter die prosaischen Töpfe zu stellen. Es waren sehr interessante Sitzungen. Pervers und magisch. Und weißt Du, als ich sie malte, verspürte ich kein Bedürfnis nach weiblicher Gesellschaft. Aber eigentlich trägt jedes Objekt starke Emotionen in sich. Gewöhnliche Teller hören auf, gleichgültig zu sein, wenn ich sie male. Wenn ich sie auf einem runden Tisch arrangiere, den ich speziell dafür in meinem ländlichen Atelier habe, entstehen ganze Geschichten, ganze Anordnungen, beinahe Allegorien.

Man könnte Dich wie folgt beschreiben: ein in Objekte verliebter Künstler, dessen größter Ehrgeiz ist, Fakturen der Proportion getreu widerzugeben. Er schafft glatte, metallisch glänzende, wie mit Email bedeckte Bilder. Nicht mal in seinen Porträts vermag er, eine warme Geste zu zeigen. Du mußt zugeben, es wäre eigentlich eine entmutigende Beschreibung. Bringen also Deine Bilder irgendwelche menschliche Sehnsüchte an den Tag? Geht es nur um das Bedürfnis nach Solidität und Ordnung? Oder bringst Du vielleicht den Menschentraum über die Beständigkeit der Existenz zum Ausdruck? Vielleicht äußert sich in Deiner Kunst unterschwellig der Zeitgeist?

Wie ich schon gesagt habe, halte ich mich für einen modernen Künstler. Meine Bilder könnten nicht immer und überall entstehen. Es stimmt, sie entstehen gewissermaßen abseits. Aber ich habe es so gewählt. Ich weiß ja sehr gut, was in der modernen Kunst passiert. Aber es interessiert mich nicht, in die Kunst Themen einzubringen, von denen die Zeitungen leben, über die man beim Biertrinken einen Monat lang plaudert, um sie dann zu vergessen. Ich will nicht – als Künstler – so direkt reagieren, fieberhaft nach unbesetzten Themen suchen, nur um der Erste zu sein, der eine Anspielung auf leidende Tiere, Kosmetikkonzerne oder Haushaltsarbeit gemacht hat. Meine Kollegen überlegen z.B., ob sie in ihren Werken noch einen Projektor benutzen können, oder ob ein Projektor in dieser Saison bereits out ist.

Die moderne Kunst nimmt immer größere Gebiete ein: neue Probleme, neue Techniken. Und Du schränkst Dich, sperrst Dich ein. Nur das Porträt und das Stillleben. Nur die traditionelle Ölmalerei. Woraus resultiert diese Selbstbegrenzung?

Ich habe nicht vor, in der Kunst Publizistik zu betreiben. Ganz einfach, als Künstler interessiert mich dieser Themenkreis nicht. Vielleich schränke ich mich ein, aber in diesem eingeschränkten Bereich kann ich so viele Ziele anvisieren, daß es für ein ganzes Leben reicht. Künstlerische, kunsttechnische Ziele. Ich benutze vom Anfang an nur gut grundierte Leinwände, gute Farben und Pinsel. Meine Themen – Stillleben, Porträt – sind ewig. Ich richte meinen Blick nur auf die auf dem Tisch stehenden Töpfe. Soll ich etwa mit einer Kamera um sie herumlaufen? Soll ich etwa filmen, wie der Kohl auf dem Tisch verfault? Natürlich übertreibe ich, aber diese Happenings, diese Erforschung von Prozessen – all das interessiert mich nicht. Ich gebe mich lieber der Kontemplation hin, ergründe unendlich meine einfachen Anordnungen. Vielleicht ersetzt mir das Malen das Beten. Vielleicht ist mein Malen eine Kontemplation der Existenz, ein Verwundern über sie. Vielleicht deshalb sind diese Kompositionen so zeitlos und abstrahiert, obwohl veristisch. Für einige etwas ewig Gültiges, für andere Kältestarre. Aber trotzdem hoffe ich, daß in meinen Bildern nicht nur meine Person, sondern auch die Zeit kodiert wird, in der ich lebe. Natürlich nicht direkt und nicht im Vordergrund. Ich hoffe, daß diejenigen, die sich in Zukunft meine Bilder anschauen, keine Probleme mit deren Datierung haben werden. Deshalb schreibe ich nie ein Datum auf meine Bilder. Die Welt um mich rast nach vorne. Jeden Tag wird Geschichte gemacht. Aber die Kunst hat ihre Vollkommenheit bereits am Anfang erreicht, etwa in der Antike. Sie muß sich nicht weiterentwickeln. Sie war, ist und wird sein.



Ausgewählte Werke

    • Boy dressed in in red track suit

      • Medium: Oil on Canvas
      • Size: 92 x 130 centimeters
      • Price: PLN 8000

    siehe das gemälde

    • Self Portrait

      • Medium: Oil on Canvas
      • Size: 73 x 100 centimeters
      • Price: PLN 5000

    siehe das gemälde

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