Männergeheimnisse

Von Marcin Różyc

Tomasz sucht nach Modellen, die mit Unschuld begeistern. Angezogen wird er von Gesichtern der Jünglinge, Gesichtern, die noch frei von Unruhen der Reife sind. Ihre Reinheit betont er manchmal mit durchsichtigen Objekten aus Glas im Hintergrund. Er vergleicht seine halbnackten Helden mit aufblühenden Blumen, die bald verwelken. Es verbirgt sich in ihnen eine große, obwohl flüchtige Kraft.

Die Studien des männlichen Körpers verbinden sich mit Begehren. Im Akt im Inneren, der Diplomarbeit von Tomasz, ist eine Liebesmüdigkeit, ein Moment der sexuellen Erschöpfung spürbar. Andere Gemälde stellen idealisierte Porträts von Jungen mit rosaroten Lippen und blauen Augen dar. Sie erwecken Begierde, aber auch Angst davor, die flüchtige Schönheit zu zerstören. Beunruhigend ist die Kühle, die eine Begegnung unmöglich macht.

Für Tomek ist eine Diskrepanz zwischen dem Geistigen und dem Körperlichen charakteristisch. In seinen Bildern erscheint oft ein Spiegelbild, das sich vom Modell unterscheidet – eine Zwiespältigkeit der menschlichen Natur, ein innerer Konflikt und ein Konflikt zwischen den Liebenden, eine Tragödie der Unmöglichkeit, die körperliche und geistige Vollkommenheit zu verbinden. Der Spiegel ist ein Geheimnis, eine andere Seite der Wirklichkeit. Vielleicht ein Geheimnis, das sich im menschlichen Inneren verbirgt, vielleicht das Geheimnis der Liebe zwischen Mann und Mann...

Karabowiczs Akte sind eine narzistische Erfüllung. In der Körpern von Jünglingen sieht der Künstler seine eigene Schönheit. Die Faszination für den Körper eines anderen Mannes realisiert sein Verlangen, zur Unschuld eines Jungen zurückzukehren. Indem er sich für andere begeistert, begeistert er sich für sich selbst.

Der Künstler läßt viele Inspirationen erkennnen. Seine Werke setzen die seit der Antike dauernde Tradition fort, das Ideal im männlichen Körper zu suchen. In ihrer Zartheit nehmen die Männer Eigenschaften an, die die Kultur den Frauen aufgezwungen hat. Es kommt hier zur für homosexuelle Maler charakteristischen „Verweiblichung” des männlichen Aktes. Die manieristische Künstlichkeit erinnert an die Porträts von Bronzino. Die halbnackten Jünglinge vereinen in sich Kraft und Zartheit, wie wir sie z.B. von Carravaggio kennen. Die Männer auf dem kühlen blauen Hintergrund erinnern an die nackten Körper der kalifornischen Jungen von David Hockney. Karabowiczs Bewunderung für diesen Klassiker der schwulen Kunst des 20. Jahrhunderts kommt u.a. in dem mit homosexueller Spannung gefüllten Kalifornischen Geliebten zum Ausdruck.

Eines der Geheimnisse der Akte von Karabowicz ist eine unbestimmte, aber gewiß anwesende Homoerotik, eine Unruhe, die mit dem männlichen Geheimnis einhergeht. Es ist vielleicht ein Geheimnis des Körpers, vielleicht ein metaphysisches Rätsel.

Diese Bilder können homosexuell anmuten, müssen aber nicht. Das ist nur eine der möglichen Interpretationen.