Von Anfang an

Małgorzata Czyńska Wojciech Tuleya Von Małgorzata Czyńska Wojciech Tuleya

Edward Dwurnik

Edward Dwurnik Ist Ein Arbeitstier. Das ist bereits legendär. Kunstkritiker, Ausstellungskuratoren und Journalisten nennen mit Vorliebe die Anzahl der Bilder, die der Künstler wochentlich, monatlich, jährlich malt.

Wenn wir auf zweihundert Gemälde pro Jahr kommen,  versucht man schon nicht mehr, die Arbeiten auf Papier mitzuzählen. Eine vollständige Übersicht dieser Werke hat übrigens nur Dwurnik, denn in das Atelier im Obergeschoss, wo er Zeichnungen aufbewahrt, lässt er sogar befreundete Kunsthändler nur ungern rein.

"Ich habe zu Hause ein paar Lagerräume, voll von Bildern, große Kommoden mit Zeichnungen, zwei Ateliers und immer etwas in der Werkstatt", sagt er. "Ich schätze Ordnung und Regelmäßigkeit, die Bilder sind inventarisiert und entsprechend in den Lagerräumen gestapelt. Die Papiere halte ich in bulgarischen Metallkommoden. In den Schubladen befinden sich Tausende von Zeichnungen, aber ich weiß sowieso, wo alles liegt."

Die bulgarischen Metallkommoden erinnern an den Sesam aus dem Buch der Tausend und einer Nacht. Tausende von Zeichnungen, alle hervorragend, überraschend, begeisternd. Der Künstler führte laufend eine Selektion seiner Werke durch, er ließ nur die besten, den Rest hat er vernichtet, verbrannt, in den Müll geworfen. Als Student hat er systematisch den Schornstein in seinem Elternhaus in Międzylesie mit dem Ruß der verbrannten Papiere verstopft.

"In der Akademie schuftete ich wie verrückt", erinnert er sich. "Im Lithographie-Atelier des Professors Józef Pakulski machte ich eine Zeichnung nach der anderen, mein Kopf war voll von Ideen, die nie realisiert werden konnten".

Mit Nostalgie erzählt er über das Abdrucken von Graphiken. Im Badezimmer neben dem Atelier liegen noch Lithographiesteine. Dwurnik sagt, dass er gerne zur Lithographie zurückkehren möchte.

Es genügt aber ein Bleistift oder eine Feder. Über die Unbeständigkeit der Kugelschreiber und der Filzstifte hat er sich vor Jahren überzeugt, als seine Zeichnungen zu verblassen, vor seinen Augen zu verschwinden begannen und einer Konservation unterzogen werden mussten.

In diesen Schubladen finden wir die Chronik des Lebens von Edward Dwurnik - Szenen aus seinem Elternhaus, aus Studentenpartys, aus dem Atelier an der Akademie der Schönen Künste, aus seinen berühmten Reisen per Anhalter - als er Polen mit einem Zeichenblock unter dem Arm und einem Bleistift in der Tasche durchquerte - oder aus seiner Jugendreise nach Paris. Hinzu kommen noch Situationen, die er auf dem Weg von der Bushaltestelle zur Akademie beobachtete, sowie Szenen, die durch Geschichte, Literatur, Kunst, Politik und Alltag inspiriert wurden. Was ihm alles durch den Kopf schießt, zeigt Dwurnik auf der Zeichnung Vision des Malers, wo ins Atelier, mit gewöhnlichen Möbeln und mit Wänden voller Bilder, ein Kavallerist zu Pferd, mit einer Lanze in der Hand, einreitet.

Das schöpferische Imperativ ist bei Dwurnik so stark, dass der Künstler in die Quantität geht, ohne an der Qualität zu verlieren. Wo liegt der Sinn, diese Arbeiten zu zählen? Nicht die Zahlen verführen uns, sondern die wahre Kunst.

Edward Dwurnik
Grójec, 2002, pencil on paper, 38 × 56 cm (nr 9812) [Price: PLN 4000]

Grójec


Diese Zeichnung habe ich aus dem Gedächtnis gemacht. Grójec aus meinem Kopf, aus meinen Erinnerungen. Man kann sagen, dass in Grójec alles begann, obwohl ich in Radzymin geboren bin. Aber in (…)

Diese Zeichnung habe ich aus dem Gedächtnis gemacht. Grójec aus meinem Kopf, aus meinen Erinnerungen. Man kann sagen, dass in Grójec alles begann, obwohl ich in Radzymin geboren bin. Aber in Grójec fing ich an, zu zeichnen. Ich war ein kränkliches Kind, so dass ich viel Zeit zu Hause verbrachte, die Nase gegen die Fensterscheibe gepresst. Heutzutage sitzt das kranke Kind mit der Nase im Tablett, damals aber schaute man zum Spaß aus dem Fenster. Wir wohnten in der Hauptstraße, im Herzen des Städtchens. Gegenüber gab es eine Apotheke, ein Gemüseladen, ein Kommissariat der Miliz, wo mein Vater der Chef war, und in der Nähe eine Feuerwache. Ich schaute auf die Schilder und zeichnete auf dem Blatt die Buchstaben genau ab. Die Eltern und der Großvater waren überglücklich, dass ich so früh alleine Schreiben gelernt habe. Sie dachten, sie hätten in der Familie ein kleines Genie. Und ich konnte nicht schreiben, sondern nur zeichnen. Auch die Kindergärtnerinnen entdeckten schnell meine Begabung. Bei einer Visitation kamen sie in die jüngere Gruppe und sagten: ,,Edzio, komm mal mit" und nahmen mich zu den Großen, wo ich mit meinen Zeichnungen ein Wunderkind spielte. Natürlich waren die älteren Kinder wütend auf mich.

Man, was habe ich aus meinem Fenster nicht alles gesehen! Da gab es Szenen, die heute kaum zu glauben sind, aber ich schöpfe immer noch von diesem Kaleidoskop der Geschehnisse, Bilder, Erinnerungen. Ich sah, wie Milizionäre Gefangene in die Arrestzelle brachten und Feuerwehrleute zum Einsatz fuhren. Mehrmals in der Woche heulten die Sirenen und die Feuerwehr machte sich auf den Weg, um Feuer zu löschen. Und was für phantastische Fahrzeuge hatten sie! Das eine war grün, eine deutsche Hinterlassenschaft. Und die Sirene - das war eine echte Sache, kein elektrischer Ersatz: ein Feuerwehrmann saß rittlings auf einer großen Stoßstange am Scheinwerfer, hielt sich mit seinen Beinen fest, hatte dabei eine Maschine zum Heulen und drehte die Kurbel.

Oder der Wochenmarkt! Er fand hinter unserem Haus statt, es kamen Pferdewagen zum Handel. Jesus, wie viel los da war! Eines Tages im Winter zogen die Mutter und die Schwester meinen Schlitten, plötzlich begannen sie zu lachen und sagten: ,,Edzio, schau nicht hin, verdecke Dir die Augen!" Ich schaute natürlich hin: da stand ein Typ mit einer Kuh am Strick, seine Hose fiel runter, denn sein Gürtel war lose, und darunter war ein nackter Arsch zu sehen. Alle lachten wie verrückt.

Edward Dwurnik
Noon, from the series Lelek and Baba, 1969, India ink on paper, 36 × 50 cm (nr 2848) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
Perm, from the series Interiors, 1966, pencil on paper, 32 × 48 cm (nr 211) [Price: PLN 4000]

Küche


In jeder unserer Wohnungen war die Küche der wichtigste Raum. Dort spielte sich das Leben ab - das Küchen- und Gesellschaftsleben. Kochen, Waschen, Plaudern - sogar die Dauerwelle machten sich die (…)

In jeder unserer Wohnungen war die Küche der wichtigste Raum. Dort spielte sich das Leben ab - das Küchen- und Gesellschaftsleben. Kochen, Waschen, Plaudern - sogar die Dauerwelle machten sich die Mutter, die Schwestern und die Tanten da drin. Irgendwie erinnere ich mich nicht, ob man später mal in einem Teller Brühe Haare entdeckt hat, aber es konnte durchaus sein. Und die Brühe hat die Mutter immer aus "ihrem" Huhn gekocht. Sie ist auf dem Lande aufgewachsen und war gewöhnt daran, dass es im Gehöft Hühner geben musste, dass man frische Eier haben sollte. Allerdings war die Zeit auch so, dass es wirklich vom Vorteil war, eigene Eier zu haben. Mein Schwager war deswegen furchtbar wütend, denn er sagte, er musste jedesmal in die Hühnerscheiße treten.

Edward Dwurnik
Granddad, from the series Interiors, 1966, pencil on paper, 31 × 48 cm (nr 206) [Price: PLN 4000]

Großvater


Am Tisch, auf den Ellenbogen gestützt, sitzt mein Großvater Władysław Dwurnik. Man kann seinen prächtigen Schnurrbart und, auf dem Kopf, seinen sorgfältig gekämmten Scheitel sehen. Aber die (…)

Am Tisch, auf den Ellenbogen gestützt, sitzt mein Großvater Władysław Dwurnik. Man kann seinen prächtigen Schnurrbart und, auf dem Kopf, seinen sorgfältig gekämmten Scheitel sehen. Aber die schwarzen Augen sieht man nicht. Mein Vater hieß auch Władysław, meine Mutter Władysława. Sie schämte sich sehr, dass Władzia Władek geheiratet hat, so dass ich und meine Geschwister lange dachten, ihr Name wäre Anna, weil sie sich immer so vorgestellt hat. Seit ich mich erinnern kann, war mein Großvater unserer Familie hinzugefügt, er ersetzte mir den Vater, der in den "Diensten" gearbeitet hat. Und eigentlich hat er mich erzogen. Er ließ mich vor jeder Mahlzeit beten usw. Am Abend musste ich vor dem Kreuz knien und das Gebet sprechen. Er lebte mit uns in Mława, dann in Grójec, wo er im Hof hinter dem Haus Seife aus Hundefett machte, das ihm kübelweise Abdecker lieferten. Der Großvater hatte eine riesige Kanne, ein großes Gefäß. Er setzte es auf Ziegelsteine, dann legte hinzu Holz, das ihm andere Typen aus dem Wald brachten. Und dann wurde das gekocht. Man konnte es nur draußen halten, neben dem Klo, das gemeinsam der ganzen Siedlung diente.

Edward Dwurnik
The Passing Place, from the series One Day, 1971, India ink on paper, 35 × 50 cm (nr 3655) [Price: PLN 5000]

Gute Autos (Ausweichstelle)


Das ist voll Polen! Neidische Blicke der Arbeiter im Laderaum des Lkws sagen alles. Die soziale Kluft ist mit bloßem Auge sichtbar. Der elegante PKW - das ist es! Ich mochte immer gute Autos. Das (…)

Das ist voll Polen! Neidische Blicke der Arbeiter im Laderaum des Lkws sagen alles. Die soziale Kluft ist mit bloßem Auge sichtbar. Der elegante PKW - das ist es!

Ich mochte immer gute Autos. Das erste, einen Käfer, kaufte ich 1976. In meinen jungen Jahren habe ich oft für meinen Vater Fahrer gespielt. Er kaufte die Warszawas, insgesamt hatte er drei nacheinander. Den ersten gebraucht, zwei weitere neu. Er selbst wollte das Auto nicht fahren. Er sagte, es hätte keinen Sinn, weil er so nichts trinken könnte. Manchmal fuhr er nach Żoliborz, er hatte dort eine Geliebte. Ich habe sie einmal gesehen, es war eine attraktive Frau. Ungefähr dreimal sind wir zu ihrem Haus gefahren. Er sagte: "Warte hier eine Minute, ich komme gleich wieder." Und, verdammt noch mal, es dauerte etwa vier Stunden. Ich wechselte auf den Rücksitz und schlief ein.

Edward Dwurnik
The Passing Place I, from the series One Day, 1971, felt-tip pen and India ink on paper, 35 ×49 cm (nr 3680) [Price: PLN 4000]

Harter Realist


Viele Jahre lang fuhr ich mit dem Zug oder mit dem Bus von Międzylesie nach Warszawa. Man, wie viele Gesichter ich gesehen, wie viele verrauchte und versoffene Atem eingeatmet, wieviele Flüche (…)

Viele Jahre lang fuhr ich mit dem Zug oder mit dem Bus von Międzylesie nach Warszawa. Man, wie viele Gesichter ich gesehen, wie viele verrauchte und versoffene Atem eingeatmet, wieviele Flüche gehört habe! All das hat meine Batterien aufgeladen. 1968, im Antrag auf ein Studentenstipendium, schrieb ich: "Ich lebe in Międzylesie, fahre zur Akademie ungefähr eine Stunde lang, verkehre mit Pendlern, bereiste kleine Städte, interessiere mich für durchschnittliche Polen. Ich denke, dass sie gar nicht durchschnittlich sind, weil sie mich erzogen haben, ich glaube, ich kenne ihr Leben, ihre Kleidung, Gewohnheiten, Überzeugungen, ihren Jargon - ich liebe sie und freue mich, durch meine Malerei ihnen ein Denkmal zu setzen. Sie werden bald verschwinden, das Land erlebt große kulturelle Veränderungen und soziale Umbewertungen. Bald wird es kein separates Bahnhofs-, kein peripheres, kleinstädtisches Leben, keine Kneipen und Cafés dritter Kategorie, keine Männer, Frauen und Mädchen zweiter Kategorie geben. Insofern wird es auch nicht den Menschen geben, der all das kennt, keiner wird sich damit beschäftigen. [...] Ich bilde hier keine Legende, sondern bin ein objektiver, harter Realist. Viele Menschen werden sich in meinen Bildern von der alltäglichen Arbeit, von der Erholung, vom Spaß, von Schlägereien wiedererkennen."

Edward Dwurnik
Planty, from the series Kraków, 1970, pencil on paper, 30 × 42 cm (nr 3216) [Price: PLN 4000]

Auf Dem Trip Oder Eine Reise Á La Nikifor


In meinen jungen Jahren habe ich oft im Freien gezeichnet. Ich habe so viele Winkel Polens abgebildet, dass wenn ich alle Namen von Städten und Städtchen aufzählen müsste, wäre daraus das (…)

In meinen jungen Jahren habe ich oft im Freien gezeichnet. Ich habe so viele Winkel Polens abgebildet, dass wenn ich alle Namen von Städten und Städtchen aufzählen müsste, wäre daraus das Ortsverzeichnis aus einem Autoatlas geworden. Reisen per Anhalter ist der populärste Zyklus meiner Arbeiten. Es begann natürlich mit der Faszination für Nikifor. Im Sommer 1965 war ich auf einem Plenair für Studenten in Chęciny. Eines Tages machte ich mit meinen Freunden einen Ausflug nach Kielce, denn es war in der Nähe, und dort, am Markt, im Klub der Internationalen Presse und Bücher gab es eine individuelle Ausstellung von Nikifor. Ich kannte seine Arbeiten, sie wurden in ,,Przekrój" reproduziert, aber erst in Kielce habe ich sie live gesehen. Meine Freunde lachten, dass ich in die Knie ging. Stimmt, Nikifor hat mich mit seiner Phantasie und Talent verblendet, mir den Weg gezeigt. Ich wollte Architektur und Landschaft malen so wie er, übernahm aus seinen Werken die Perspektive und all die Tricks. Ich reiste durch Polen mit einem Zeichenblock, machte eine Reise à la Nikifor: aus meiner Heimatstadt Międzylesie bei Warszawa nach Międzylesie in Niederschlesien. Mein Vater schickte mir hin und wieder fünfhundert Złoty postlagernd, so wie wir es vereinbart haben. Ich ging zum Postamt und holte den Gehalt ab. Natürlich hatte ich es viel leichter als Nikifor, denn ich wohnte bequem in Hotels und er schlief ja irgendwo und musste oft, anstatt mit einem Bus oder mit einem Zug zu fahren, zu Fuß gehen. Unterwegs hat er natürlich gemalt. Ich auch, es war wie eine Sucht, ich war auf dem Trip. Jedesmal, als ich in eine Stadt kam, stieg ich aus dem Bus aus, setzte mich sofort auf den Bürgersteig und begann zu zeichnen.

Edward Dwurnik
The Port, from the series Świnoujście, 1967, pencil on paper, 30 × 42 cm (nr 994) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
Toruń, from the series Szczecin, 1967, pencil on paper, 25 × 33 cm (nr 1027) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
Marauders, from the series The Chosen One, 1970, India ink and felt-tip pen on paper, 50 × 35 cm (nr 3328) [Price: PLN 4000]

Raufereien


Ich mag das Klima der Raufereien. Als Kind und Jugendlicher war ich ein echter Rowdy, ich ließ mich auf Schlägereien mit Schulkameraden ein. Sogar als Student prügelte ich mich noch. Ich lief (…)

Ich mag das Klima der Raufereien. Als Kind und Jugendlicher war ich ein echter Rowdy, ich ließ mich auf Schlägereien mit Schulkameraden ein. Sogar als Student prügelte ich mich noch. Ich lief immer mit blauen Flecken oder mit einer dicken Lippe herum. Einmal hat der Vater meiner Schulfreundin Ela, der ich Hof machte, beim Anblick meines blauen Auges gesagt, dass es besser wäre, Boxen zu trainieren, und dass es bei der Druckerei von Dom Słowa Polskiego in Wola einen Boxklub gab. Ich war damals schon im Lyzeum für Bildende Künste und habe mir vorgenommen, in diesem Klub mal vorbeizukommen. Ich tat das und blieb dort zwei Jahre lang. Es hat sich gezeigt, dass ich gut zielen konnte. Denn man muss gar nicht stark zuschlagen, es reicht, wenn man den richtigen Punkt trifft. Ich schaue mir weiterhin Boxkämpfe im Fernsehen. Es gefällt mir immer noch. Meine Vorliebe für Schlägereien habe ich in die Malerei übertragen. Ich zeichnete und malte solche Szenen immer und immer wieder. Die Bewegung ist ein der Geheimnisse der Malerei. Boxen und Bodybuilding haben mir geholfen, den Augenblick zu fassen, in dem sich diskret der einzigartige Geist des Heldentums manifestiert, der das wahre Leben in sich hat. Da ich selber wusste, wie man den Bizeps zu spannen und wie man sich zu bewegen hatte, um nicht umzukippen und ein Opfer aus sich zu machen, konnte ich den Eindruck der Bewegung auf Papier übertragen. Hinzu fügte ich Attribute aus einem anderen Film - ich habe meinen Helden umgegürtelt, ihm Sporen, hohe Stiefel, eine Reithose, eine Sonnenbrille verpasst. Ich zeichnete Kriege.

Meistens zeichnete ich Straßenschlachten; ich habe noch ein paar Schubladen mit Zeichnungen, auf denen die Helden mit Fäusten, Stöcken und Waffen jeder Art aufeinander losgehen.

Edward Dwurnik
It’s not far now!, from the series Lelek and Baba, 1969, India ink on paper, 35 × 50 cm (nr 2970) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
Direct, from the series The Chosen One, 1970, India ink on paper, 50 × 35 cm (nr 3324) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
At the Scene, from the series Lelek and Baba, 1969, India ink on paper, 35 × 50 cm (nr 2849) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
Untitled, from the series The Cart, 1969, pencil on paper, 45 × 48 cm (nr 2936) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
The Fortress, from the series The Cart, 1969, felt-tip pen, linocut, India ink on paper, 35 × 50 cm (nr 2810) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
By the Bridge, from the series Reportage, 1968, India ink on paper, 37 × 48 cm (nr 2680) [Price: PLN 5000]

Unfälle


Ein Kopf mitten auf der Straße gehörte dem Opfer eines Unfalls. Vermutlich wurde der Mann von dem Zug erfasst, der Kopf fiel von der Bahnbrücke herunter. Die Bahnunfälle waren an der (…)

Ein Kopf mitten auf der Straße gehörte dem Opfer eines Unfalls. Vermutlich wurde der Mann von dem Zug erfasst, der Kopf fiel von der Bahnbrücke herunter. Die Bahnunfälle waren an der Tagesordnung. Man hörte ständig oder sah sogar selber manche Tragödie. Einmal, als ich auf dem Weg zur Akademie war, wurde vor meinen Augen ein Fußgänger vom Bus überfahren. Eine Menschenmenge hat sich versammelt, Leute schreien. Man konnte nichts mehr tun, ich ging ins Atelier.

Edward Dwurnik
Between the Viaducts, from the series Reportage, 1968, India ink on paper, 38 × 50 cm (nr 2681) [Price: PLN 5000]
Edward Dwurnik
The Visit, or The Secret Police in Action, from the series Passions, 1970, felt-tip pen and colour inks on paper, 30 × 42 cm (nr 3352) [Price: PLN 4000]

Schlachten Und Soldatenhorden


Ein Traum des Malers, eine Vision des Malers. Hätte ich in Metaphern gehen wollen, hätte ich erzählt, dass mein Atelier oder eher meinen Kopf Soldatenhorden, historische Figuren, unsere Könige, (…)

Ein Traum des Malers, eine Vision des Malers. Hätte ich in Metaphern gehen wollen, hätte ich erzählt, dass mein Atelier oder eher meinen Kopf Soldatenhorden, historische Figuren, unsere Könige, Dichter, Politiker durchzogen haben. Ich mochte immer das Narrative in der Malerei von Matejko. Ich mag ja selber Geschichten auf der Leinwand, auf dem Papier erzählen. Bereits in der Grundschule überzeichnete ich große Kartons mit Schlachtenbildern - Die Schlacht von Oliva, Hundsfeld, Die Schlacht von Tannenberg und viele andere. Bei meinem geliebten Nikifor gibt es auch viel Erzählung. Er teilte die Fläche in ein Dutzend Sektoren und schuf so etwas wie einen Comic: er erzählte Geschichten, in denen er einen Priester, Menschen, Innenräume, die Letzte Ölung und so weiter auftreten ließ.

Edward Dwurnik
Saint-Michel, from the series Paris, 1967, crayon on paper, 33 × 50 cm (nr 2309) [Price: PLN 4000]

Paris


1967 fuhr ich das erste Mal ins Ausland, nach Paris. Ich war damals Student der Akademie der Schönen Künste, zeichnete ununterbrochen, machte auf Nikifor und bereiste Polen mit Zeichenblock und (…)

1967 fuhr ich das erste Mal ins Ausland, nach Paris. Ich war damals Student der Akademie der Schönen Künste, zeichnete ununterbrochen, machte auf Nikifor und bereiste Polen mit Zeichenblock und Bleistift. Von Paris träumt ein jeder Künstler, und ich wollte dazu noch die Realität damit konfrontieren, was ich in den schönen Schwarz-Weiß-Alben gesehen habe, die an der Akademie für mich die Bibliothekarin Frau Grabowiecka aussuchte. Schon damals hatte die Akademie eine fabelhafte Büchersammlung. Ich sah eine Menge Alben mit Fotos von Paris. Seite für Seite schaute ich mir Straßen und Plätze an - es gab dort wenig Bäume, so dass die Architektur gut sichtbar war. Ich liebte auch die Lithographien von Bernard Buffett, der Paris oft zeichnete, und wollte zeichnen wie er. Aber auf eine solche Reise musste man sich vorbereiten.

Bei der Erlangung der Einladung half mir eine Freundin, Ewa Kuryluk. Sie schrieb an ihre Bekannte in Paris und diese schickte mir eine Einladung. Es war nett und selbstlos. Diesem Mädchen habe ich nie begegnet.

Mein Reisekoffer war voll bepackt, bis zum Platzen. Ich hatte drin Wurst, portugiesische Sardinen und den berühmten gepressten Schinken in der roten Büchse mit Aufschrift "Polish ham". Mein Vater gab mir noch drei Liter Wodka: sechs Flaschen, je ein halbes Liter, zum Verkauf. Im ausgehöhlten Schuhabsatz habe ich 100 Dollar versteckt. Französisch konnte ich natürlich nicht, kein Wort, aber was soll's! Ich war ja ein Kamikaze. Ich erinnere mich, dass ich vom Flughafen zuerst mit einem Bus und dann mit der U-Bahn gefahren bin. Ich erreichte den Boulevard Saint-Michel und fand in einer Seitenstraße ein kleines Hotel. Der Typ an der Rezeption gab mir ein Zimmer im fünften Stock und ich schleppte mich nach oben mit diesem Koffer, ich habe es nur mit größter Mühe geschafft. Ich war dumm genug, im Voraus für die ganze Woche bezahlt zu haben. Man kassierte zirka 400 Franken, etwas ist mir noch geblieben (dann übrigens hat eine Bekannte aus Międzylesie, die in Paris als Haushälterin arbeitete, für mich ein kleines Zimmer "bei der Familie" gefunden, so dass ich aus diesem Hotel schnell auszog und sogar das Geld zurückkriegte). Im Zimmer öffnete ich die Sardinen, entkorkte Wodka und nahm aus der Tasche das Baguette heraus, das ich unterwegs gekauft habe. Nach dem Essen ging ich nach draußen, in die Stadt, um Papier und Stifte zu kaufen. Im Studentenviertel fand ich einen kleinen Laden mit Künstlerbedarf. Ich kaufte Bleistifte, weiche Graphite, einen schönen grünen Zeichenblock. Dann ging ich ins Café, wo ich ein paar Gläser Wein trank, und begann zu zeichnen. Ich zeichnete das ganze Paris ab. Nach dem eineinhalbmonatigen Aufenthalt brachte ich nach Polen 118 Zeichnungen. Es gab viel mehr davon, aber eine große Mappe habe ich in der U-Bahn vergessen. Ich weiß nicht mal, ob diese Zeichnungen signiert waren. In Pariser Zeichnungen kommen selten Menschen oder eine Aktion vor, ich konzentrierte mich nur auf die Architektur. Die Menschen auf den Bildern haben nur dann eine Daseinsberechtigung, wenn sie etwas beitragen, die Komposition bereichern, die Hauptrolle spielt die Stadt selbst, andere Kombinationen hätten da keinen Sinn.

Edward Dwurnik
The Café, from the series Paris, 1967, pencil on paper, 33 × 50 cm (nr 2307) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
The Basilica of Sacré-Coeur, from the series Paris, 1967, pencil on paper, 50 × 33 cm (nr 2379) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
Rue Muller, Montmartre, from the series Paris, 1967, pencil on paper, 33 × 50 cm (nr 2449) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
Place de la Bastille, from the series Paris, 1967, pencil on paper, 33 × 50 cm (nr 2302) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
The Sainte Trinité Church, from the series Paris, 1967, pencil on paper, 33 × 50 cm (nr 2389) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
Saint-Germain-des-Prés, from the series Paris, 1967, pencil on paper, 33 × 50 cm (nr 2311) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
The Obstacle, from the series Reportage, 1968, ink on paper, 48 × 35 cm (nr 2663) [Price: PLN 4000]

Hindernis Oder Ein Spaziergang In Rypin


Auf dieser Zeichnung gehen ich und Teresa Gierzyńska in Rypin spazieren. Das ist die Endphase unseres Verlobtseins oder die Anfangsphase unserer Ehe. Wir gehen da aufgedonnert, herausgeputzt, und (…)

Auf dieser Zeichnung gehen ich und Teresa Gierzyńska in Rypin spazieren. Das ist die Endphase unseres Verlobtseins oder die Anfangsphase unserer Ehe. Wir gehen da aufgedonnert, herausgeputzt, und vor uns liegt ein Besoffener - ein Stehimweg, ein Hindernis.

Teresa habe ich an der Akademie kennen gelernt, genau an der Party bei meiner Kommilitonin Ewa Michalska. Gerade waren Ewas Eltern in den Urlaub verreist und ließen uns die sturmfreie Bude. Wir tanzten damals zu den Liedern von Salvatore Adamo und es war dort überhaupt viel los, es entstanden damals viele feste und lockere Liebesbeziehungen. Danach habe ich sogar dem Professor Eugeniusz Eibisch gesagt, dass ich ein tolles Mädchen kennen gelernt habe und dass ich sie heiraten werde.

Teresas Eltern und die jüngeren Schwestern lebten in Rypin. Ihr Vater war Jurist. Einmal im Sommer fuhren sie mit dem Bus zur Kur nach Ciechocinek. Teresa ließ mich wissen, dass sie alleine zu Hause ist und ich vorbeikommen sollte. Ich kleidete mich damals à la Nikifor: buschiger Schnurrbart, lange Haare, dazu noch die Anzugjacke meines Vaters. Ich war eine Sensation. Einmal spazierten wir durch Rypin und begegneten auf der Straße dem örtlichen Richter, der später Teresas Vater fragte, was das für ein Kerl war, der sich mit seiner ältesten Tochter zeigte. Und der Vater sagte, er wäre ein Künstler, ein Studienfreund. Alle dort interessierten sich für uns sehr. Teresas Nachbar fragte mich aus, was ich dort wollte. Ihre Eltern regten sich auf, wegen des möglichen Klatsches und Tratsches, aber sobald es sich herausstellte, dass wir heiraten wollten, hat sich alles beruhigt. Die Trauung fand am 20. Oktober 1968 im Standesamt in Mycielskiego-Straße in Grochów statt. Die offizielle Hochzeit organisierte ich in Międzylesie, zu Hause, bei meinen Eltern im Erdgeschoss, und den zweiten Teil, für meine Freunde, Bildhauer und Maler, im Atelier im Obergeschoss.

Edward Dwurnik
Silver Paper, from the series Workers, 1976, lithograph on paper, 52 × 74 cm (nr 1366) [Price: PLN 4000]

Goldpapierchen


1976 machte ich eine Graphik, auf der ich die Frühstücksszene im Elternhaus meiner Frau Teresa Gierzyńska in Rypin, Kujawien, verewigte. Für mich eine alltägliche Szene, eine Erinnerung an den (…)

1976 machte ich eine Graphik, auf der ich die Frühstücksszene im Elternhaus meiner Frau Teresa Gierzyńska in Rypin, Kujawien, verewigte. Für mich eine alltägliche Szene, eine Erinnerung an den Morgen bei den Schwiegereltern. Wir fuhren oft dorthin - zunächst mit dem ersten, dann mit dem nächsten Käfer... Es war idyllisch - das Haus (ein so genannter Amerikaner, nicht groß, nach Vorschriften der Gomułka-Ära nur 110 m²) stand im Garten, man ging da zwischen Obstbäumen, dort wuchsen unzählige Stachelbeerensträucher, aus deren Früchten die Haushälterin, Frau Weronika, Eingemachtes produzierte. Ihre Stachelbeerengelees und Kompotte aßen wir ständig. Und erst jetzt, wenn ich in meinem Gedächtnis vergessene Redewendungen ausgrabe, ist mir bewusst geworden, dass ich auf dieser Graphik eines notiert habe, das wohl nicht mehr gebraucht wird, jedenfalls höre ich es nirgendwo, ich verwende es selbst nicht, und es ist untrennbar mit Frau Weronika verbunden.

Als ich ihr begegnete, war sie bereits um 60 und schien mir damals sehr alt! Sie hatte einen charakteristischen Zug, für sie wahrscheinlich einen Makel - eine große Rötung im Gesicht, das so genannte Feuermal. Frau Weronika organisierte das Haus. Sie war Spezialistin für Fußbodenreinigung (diese Fähigkeit brachte ihr während ihrer Gefangenschaft im Konzentrationslager sogar die Anerkennung der Deutschen, so dass sie zusätzliche Portionen Margarine und Brot kriegte), für Kopfabhacken bei Hühnern und Hähnen (mein Schwiegervater, als populärer Provinzanwalt, bekam immer wieder Geflügel von dankbaren Kunden) und für deren Füllung. Sie kochte fantastisch. Aber eine Sache klappte eindeutig nicht, und davon erzählt diese Frühstücksgeschichte.

Am Tisch sitzen ein paar Leute: meine Schwiegereltern Anna und Kazimierz sowie die drei Grazien: Teresa und ihre jüngeren Schwestern, Dorota und Wanda. Die Töchter des Anwalts Gierzyński waren nicht nur hübsch, sondern auch noch talentiert. Alle drei studierten an der Akademie der Schönen Künste in Warszawa. Also wir sitzen dort am Tisch, auf unsere Knie klettert der Kater Waśko - es gab dort immer irgendeine Katze, damals eben Waśko. Die Atmosphäre ist gut, man redet dummes Zeug - obwohl es sein konnte, dass der Schwiegervater versuchte, mich über Politik auszufragen, denn er redete gerne über Politik und erinnerte sich oft daran, wie das ganze Rypin erschütterte, als 1956 russische Panzer hierdurch gefahren sind. Aber ich und die Mädels warten auf den Höhepunkt des Frühstücks, also Frau Weronikas Kampf gegen Streichkäse in Alufolie oder, wenn man so will, im Goldpapier. Frau Weronika zerdrückte immer die ganze Portion, zupfte an der Verpackung, zerriss sie, verdreckte sich die Hände, Käse blieb haften unter ihren Fingernägeln und sie sagte immer dabei: ,,Gott sei's geklagt, Goldpapierchen kaputt." Immer! Den Streichkäse wollte keiner mehr essen, aber wir lachten sehr über diesen Ausdruck, über dieses Käsemantra.

Edward Dwurnik
The Walk I, from the series Encounters, 1968, pencil on paper, 35 × 50 cm (nr 2742) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
Vernissage in Międzylesie, 1967, pencil on paper, 45 × 48 cm (nr 284) [Price: PLN 4000]

Besoffen


An der Akademie gab es dauernd Partys. Mal elegantere Tanzabende, wie dieser bei Ewa Michalska, wo ich Teresa kennen gelernt habe, mal primitivere im Klub Dziekanka, wo Myjak und Frąckiewicz (…)

An der Akademie gab es dauernd Partys. Mal elegantere Tanzabende, wie dieser bei Ewa Michalska, wo ich Teresa kennen gelernt habe, mal primitivere im Klub Dziekanka, wo Myjak und Frąckiewicz Saufgelagen organisierten. In Zimmern saßen alle auf Betten und tranken Bier direkt aus der Flasche. Studentensaufen ist eben die Norm. Mein Freund Przemek Kwiek zelebrierte solche Situationen. Übrigens waren wir, nach den Jahren im Lyzeum für Berufstätige in Otwock, bereits kampferprobt. Wir holten Bier im Eimer oder kauften eine Halbliterflasche Wodka, Brot und frischen Schinken, denn damals gab es noch Schinken. Ich erinnere mich, als wir einmal, total betrunken, aus dem Keller, aus dem Lithographie-Atelier nach draußen gingen. Im Hof wärmten sich die Kommilitonen in den letzten Sonnenstrahlen. Unter ihnen war der Bildhauer Paweł Jocz, der uns zurief: "Kauft sofort Zitronen, dann werdet ihr schneller nüchtern". Man ging zu Fukier Wein trinken oder kippte einen schnellen Wodka im kleinen Kabuff bei Frau Stasia hinunter.

Edward Dwurnik
Drunk VI, from the series Reportage, 1968, India ink on paper, 38 × 50 cm (nr 2675) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
Drunk VII, from the series Reportage, 1968, India ink on paper, 38 × 50 cm (nr 2676) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
Visit to the Sculpture Studio, from the series The Cart, 1969, India ink on paper, 36 × 50 cm (nr 2809) [Price: PLN 4000]

Gerettet


Dies ist die Geschichte über meine Dummheit und über den Großmut von Teresa, meiner zukünftigen Frau. Scheinbar eine harmlose Szene im Skulpturenatelier, aber sie erinnert mich sofort an ein (…)

Dies ist die Geschichte über meine Dummheit und über den Großmut von Teresa, meiner zukünftigen Frau. Scheinbar eine harmlose Szene im Skulpturenatelier, aber sie erinnert mich sofort an ein schreckliches Erlebnis, das mich fast das Studium an der Akademie gekostet hat.

Einmal waren die Jungs und ich richtig beschwipst und so gingen wir zum Unterricht im Skulpturenatelier von Alfred Jesion. Dort standen noch nasse Skulpturen, Akten, zum Schutz vor dem Austrocknen sorgfältig in Stoff gehüllt. Und wir dämliche Säufer haben sie zu Boden geschmissen. Jesion fragte später Tereska nach dem Täter, aber sie hat nichts gesagt. Hätte man mich damals von der Hochschule exmatrikuliert, wäre es fatal gewesen. Mit einem Wort: sie hat mich gerettet.

Edward Dwurnik
Soda with Syrup, from the series One Day, 1971, felt-tip pen on paper, 38 × 50 cm (nr 3678) [Price: PLN 4000]

Karbonator Auf Bristolkarton Aus Reszel


In meiner Akademiezeit gab es ein berühmtes Modell namens Ignac. Dünn, mit Brille. Es genügt nur in eine beliebige Publikation der Akademie reinzuschauen, um ein Foto von Ignac, eine Skulptur oder (…)

In meiner Akademiezeit gab es ein berühmtes Modell namens Ignac. Dünn, mit Brille. Es genügt nur in eine beliebige Publikation der Akademie reinzuschauen, um ein Foto von Ignac, eine Skulptur oder ein Bild, für die er Modell stand, zu finden. Im Sommer, wenn er im Modellstehen eine Pause hatte, mietete Ignac einen Karbonator, stand mit ihm am Stadion des 10. Jahrestages und verkaufte Sodawasser mit Sirup. Die Gläser waren an der Maschine mit einer Kette befestigt. Diese Gläser nannte man im Volksmund "TBCler", denn sie wurden nie richtig gespült. Aber irgendwie machte sich damals keiner Gedanken über die Hygiene.

Diese Zeichnung entstand auf Bristolkarton, gekauft in Reszel. Manchmal konnte man in der Provinz gute Materialien finden. Einmal kriegten ich und mein Freund Przemek Kwiek einen Ferienjob in Reszel. Wir strichen dort Wände in der Kirche und ich malte zusätzlich noch Fresken. Im Ort gingen wir in die Drogerie, wo wir ein Ries phantastischen Bristolkarton fanden. Ich kaufte alles, was sie hatten. Es war schwer wie die Hölle, und ich hatte damals noch kein Auto, also mussten wir es im Bus transportieren und Kwiek fluchte, was das Zeug hielt. Dann habe ich all das kleingeschnitten und verwendete für Zeichnungen, die ich übrigens bis heute habe. Dieser Bristolkarton war schön, obwohl er später ein wenig vergilbte.

Edward Dwurnik
Mud Pies, from the series Encounters, 1968, pencil on paper, 35 × 50 cm (nr 2734) [Price: PLN 4000]

Den Himmel Zu Zeichnen Wäre Eine Platzverschwendung


Immer nährte ich mich von Menschenmengen, und das kann man auf diesen Zeichnungen sehen. Ich hatte eine Phase, dass in meinen Arbeiten überhaupt kein Himmel zu sehen war, denn ich fand, es wäre (…)

Immer nährte ich mich von Menschenmengen, und das kann man auf diesen Zeichnungen sehen. Ich hatte eine Phase, dass in meinen Arbeiten überhaupt kein Himmel zu sehen war, denn ich fand, es wäre schade um den Platz. Jedes Stückchen Papier füllte ich dicht mit Menschenfiguren. Ich zeichnete Menschenmassen, aber versuchte immer, die Gestalten zu individualisieren. Die Menschenfigur im Raum ist wie ein Klecks, nicht wahr? Und ich schmückte sie auf meine eigene Weise, frisierte sie, gab ihr ein Kostüm, schnallte ihr einen Säbel um, gab ihr Sporen und Hut mit Feder, und die Figur nahm sofort die Individualität an. Als ich schon Reisen per Anhalter sowie Sportler malte und man meine Helden auf derselben Leinwand in verschiedenen Situationen sah, waren sie irgendwie geschmückt - oder trugen Gürtel, bewegten sich auf Rädern oder waren Ritter. In den Zeichnungen tat ich das Gleiche. Das war eine Flucht von der Realität.

Edward Dwurnik
The Walk II, from the series Encounters, 1968, pencil on paper, 35 × 50 cm (nr 2741) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
A Kiosk in Powiśle, from the series Passions, 1969, India ink on paper, 43 × 60 cm (nr 2965) [Price: PLN 4000]

Chic


Der Typ im Vordergrund auf dieser Zeichnung bin ich. Ich trage eine Mütze mit glänzendem Schirm. Ich hatte mehrere solche Mützen, die ich bei dem berühmten Hutmacher Modzelewski in Aleje (…)

Der Typ im Vordergrund auf dieser Zeichnung bin ich. Ich trage eine Mütze mit glänzendem Schirm. Ich hatte mehrere solche Mützen, die ich bei dem berühmten Hutmacher Modzelewski in Aleje Jerozolimskie kaufte. Ich habe sogar einen Stempel angefertigt, mit dem Profil in dieser Mütze, das in vielen meiner Arbeiten zu sehen ist. Wenn es um Objekte der Begierde aus der Zeit meiner Jugend geht, dann waren gestreifte Hemden hochmodisch, die man nur bei Privathändlern im Stadtteil Praga kriegen konnte; dabei auch Jeans, am besten von Lee, ich hatte so eine, mit karierter Innenfutter. Dann kamen weiße bügelfreie Hemden und Nylonmäntel in Marineblau. Es gab damals eine Kooperative namens Stopa - sie hatte einen Laden in Nowy Świat, wo man Wildlederschuhe verkaufte. Nach diesen Schuhen waren alle verrückt.

Edward Dwurnik
Erotic Piece, 1979, India ink on paper, 30 × 21 cm (nr 5347) [Price: PLN 2500]

Erotika


Was gibt es hier zu erzählen, zu erklären, wenn man alles schon auf den ersten Blick sieht. Überall Phallusse. Es wird gesagt, dass das Geld die Welt regiert, aber der Phallus auch. Ich wollte (…)

Was gibt es hier zu erzählen, zu erklären, wenn man alles schon auf den ersten Blick sieht. Überall Phallusse. Es wird gesagt, dass das Geld die Welt regiert, aber der Phallus auch. Ich wollte keine reine Pornographie zeichnen, obwohl ich eine Menge Erotika produzierte, insbesondere in meinen jungen Jahren, und natürlich gab es darin Pikanterie und Spaß. In diesen Zeichnungen ist das komische Element groß. So groß wie ein riesiger Schwanz.

Nackte Ärsche kommen in vielen meiner Arbeiten vor, auch in denen, wo es nicht um Sex geht. Immer wieder fallen jemandem die Hose runter. Ein einfacher Trick: die Königin von England steht da, in einem Kostüm, und alles scheint OK. Aber wenn ich ihr noch ein Höschen hinzuzeichne, wird es lustiger und interessanter. Und wenn ihr dieses Höschen herunterfällt, um so besser.

Edward Dwurnik
Erotic Piece, 1979, India ink on paper, 30 × 21 cm (nr 5352) [Price: PLN 2500]
Edward Dwurnik
Erotic Piece, 1979, India ink on paper, 30 × 21 cm (nr 5379) [Price: PLN 2500]
Edward Dwurnik
Erotic Piece, 1979, India ink on paper, 30 × 21 cm (nr 5378) [Price: PLN 2500]
Edward Dwurnik
The Meeting, from the series My heroes, 1972, pencil, linocut, felt-tip pen on paper, 51 × 37 cm (nr 3925) [Price: PLN 4000]

Position Fürs Überleben


Niemand sollte glaube, dass das Motiv, Position fürs Überleben genannt, welches in meinen Arbeiten in den 80er Jahren erschien, etwas mit der politischen Situation zu tun hat, denn es war eine (…)

Niemand sollte glaube, dass das Motiv, Position fürs Überleben genannt, welches in meinen Arbeiten in den 80er Jahren erschien, etwas mit der politischen Situation zu tun hat, denn es war eine neutrale Idee. Ich habe da meine Gags: Abgeschnittener Kopf, Hund mit Pfeife, Katze mit Pfeife, Kopulierende Hunde und viele andere. "Position fürs Überleben" ist ein Typ mit gestreckten Beinen, der sich auf den Händen stützt. Eine schwierige Pose, ich selber habe sie oft versucht, und es hat nicht geklappt. Und als ich in den 60er Jahren Boxen trainierte, hatte ich ja stärkere Hände und stärkere Arme. Ich mochte die "Position fürs Überleben", setzte sie in verschiedene Zeichnungen und Graphiken ein. In den Schubladen mit Papieren habe ich ein Dutzend Radiernadelarbeiten, auf denen ein Koksofen und Polizisten dargestellt werden, und im Vordergrund steht auf den Händen ein Mann-Hund mit hängendem Glied. Aber das Publikum begann, in der ,,Position fürs Überleben" eine symbolische Dimension zu sehen. So war es u.a. anlässlich meiner großen Ausstellung im Kunstverein in Stuttgart 1994. Kuratiert wurde sie vom Direktor des Kunstvereins, Martin Henschel. Ich zeigte dort Zeichnungen, drei Zyklen aus der Debütausstellung in Galeria Współczesna, geführt von Janusz Bogucki: Pleinair mit Gips, Verschiedene Blaus und Weg, viele Bilder - Sportler, Arbeiter. Die Deutschen haben zu dieser Ausstellung ein schönes Album herausgegeben; gleich am Anfang befindet sich die Reproduktion der "Position fürs Überleben", als ob sie ein Schlüssel zum Verstehen meiner Kunst wäre.

Edward Dwurnik
The Survival Figure, from the series Workers, 1982, crayon and India ink on paper, 58 × 49 cm (nr 6123) [Price: PLN 4000]
Edward Dwurnik
We Have a Prophet, from the series Workers, 1981, India ink on paper, 49 × 59 cm (nr 6034) [Price: PLN 4000]


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