Künstlerische Ordnung

Katarzyna Rzehak Spricht Katarzyna Rzehak

Edward Dwurnik, einer der brillantesten polnischen Maler ist für sein Faible für Ordnung bekannt. Er putzt seine Bilder und diejenigen, die er für ungelungen hält, schneidet er in kleine Stücke und wirft weg. Seine Hosenanzüge wäscht er in der Waschmaschine, er räumt seinen Kühlschrank auf, bis er leer ist. Fernsehfilme zeichnet er auf, um die Werbeblocks auszuschneiden und die „sauberen“ Filme in Ruhe schauen zu dürfen.

Was eignet sich am besten, um ein Bild zu waschen?

Wasser und Schmierseife. Ich putze meine Bilder mit einem Schwamm, große Leinwände sauge ich mit einem Staubsauger. Ich habe einen Lagerraum für meine Werke, aber obwohl ich mich um Sauberkeit sehr bemühe, sammelt sich immer noch viel Staub. Ich kann doch keine schmutzigen Bilder für eine Ausstellung schicken.

Deine Bilder putzt du nicht nur, du vernichtest sie. Reinigst du auf diese Weise dein Lebenswerk?

Ich vernichte manche Bilder, weil sie mir langweilig wurden, weil ich zu viele habe, weil ich sie nicht mehr mag. Ich will nicht, dass sie in falschen Händen geraten. Als ich noch an der Akademie war, nahm jemand aus dem Mülleimer das, was ich weggeschmissen hatte, um es dann zu verkaufen. Dieser Vernichtungsprozess wurde sogar dokumentiert und so gibt es Fotos von mir bei der Zerschneidung der Bilder in dem Katalog meiner Ausstellung bei Zachęta. Anfangs verbrannte ich sie im Kamin, bis meine Nachbarn mich darauf hinwiesen, dass der Rauch unökologisch sei. Jetzt also tue ich folgendes: wenn der Rahmen der Leinwand in Ordnung ist, schneide ich das Bild mithilfe eines speziellen Messers aus. Den Rahmen nutze ich noch mal. Das ausgeschnittene Bild schneide ich in kleine Stücke. Ich habe mittlerweile so viel Routine, dass ich Aktenvernichter der CIA sein könnte.

Edward DwurnikEdward DwurnikEdward Dwurnik

Hast du Anfälle von Ordnungswahn?

Na klar! Dann mache ich die totale Ordnung. Einmal musste ich den Kühlschrank sauber machen, sie glänzte danach. Ich schmiss alles weg und putzte ihn drin. Bis heute kann mir meine Ela nicht verzeihen, dass ich ihre Nagellacks, die sie im Kühlschrank lagerte, in den Müll wegwarf. Es waren angeblich zwölf Flaschen. Ähnlich erging es zahlreichen sowjetischen Kunstalben und Ausstellungskatalogen, mit denen ich einmal das halbe Auto voll packte und sie der Bibliothek in Zachęta schenkte. Die Bibliothekarinnen waren entzückt, ich aber auch. Wenn ich Bücher wegschmeiße, dann ohne wenn und aber. Ich stelle mich vor dem Regal und werfe alles der Reihe nach in den Karton.

Vermisst du etwas, was du weggeschmissen hast?

Ich bereue die schwarzen Schallplatten, die auf der Müllhalde landeten. Oder die alten „Film“-Hefte, die meine Tochter, Pola, irgendwo bekommen hat. Es tut mir Leid auch um alte Jahrgänge der Zeitschrift „Twórczość i poezja“ („Kreativität und Poesie“).

Beseitigte Kleidung tut nicht weh?

Ich vergesse sie schnell. Den Kleiderschrank miste ich oft aus, da ich alles ganz schnell beim Malen schmutzig mache. Wenn ich mich für einen Empfang in einer Botschaft anziehe und danach kurz auf Ela warten muss, greife ich schnell zum Pinsel und male auf dem Bild noch was dazu. Ich gehe aus dem Haus und schon ist die Jacke voll mit Farbe beschmiert. Es tut mir Leid um die Kleidung, die ich beim Waschen zerstörte. Ich habe mehrere Wollanzüge in der Waschmaschine gewaschen, alle von dem wunderbaren Warschauer Schneider, Zaremba. Eine Kaschmir-Jacke zerschrumpfte dermaßen, dass ich sie wegwerfen musste. Die Anzüge behielt ich aber. Zwar sehen sie aus wie von dem avantgardistischen Label Comme des Garcons – verfilzt, geschrumpft – aber schick sind sie immer noch. Ela und eine Kusine tragen sie. Bei den Schuhen habe ich immer genau dieselbe Menge, wenn ich also neue kaufe, muss ich die alten beseitigen. Das mache im Ausland, in Paris oder New York. Ich komme in den vollkommenen polnischen Schuhen von Kielman an, kaufe ein neues Paar und die Kielmans bleiben auf dem Bürgersteig. Ich werfe sie nicht in den Müll, solche Schuhe darf man nicht wegwerfen.

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Stimmt es, dass du dein Auto von Innen selbst reinigst?

Das Auto ist ein ganz anderes Thema. Ich staune manchmal über die Müllhalden in denen Leute fahren! Warum führen alle einen Lappen mit? Wozu all die Kissen, Decken, verfransten Überzüge, Rückenkugeln? Am liebsten würde ich solche Autos niederbrennen. Meine Wagen sind vollkommen sauber. Ich putze sie selbst mit dem Staubsauger an der Tankstelle, einmal im Jahr lasse ich die Fenster von drinnen waschen. Bei mir schüttet sich nichts aus, da ich im Kofferraum Plastikbehälter und stabile Einkaufskörbe habe.

Hat du ein beliebtes Reinigungsmittel für zu Hause?

Ich liebe den Kret! Das ist ein Rohrreinigungsmittel. In meinem Haus steht ein Kret bei jedem Waschbecken, jeder Wanne und jedem Abfluss.

Granulat oder flüssig?

Nur flüssig. Das Granulat versteinert in den Rohrbiegungen und verstopft sie noch mehr. Der flüssige Kret ist ideal. Mit den verstopften Rohren habe ich eine echte Obsession, da ich oft meine Hände und Pinsel von der Farbe abwasche. Ich habe immer das Gefühl, sie setzt sich ab.

Angeblich kannst du wegen dieses Ordnungswahns nicht lange in einer gerumpelten Wohnung aushalten.

In einer chaotischen, überladenen Wohnung kann ich nicht länger als eine Stunde bleiben. Am schlimmsten waren früher Wohnungen von Ärzten und Zahnärzten, die von Auslandsreisen zahlreiche Souvenirs - Glöckchen, Becher, Papyri - mitbrachten. Eine echte Tortur. Für mich muss ein Raum steril und klar sein. Alle Gegenstände sollen über dem Boden hängen. Das bedeutet, dass die Möbel entweder auf den Beinen stehen müssen oder aufgehängt werden sollen. Ich hasse dunkle Ecken, wo sich der Staub sammelt.

Hast du kein Gestell für Reisesouvenirs?

Doch, aber da befinden sich Sachen aus dem Guggenheim Museum oder von dem New Yorker Moma. Es sind Gebrauchskunstwerke.

Wenn du bei jemandem Unordnung siehst, möchtest du gleich aufräumen?

So eine normale Unordnung nicht. Aber in Quentin Tarantinos Film „Pulp Fiction“ gibt es die Gestalt des „Totalen Säuberers“. Er erscheint dort, wo die Mafia jemanden hingerichtet hat. Wir wissen wie das aussieht. Und dieser Mensch räumt alles so auf, dass keine Spur mehr bleibt. Kein Tropfen Blut, kein Schussloch, gar nichts. Als die Polizei kommt herrscht vollkommene Sauberkeit. So ein Reiniger könnte ich sein.

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Dein Ordnungswahn ist auch in deinen Bildern bemerkbar. Die berühmten Städte, die du von der Vogelperspektive malst sind ideal: Ohne jegliche überflüssigen Elemente.

Würde ich eine Stadt so malen, wie sie tatsächlich von oben aussieht, würde niemand das Bild betrachten. Ich muss alle überflüssige Sachen beseitigen: Mülleimer, Schirme, Menschen, Autos. Die Proportionen verändere ich ein wenig: gibt es Hügel, dann bügele ich sie, weil meine Städte flach wie eine Landkarte sind.

Also das wichtigste in deinen Werken ist das Eliminieren?

In jedem Kunstwerk ist eine Aussortierung am wichtigsten. Der Regisseur arbeitet im Grunde genommen mit der Schere und nicht mit der Kamera. Der Film ist das, was nach dem Schnitt bleibt und nicht was gedreht wurde. Genauso geht es dem Maler. Am wichtigsten ist die Entscheidung, was weggelassen werden soll. Das ist die größte Kunst. Schlechte Künstler sind diejenigen, denen es Leid tut sich von einer bestimmten Idee zu verabschieden. Sie haben Angst, ihre Arbeit zu zerstören, oder sie verlieben sich in ihr so sehr, dass ihnen alles gefällt. Dieses Problem betrifft auch junge Künstler. Während unseren Gesprächen erkläre ich ihnen, dass sie eine gewisse Ordnung im Bild erlernen sollen. Ich sage dann: Schaut und legt ab, malt drüber.

Zerstört diese Ordnung nicht dein Künstler-Image? In der Massenvorstellung ist ein echter Künstler abgelebt oder, wie Van Gogh, ein verstoßener Irre, der sich weder für seine Umgebung noch sein Äußeres kümmert. Ein Putzfee-Künstler erweckt kein großes Vertrauen.

Dieses Mythos funktioniert tatsächlich. Ich war immer ordentlich. Meine Mutter war Stickerin, meine Schwestern häkelten. Das ganze Haus war voll gestopft mit Tischtüchern, Kissen und Wandteppichen. Ich hasste das und in meinem Atelier oben herrschte die absolute Ordnung, es standen nur die unentbehrlichen Gegenstände. Nur das Geschirr für die Stillleben. Später, als ich an der Akademie studierte, konnte ich es nicht fassen, in welchem Chaos meine Professoren arbeiteten und lebten. Ich kann mich noch an den Besuch beim Professor Leon Michalski erinnern: Es gab ein Wohnzimmer in dem Flaschen standen. Der Professor hatte seit zwanzig Jahren keine einzige weggeworfen, jede stellte er auf dem Boden. In der ganzen Welt ist es ähnlich. Als man nach dem Tod von meinen Meistern, Francis Bacon und Bernard Buffet, die Türen ihrer Ateliers öffnete, sah man eine große Müllhalde. Es war unmöglich, rein zu kommen und die Bilder zu finden.

Dwurniks Ordnung ist expansiv, du zwingst sie auf andere auf. Du bist zum Beispiel auf die Idee gekommen, deine Bilder auf den Leinwänden anderer Künstler zu malen. Das ist nichts anderes als ein feindlicher Angriff auf fremdes Territorium!

Ich habe schon meine Abstraktionen auf den Bildern von Vlastimil Hoffman, Stefan Śledziewski und Wilhelm Sasnal gemalt. Ich tue das, weil ein gemaltes Bild als eine fantastische Grundierung dient. Es hat Licht und Kraft, die ich selbst nicht schaffen könnte. Es ist kein Feindsakt, eher Schöpfung. Und es ist gewiss eine Provokation, Außerdem gibt es zu viele Bilder auf der Welt. Wenn ich meins auf einem anderen male, dann erspare ich der Welt ein weiteres neues Bild. Das ist ökonomisch und ordentlich!

Edward Dwurnik


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