Kreuzgänge

Tessa Capponi-Borawska Von Tessa Capponi-Borawska

Ein Bild von Katarzyna Jedrysik-Catellini ist mir besonders nah. Es zeigt einen Kreuzgang. Wenn ich mir dieses Bild ansehe, kehre ich im Herzen und in Gedanken in meine Toskana zurück. Zu den Klosterkreuzgängen, in deren Mauern das Echo des alten Psalmgesangs schwingt.

Katarzyna Castellini

Ich bin nicht sicher, ob Sie je gemerkt haben, dass die Kreuzgänge plötzlich auftauchen – hinter einer nicht geschlossenen Tür oder hinter der Ecke eines dunklen Korridors. Ganz gleich, ob klein oder groß, ihre Proportionen und die rhythmische Arkadenform sind immer vollkommen, makellos und völlig autark.

Katarzyna CastelliniKatarzyna Castellini

Wenn ich in Florenz bin, besuche ich sie gerne. Sie befinden sich oft weitab vom touristischen Getümmel. Nur wenige wissen über sie Bescheid. Man findet hier Ruhe und Schutz vor der Hitze. Mal sind sie hoch und geräumig wie die in der Kirche Allerheiligen oder die Grünen Kreuzgänge in Santa Maria Novella (benannt nach den heute fast nicht mehr sichtbaren Fresken von Paolo Uccello, gemalt in grünlichem Ton, die vier Episoden aus der Genesis darstellen). Sie können auch klein sein, wie der Kreuzgang in Compagnia della Santissima Annunziata. Mal sind sie mit Fresken bemalt, mal sind sie asketisch nackt. In allen herrscht eine besondere Stimmung, die schwer zu beschreiben ist.

Katarzyna CastelliniKatarzyna CastelliniKatarzyna Castellini

Wenn wir einen Kreuzgang betreten, umhüllt uns die Stille. Verstehen Sie mich nicht falsch, es geht mir nicht um den abwesenden Lärm, ich meine die echte und wahre Stille, die unseren Körper und unsere Seele wie ein feiner Schleier bedeckt und die sogar den alltäglichen Gedankentumult beruhigt. Die Stille der Kreuzgänge zwingt uns – zumindest für einen Augenblick –, still zu bleiben.

Der Schatten und das Licht scheinen hier präzise Aufgaben zu haben: Das Licht erhellt die Mitte, der Schatten setzt sich unter den Arkaden. Um an das innere Feuer zu gelangen, das unsere Seele gleichzeitig entzündet und erleuchtet, meditiert man am besten an einem schattigen Ort. Um einen Kreuzgang vollkommen zu erleben, muss man geduldig sein. Wir können dahin natürlich auch in Eile gehen, einen Blick auf die Fresken und Arkaden werfen, uns mit diesem flüchtigen, künstlerischen Erlebnis abfinden und dann ganz schnell wieder hinausgehen. Wenn wir aber innehalten und über die Arkaden und Fresken hinausschauen, dann wird der Kreuzgang zu einem Ort besonderer Ruhe.



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